Namibias gering bevölkerter Süden mit den weiten Ebenen, wo die Augen der Reisenden fast bis zum Horizont schweifen können, begeistern immer wieder auf dem Weg nach Sesriem, Sossusvlei oder zum Fischfluss-Canyon und anderen Sehenswürdigkeiten. Die erhabene Landschaft der Vor-Namib entlang der C27-Fernstraße von Helmeringhausen nordwärts nach Sesriem bis Solitaire ist ein besonderes Erlebnis.
Inmitten dieser Landschaft steht fernab von jedem Ort im Nirgendwo ein ungewöhnliches Bauwerk – Schloss Duwisib - das an eine mittelalterliche Ritterburg erinnert und romantische Vorstellungen weckt bei der Frage, wer sie erbauen ließ. Der deutsche adelige Burgherr Hansheinrich von Wolf lebte dort während der deutschen Kolonialzeit mit seiner liebenswürdigen, reichen amerikanischen Ehefrau Jayta, bewirtschaftete seine Farm und züchtete Pferde. Faszinierend ist, dass Schloss Duwisib sehr gut erhalten ist mit verschiedenen Möbeln und anderem Inventar der Wolfs und Touristen zur Besichtigung offen steht. Betritt man die Burg, bekommt man das Gefühl, der Herr Baron und seine Gemahlin seien nur kurz ausgeritten und kämen gleich zurück, um vielleicht auf der Veranda im Innenhof Kaffee zu trinken! Wer als Burgherr oder Burgfräulein die Zeituhr um 110 Jahre sozusagen zurückdrehen will, kann dort sogar übernachten. Schloss Duwisib wird vom staatlichen Betrieb Namibia Wildlife Resorts verwaltet.
Das Leben des schlanken, fast zwei Meter großen, sächsischen Berufssoldaten endete schon mit 43 Jahren auf dem Schlachtfeld im fernen Frankreich im Ersten Weltkrieg, doch schöpfte er es voll aus. Stoff, aus dem Träume gemacht sind. Von Wolf hinterließ der Nachwelt sein Schloss in Afrika und die Nachkommen seiner Pferde in der Namib-Wüste. Die wilden Pferde bei Garub sind heute eine große Touristenattraktion.
Wer war Hansheinrich von Wolf?
Er wurde als Spross eines im Jahre 1790 geadelten sächsischen Geschlechts am 11. Januar 1873 in Dresden geboren. Ob er tatsächlich den Titel Baron trug, wurde nie ganz geklärt. Er schlug die militärische Laufbahn ein und wurde 1890 mit nur 17 Jahren Fähnrich, im 1. Feldartillerie-Regiment Nr. 12 in Dresden. Er machte schnell Karriere, war außerdem ein ausgezeichneter Reiter und wurde zwischendurch nach Hannover entsendet, um Kavallerie-Rekruten im Reiten auszubilden. Seine Abenteuerlust ließ ihn 1896 im Alter von 23 Jahren eine private Ägyptenreise unternehmen, er begleitete eine Kamelkarawane durch die Wüste.
Ab September 1901 diente Hauptmann von Wolf im 4. Feldartillerie-Regiment Nr. 48 in Dresden und meldete sich Anfang 1904, bei Ausbruch des Herero-Aufstandes in Südwestafrika, zur kaiserlichen Schutztruppe. Er landete mit weiteren Soldaten und Offizieren im November 1904 in Swakopmund und wurde gleich in den Süden über Maltahöhe nach Gibeon abkommandiert, da der Nama-Aufstand gerade begonnen hatte.
Er nahm 1905 an verschiedenen Schlachten bei Gochas und am Auob-Fluss teil, wurde verwundet und reiste daher im April 1906 mit dem Schiff nach Deutschland auf Heimaturlaub. In dieser Zeit lernte er die vermögende Stieftochter des in Dresden amtierenden amerikanischen Konsuls, Jayta Humphrey, kennen und heiratete sie am 8. April 1907. Von Wolf trat verließ die Schutztruppe vorzeitig und trat wieder in den sächsischen Militärdienst ein, kehrte aber als Privatmann Ende Mai desselben Jahres nach Südwestafrika zurück. Das Ehepaar wollte bei Maltahöhe Land erwerben, um zu farmen und auch Pferde für die kaiserliche Schutztruppe zu züchten. Der pragmatische Baron setzte seine Pläne schnell in die Tat um und kaufte die Farm Duwisib sowie benachbartes Land und plante ein standesgemäßes Wohnhaus.
Das Schloss wird gebaut
Aufgrund seiner Erfahrungen während des Herero- und Nama-Aufstandes wollte das Ehepaar einen sicheren und „uneinnehmbaren“ Wohnsitz. Der Architekt Wilhelm Sander erhielt den Auftrag, ein Schloss zu bauen. Es ist eher eine Burg mit vier bewehrten Türen und kleinen Fenstern, damit es auch längeren Belagerungen standhalten konnte. Innen war es komfortabel ausgestattet mit Kaminen, dem sogenannten Rittersaal, einem Weinkeller und einem Herrenzimmer oben im Erker mit einer steilen Holzstiege. Die vielen gesellschaftlichen Anlässe, Festlichkeiten und die Gastfreundschaft auf Schloss Duwisib waren legendär und manch ein Besucher konnte nur mit Unterstützung das Herrenzimmer verlassen und die steile Stiege nach unten meistern.
Nach nur zweijähriger Bauzeit von 1907 bis 1909 war das Schloss fertig. Während der Bauzeit lebte das Ehepaar mit einem Verwalter, einem Lehrling aus Dresden, dem Pferdeaufseher und einem Herero-Bediensteten in einer provisorischen Hütte und in Zelten neben der Baustelle in glühender Hitze und kalten Wintern.
Das Schloss Duwisib ist ein Rechteck von 35 Metern mal 31 Meter mit 22 Zimmern und wurde aus dem roten Gestein nahe der Baustelle der errichtet. Alles andere musste jedoch importiert werden. Materialien wie Eisen, Holz für den Innenausbau, Zement und Oberlichter kamen per Schiff aus Hamburg nach Lüderitzbucht und wurden von einem 24-spännigen Ochsenwagen durch die Namib-Wüste transportiert. Steinmetze aus Italien sowie Tischler aus Skandinavien und sogar Irland wurden angeworben. Knapp 300 m westlich wurde eine große Reitbahn gebaut, ebenfalls mit den roten Bruchsteinen, eine Schmiede (heute Frühstücksraum der privaten Gästefarm Duwisib) und weitere Wirtschaftsräume und Unterkünfte für Angestellte. Von Wolf hatte später knapp 100 Herero-Arbeiter, er ließ für sie und deren Familien ordentliche Unterkünfte bauen. Bis Mitte 2014 lebte das Ehepaar von Wolf glücklich auf Duwisib und farmte erfolgreich, auch die Pferdezucht gelang hervorragend. Das Ehepaar hatte keine Kinder.
Der Erste Weltkrieg verändert alles
Am 1. August 1914 schiffte sich das Ehepaar in Lüderitzbucht auf dem Dampfer Gertrud Woermann ein, um in England einen angekauften Vollbluthengst abzuholen. Einen Tag später erhielt der Kapitän auf See die Nachricht vom Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Um englischen Schiffen zu entgehen, steuerte der Kapitän den neutralen Hafen Rio de Janeiro in Brasilien an. Dort wurde das Schiff festgesetzt, die Besatzung und die Passagiere interniert. Als amerikanische Staatsbürgerin wurde Jayta von Wolf nach kurzer Zeit entlassen und konnte durch die Verbindungen ihres Vaters und die Versicherung, in die USA zu reisen, auch die Freilassung ihres Ehemannes erwirken. Dort angekommen, konnte das Ehepaar Anfang 1915, illegal und unter abenteuerlichen Umständen, mit einem niederländischen Passagierschiff nach Rotterdam reisen und von dort bis nach Dresden. Hansheinrich von Wolf meldete sich sofort beim Militär und wurde in Flandern an den Beinen verwundet. Nach seiner Genesung wurde er in Frankreich eingesetzt. Dort wurde er am 4. September 1916 bei La Forêt durch einen Granatsplitter tödlich verwundet und verblutete, nur 43 Jahre alt.
Seine Witwe blieb nach dem Ersten Weltkrieg in München in ihrem Haus, heiratete 1921 wieder und zog in den 1930er Jahren nach Zürich, wo sie bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges lebte. Erneut Witwe geworden, kehrte sie 1946 in die USA zurück, wo sie in ihrem Elternhaus in Summit bei New York lebte und in den frühen 1960er Jahren verstarb. Sie kehrte nie wieder nach Namibia zurück.
Duwisib wurde von dem Freund des Ehepaares, Graf Max von Lüttichau, verwaltet, geriet aber bald nach Einzug der Unionstruppen in Südwestafrika 1915 in Konkurs und wurde 1921 öffentlich versteigert. Die neuen Besitzer war die schwedische Familie Murrmann. Der Familienvater starb bereits kurz nach der Übersiedlung nach Südwestafrika und der einzige Sohn, der in der südafrikanischen Luftwaffe diente, kam im Zweiten Weltkrieg ums Leben, so dass Duwisib kurz nach dem Zweiten Weltkrieg von einer Firma aufgekauft wurde.
Später hatten Duwisib und die umliegenden Ländereien verschiedene Besitzer, bis das Schloss sowie 50 Hektar Land in den 1970er Jahren in Staatsbesitz überging. Das umgebende Farmland blieb in Privathand, nebenan liegt die Gästefarm Duwisib der Familie Frank-Schultz. Das Schloss wurde 1991 renoviert und ist heute eine Sehenswürdigkeit im Süden Namibias, verwaltet von Namibia Wildlife Resorts.
Von Maltahöhe aus sind es knapp 82 km bis nach Duwisib in Richtung Südwesten.
Brigitte Weidlich
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