Wer hätte gedacht, dass eine Nashornjagd im Jahr 1929 zur Gründung eines der beliebtesten Ferienorte Namibias führen könnte? In der Zeitschrift ‚Die Brandwag‘ vom 29. April 1977 erzählte Major Hentie van der Merwe zum ersten Mal, wie er „ein paar Meilen südlich einer Flussmündung ein tiefes Sandtal“ entdeckte. Er fand dort frisches Trinkwasser und Wild im Überfluss. Nach diesem Major wurde Henties Bay benannt.
Major Hentie van der Merwe heißt mit vollem Namen Hendrik Stephanus van der Merwe. Im Südwestafrika Jahrbuch von 1974 schreibt der bekannte Autor Daniel Ferdinand “Doc” Immelman, dass Major von der Merwes Vater, Hauptmann Hendrik van der Merwe, sich beim Ausbruch des Ersten Weltkriegs der britischen Armee anschloss. Er tat zunächst in Europa und danach in Südwestafrika Dienst. Seine Familie ließ sich in Südwestafrika nieder. Hentie van der Merwe ging in Swakopmund und in Kapstadt zur Schule und war einer der ersten Auszubildenden an der Landwirtschaftsschule Neudamm. 1928 ließ er sich als Autohändler in Kalkfeld nieder, wo er ein Jahr später Irene May McCulloch heiratete.
1929 unternahm Hentie van der Merwe einen Jagdzug nach Angola, wo er zufällig einem amerikanischen Bekannten und Wildkenner, James A. Devilinger, in die Arme lief. Dieser erzählte ihm, dass ein Museum in Pennsylvania auf der Suche nach einem Nashornskelett sei. Es sei bereit, dafür 800 Pfund zu bezahlen. Hentie van der Merwe nahm den Auftrag an.
Gleich nach seiner Rückkehr nach Kalkfeld begann er mit den Vorbereitungen. Mit einem Ford-Bakkie und drei Oshiwambo-sprechenden Helfern machte er sich auf den Weg zum Brandberg. Nach einer beschwerlichen Anreise auf unwegsamem Terrain fanden sie eine Nashornspur. Sie erlegten das Tier mit einem gezielten Schuss und schlachteten es. Sie kratzten sogar das Fleisch von den Knochen.
Irgendwann ging ihr Wasser zur Neige, so dass sie nicht länger auf dem „Schlachtfeld“ bleiben konnten. Sie luden den stinkenden Nashornkadaver auf den Ford und fuhren in Richtung Küste. Auf Höhe des Kreuzkaps wandten sie sich nach Süden, um die Mündung des Omaruru-Riviers zu suchen. Dort vermuteten sie Trinkwasser, wurden aber enttäuscht. Weiter ging es mit dem Ford durch den tiefen Sand, bis sie schließlich eine Quelle entdeckten.
‚Die Brandwag‘ zitierte Hentie van der Merwe mit den folgenden Worten: „Zu guter Letzt erreichten wir einige Meilen südlich von der Mündung des [Omaruru-] Riviers ein tiefes Sandtal. Ich vermutete, dass dort früher ein Rivier ins Meer geflossen war. Der grüne Schilfteppich stach mir sofort ins Auge, er war ein Zeichen für Wasser. Die Stelle hat mir gefallen, also blieben wir dort.“
Einige Tage später zogen Hentie van der Merwe und seine Helfer nach Swakopmund weiter. Von dort aus wurde das Nashornskelett mithilfe eines Speditionsunternehmens nach Amerika gebracht.
Hentie van der Merwe kehrte im selben Jahr zur Weihnachtszeit in sein Sandtal an der Küste zurück. Im Gepäck hatte er jede Menge Bretter, mit denen er sich eine Holzhütte baute. Er erzählte anderen Leuten von seinem schönen Platz am Meer, an dem es jede Menge Wild gab und ihm das Anglerglück immer hold war. Er nahm Freunde mit an seinen Urlaubsplatz, der sich nach und nach zu einem beliebten Ferienort entwickelte. Manche Leute folgten seinem Beispiel und bauten sich dort Häuser. Andere zelteten oder schliefen im Sommer in ihren Autos. Als Urlaubsziel gaben sie „Hentie se baai“ (Henties Bucht) an.
Beim Ausbruch des Zweiten Weltkriegs schloss sich Hentie van der Merwe der Armee an und war im Ersten SWA Infanteriebataillon für Rekrutierung und Organisation verantwortlich. In Nordafrika und Italien verrichtete er aktiven Militärdienst und wurde zum Major befördert. Nachdem er einen Scharfschützenwettbewerb in Kairo, Ägypten gewonnen hatte, bat ihn der damalige Herrscher von Ägypten und Sudan, König Faruk I., seiner Familie das Schießen beizubringen. Es entwickelte sich eine enge Freundschaft zwischen Hentie van der Merwe und dem König. Dieser wurde 1952 abgesetzt und ging 1952 nach Italien ins Exil, wo er 1965 starb.
Hentie van der Merwe war von 1949 bis 1952 Bürgermeister von Otjiwarongo. 1965 setzte er sich in Somerset West in Südafrika zur Ruhe, wo er seine letzten Lebensjahre verbrachte.
Inke Stoldt
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