Am 11. November 1918, genau vor 100 Jahren, wurde ein Waffenstillstand unterzeichnet, der den „Krieg zur Beendigung aller Kriege“ beilegte. Wie jedes Jahr im vergangenen Jahrhundert erinnern Mohnblumen und der Klang des Last Post, der von einem einzelnen Bläser gespielt wurde, die Welt an die blutigsten Konflikte, die jemals aufgezeichnet wurden.
Namibia oder Deutsch-Südwestafrika, wie es damals genannt wurde, war eines der vielen Schlachtfelder. Wer unser Land bereist, wird durch Denkmäler und Grabsteine an diese turbulente Zeit und an längst vergessene Schlachten erinnert.
Namibia, das eigentlich weit weg von den Supermächten Europas lag, wurde in den Krieg hineingezogen, nachdem Großbritannien Deutschland den Krieg erklärt hatte. General Louis Botha, der damalige Premierminister der Union von Südafrika, schickte ein Telegramm, in dem er dem britischen Königreich Hilfe anbot. Großbritannien bedankte sich umgehend und fragte, ob Südafrika bereit wäre, diejenigen Landesteile in Deutsch-Südwestafrika zu besetzen, in denen sich Funkstationen befinden. Eine Zusage werde als großartiger und dringender Dienst an der Krone gewertet.
Die südafrikanische Regierung stimmte zu und schuf damit die Voraussetzungen für den Einmarsch in die deutsche Kolonie. Die Kampagne dauerte etwa elf Monate. Die deutsche Schutztruppe mit etwa 2000 Soldaten und 6000 Reservisten hatte nie eine Chance gegen die 60.000 Soldaten der Südafrikanischen Union, die in die Kolonie einfielen. Bis zur Unterzeichnung der Kapitulation der deutschen Schutztruppe 1915 in Khorab bei Otavi verloren insgesamt 242 Soldaten ihr Leben.
In Europa und außerhalb des Kontinents markierte die elfte Stunde des elften Tages des elften Monats 1918 das Ende der Kampfhandlungen. Der Erste Weltkrieg hatte schätzungsweise 37 Millionen Menschen das Leben gekostet.
In Deutsch-Südwestafrika wurden 6000 Deutsche nach Deutschland deportiert, die Kriegsgefangenen wurden in einem Lager bei Aus festgehalten. Die letzten Gefangenen durften es erst im Mai 1919 verlassen. Wirtschaftliche Härten, Dürre und die Spanische Grippe prägten in der ehemaligen deutschen Kolonie die sowieso schon schwere Nachkriegszeit. Die Träume von Wohlstand und Freiheit am Ende des Krieges wurden nie Wirklichkeit.
Wir sollten nicht die Menschen vergessen, die sich hierzulande getrieben von ihrem Traum von Freiheit den Armeen der Südafrikanischen Union oder des deutschen Kaiserreichs anschlossen. Viele von ihnen zahlten einen hohen Preis, ihre oft namenlosen Gräber sind in den entlegensten Gebieten unseres Landes zu finden. Und wir sollten heute auch an jene denken, die damals im Kreuzfeuer gefangen waren. Namibier in allen Ecken des Landes spürten die Last des Krieges auf die eine oder andere Weise.
Mit der Unterzeichnung des Vertrags von Versailles wurde der Traum eines selbstverwalteten Namibias nicht verwirklicht. Die Macht wurde einfach von einem Land auf ein anderes übertragen. Es dauerte weitere 72 Jahre, viele weitere Schlachten und Opfer, bis Namibia endlich seine Unabhängigkeit feiern konnte.
Bei der Gedenkfeier auf dem auf dem Alten Leutweinfriedhof in Windhoek werden heute wieder die tragischen und herzzerreißenden Töne des Last Post erklingen. Namibier aus allen Lebensbereichen werden im Gedenken an diesen Tag vor 100 Jahren zunächst den Kopf neigen und danach die Augen heben in der Hoffnung auf eine Zukunft in Frieden.
Christiaan Jacobi
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