So unglaublich es klingen mag: Die kahlen, sandigen Kreise in den Grasflächen am Ostrand der Namibwüste sind kleine Oasen. Geschaffen und erhalten von Sandtermiten, die sie von Gräsern freihalten, damit das wenige Regenwasser in den Sandboden sickern kann und unterirdisch gespeichert wird. Dauerhafte Lebensräume auch für eine Vielzahl an Lebewesen. Nicht zuletzt für jene, bei denen die Termiten auf der Speisekarte stehen.
Feenkreis im Gondwana Namib Park nördlich des Sossusvlei am Ostrand der Namib-Wüste.
Foto (Juni 2006): Sven-Eric Stender
Das hat der Biologe und Namib-Experte Norbert Jürgens in einem Interview (siehe Video auf YouTube), in zwei Vorträgen und auf einer Exkursion zu den Feenkreisen im der Namib dargelegt. Dabei lieferte er weitere Forschungsergebnisse, die seine seit 2013 vorherrschende Termiten-Theorie stützen. Mit einem simplen Experiment widerlegte er zudem die Selbstorganisations-"Hypothese" des Ökosystem-Modellierers Stephan Getzin, der bei einem der Vorträge zugegen war.
Gut besuchter Vortrag von Namib-Experte Norbert Jürgens zu den Feenkreisen der Namib in der Namibia Wissenschaftlichen Gesellschaft in Windhoek. Foto: Sven-Eric Stender
Die Wüste lebt...
... aber nur, solange Wasser vorhanden ist. Am Ostrand der Namib regnet es wenig, im Schnitt um die 100 mm im Jahr. Auch fällt der Regen unregelmäßig: Immer wieder ist es jahrelang trocken. Die Sandtermite Psammotermes allocerus, so Jürgens, hat sich dieses Gebiet vor Jahrmillionen erobert. Als Ökosystem-Ingenieur, der sich dauerhafte Lebensräume erschafft, mit unterirdischen Wasserspeichern und Nahrungsreserve - dem Ring aus mehrjährigen Gräsern.
Feenkreis der Namib im Querschnitt: Wasserspeicher unter kahler Fläche, Rand mit mehrjährigen Gräsern, Halo aus schwächeren Gräsern und Matrix aus einjährigen Gräsern, die bei Regenfall keimen und bei Trockenheit wieder absterben. Grafik: Norbert Jürgens
"Ich erhielt entsetzte Briefe aus Kanada, als ich die Sandtermite als Öko-Ingenieur Nr. 1 bezeichnete", erzählt Jürgens. "Denn diese Position hatte bis dahin der Biber inne gehabt, der sich mit dem Dammbau seine Seen schafft. Doch es ist wirklich so: Die Sandtermite übertrifft den Biber, weil sie Wüstengebiete mit nur kurzen Lebensphasen nach Regenfällen in dauerhaftes Grasland mit mehrjährigem Leben verwandelt."
Und noch etwas stellt sie über den Biber: Sie hat im Zuge der Evolution im Laufe von Jahrmillionen ihre Ernährung umgestellt, von totem auf lebendes Pflanzenmaterial, sprich: Graswurzeln. Gen-Analysen zufolge müssen sieben bis acht Arten unterschieden werden, fügte die Termiten-Spezialistin Felicitas Gunter in ihrem Teil des Vortrags hinzu. Demnach stammt die ursprüngliche Art Psammotermes allocerus vom Kap. Die neu bestimmten Arten müssen nun noch benannt werden.
Trockensaugen der Kreise durch Gräser physikalisch unmöglich
Feenkreis-Experte Norbert Jürgens erklärte, wie die unterirdischen Oasen zustande kommen und bestehen. Wenn es stark regnet, sickert das Wasser im Sand der kahlen Kreise rasch nach unten. Sobald sich die Feuchtigkeit jedoch verteilt und auf einen Wert von 5 Volumenprozent sinkt, "fließt" oder genauer: diffundiert das Wasser kaum noch. So kann sich der Wasserspeicher über Jahre halten.
Das zugrunde liegende physikalische Gesetz machte Jürgens in einem Experiment sichtbar: Eine Schicht feuchten Sandes (5 Vol. %) auf trockenem Sand (0 Vol. %) in einem Glasbehälter. Stunden später, ja sogar auf der Exkursion, drei Tage nach dem Vortrag, erschien die scharf gezogene Grenzlinie zwischen den Schichten unverändert.
Damit wurde zugleich der Erklärungsversuch des Ökosystem-Modellierers Stephan Getzin widerlegt. Dieser geht davon aus, dass die Gräser im umgebenden Grasland den Boden im Kreis trockensaugen, wodurch junge Gräser im Kreis sterben. Diese Sogkraft müsste je nach Durchmesser der Kreise über mehrere Meter wirken und die Feuchtigkeit innerhalb weniger Tage wandern lassen. Bei den gegebenen Feuchtewerten physikalisch unmöglich, wie das Experiment verdeutlichte.
Spricht für den dauerhaften Bestand der unterirdischen Wasserspeicher in Feenkreisen der Namib und gegen die Selbstorganisations-Erklärung: Scharf gezogene Grenze zwischen feuchtem (oben) und trockenem Sand, die auch drei Tage später noch deutlich sichtbar war. Foto: Sven-Eric Stender
Getzin, der bei dem Vortrag in Windhoek zugegen war, ging in seinem Kommentar auf diesen Sachverhalt nicht ein. Stattdessen warf er Jürgens vor, seiner Meinung nach notwendige Belege nicht erbracht zu haben. Das Wissenschaftsjournal PPEES, das im Oktober Getzins jüngste Studie veröffentlicht hatte, prüft zurzeit eine Entgegnung von Jürgens und dem Bodenkunde-Spezialisten Alexander Gröngröft (siehe Bericht von NamibiaFocus "Ökosystem-Modellierer widerspricht sich selbst").
Sandtermiten trotz Trockenheit gefunden
Namib-Experte Norbert Jürgens erklärt Teilnehmern der Exkursion im Gondwana Namib Park das Phänomen der Feenkreise am Ostrand der Namib-Wüste. Foto: Foto: Sven-Eric Stender
Am Wochenende nach den gut besuchten Vorträgen mit rund 60 Teilnehmern in Windhoek und rund 100 Besuchern in Swakopmund gab es eine Exkursion für Interessierte zu den Feenkreisen. Sie fand im Gondwana Namib Park nördlich des Sossusvlei statt. Dort zeigten Feenkreis-Experte Jürgens und Termiten-Spezialistin Gunter die Tunnel und Nester der Sandtermiten.
Auf der Suche nach Sandtermiten: Feenkreis-Experte Norbert Jürgens an einem Stunden zuvor angelegten Graben in einem Feenkreis im Gondwana Namib Park am Ostrand der Namib-Wüste.
Foto: Foto: Sven-Eric Stender
Zur Begeisterung der Teilnehmer spürten sie sogar lebende Arbeiter und Soldaten der Termite auf. Und das, obwohl es in diesem Gebiet seit über einem Jahr nicht mehr geregnet hatte. Bei Trockenheit fährt die Kolonie ihre Aktivitäten auf ein Mindestmaß zurück. Allerdings wendeten Jürgens und Gunter einen Trick an: Abends zuvor hatten sie in mehreren Feenkreisen jeweils einige Liter Wasser ausgegossen. Denn anhand der nachts entstehenden Spuren an den Tunnelausgängen, so erklärten Jürgens und Gunter, lassen sich diejenigen Feenkreise erkennen, in denen sich die Kolonie noch nicht im Dürreschlaf befindet, sondern noch aktiv ist.
Termiten-Expertin Felicitas Gunter mit einem ausgegrabenen Nest der Sandtermite Psammotermes im Gondwana Namib Park am Ostrand der Namib-Wüste. Foto: Foto: Sven-Eric Stender
Fragment eines Tunnels der Sandtermiten an einer Graswurzel mit Sandbeschichtung, ausgegraben in einem Feenkreis im Gondwana Namib Park am Ostrand der Namib-Wüste.
Foto: Foto: Sven-Eric Stender
Arbeiter und Soldat aus einem Nest der Sandtermite, ausgegraben in einem Feenkreis im Gondwana Namib Park am Ostrand der Namib-Wüste. Foto: Foto: Sven-Eric Stender
Die Exkursion beantwortete auch die Frage, warum die Sandtermite von vielen Forschern übersehen wurde. Das unscheinbare Insekt ist nur unterirdisch und vorwiegend nachts aktiv. Seine Spuren, kleine Häufchen an den Ausgängen seiner Tunnel, trocknen rasch und werden vom Wind verstreut. Die Tunnel und Nester aus zusammengeklebtem Sand zerfallen bei unvorsichtigem Graben.
Was ebenso deutlich wurde: Das Sammeln von Daten in schwer zugänglichen Gegenden wie der Namib-Wüste ist eine mühsame Angelegenheit. Der Biologe Jürgens betonte dabei, dass die Feenkreis-Daten nur einen kleinen Teil der Datenmenge ausmachen, die er über Jahrzehnte im Zuge umfassender Projekte mittels Dutzender Beobachtungs-Stationen zur Erforschung des Klimawandels im Südlichen Afrika erhoben und ausgewertet hat.
Interview und Buch für interessierte Laien
Vorträge und Exkursion waren nicht die einzigen Schritte von Jürgens, um interessierte Laien an den Erkenntnissen der Wissenschaft zu den Feenkreisen teilhaben zu lassen. Er stellte sich auch einem Interview der Gondwana Collection Namibia, das als Video auf YouTube zu sehen ist.
Im Dezember erschien zudem sein umfangreiches Buch "Fairy Circles of the Namib Desert", in dem neben Jürgens 14 Experten zu Fachgebieten wie Bodenkunde und Termiten-Genetik zu Wort kommen. Es wendet sich mit einer allgemeinverständlichen Sprache und vielen Illustrationen bewusst auch an Nicht-Wissenschaftler (siehe Buch-Rezension von NamibiaFocus). Man kann den Band im Online-Shop von Gondwana Collection Namibia bestellen.
Übrigens hat Jürgens am Rande seiner Forschungsaufenthalte auf der Namib Desert Lodge im Gondwana Namib Park die dortigen Guides geschult und ihnen einen Ringordner mit den wichtigsten Fakten und Illustrationen hinterlassen. Auf Sundowner-Fahrten zeigen und erklären die Guides Gästen die Feenkreise.
Umfangreicher Band zu Feenkreisen und Feenkreis-Forschung.
Norbert Jürgens et al.: Fairy Circles of the Namib Desert – Ecosystem engineering by subterranean social insects. Klaus Hess Verlag, Göttingen & Windhoek 2022. 376 Seiten. ISBN: 978-99916-57-44-8.
Erhältlich auch im Online-Shop NarrativeNamibia.
Autor dieses Beitrags ist Sven-Eric Stender. Er stammt aus Hamburg und arbeitet seit 1986 als Journalist. Seit 1998 lebt er in Windhoek und hat sich auf die Themen Reise, Natur, Menschen und Geschichte Namibias spezialisiert. Für Fragen oder Anregungen ist er zu erreichen unter editorial@namibiafocus.com.
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