Am Anfang war es ein unvorstellbarer Gedanke. Eine Nacht in der Wüste. Schutzlos den dunklen Mächten der Namib ausgeliefert. „Geht’s noch?“ Ich kenne meine Frau. Wenn sie so reagiert, ist jeder Widerstand zwecklos. Kein weiterer Gedanke daran, wie überwältigend schön so ein Nachterlebnis sein könnte. Da hilft nur eine Weisheit der alten Philosophen: Das Glück lässt sich nicht zwingen, aber es hat für Hartnäckige etwas übrig.
„Schau mal, Schatz, sieht das nicht toll aus?“ Das Bild, das ich ihr Wochen später zeigte, war von überwältigender Faszination. Im Vordergrund die roten Ausläufer der Namib mit ein paar verlorenen Schirmakazien in dunkelgrün. Im Hintergrund das in hundert violetten Tönen auslaufende Panorama der Naukluftberge. Dazwischen aber, auf einer Anhöhe mit großartigem Blick in die endlose Weite, malte die untergehende Sonne die schwarzen Schatten einer handvoll klitzekleiner Häuschen in den Sand.
Lange betrachtete sie das Bild. „Wo ist es denn so schön?“, wollte sie wissen. „Das ist die Namib“, sagte ich und tat ganz beiläufig. „Die Wüste?“ „Ja.“ Ungläubig sah sie mich an. „Da, wo du im Sand übernachten wolltest?“ „Von Sand war keine Rede, Liebes, aber unter freiem Himmel schon. Über uns 300 Milliarden Sterne, runde 120.000 Lichtjahre entfernt und dennoch zum Greifen nah: Zentaur, Kreuz des Südens, Kassiopeia, Orion, Skorpion, die Milchstraße – alle auf einmal.“ Ich zeigte auf das Bild. „Sieh mal hier, jedes dieser Häuschen hat eine schwebende Terrasse und die Doppelbetten haben Räder, damit man sie rausrollen kann.“ Einen Augenblick schien sie ganz weit weg zu sein: „Dann könnten wir das Bett nach einer Stunde wieder zurückschieben?“ „Ja, Schatz, zurückschieben kann man es auch.“ Das Eis war gebrochen.
Wir waren nun schon sechs Tage in den Wunderwelten Namibias unterwegs. Unser Aufstieg auf Big Daddy im Weltnaturerbe Sossusvlei hatte vier Liter Wasser gefordert, der Abstieg ein Pfund Sand in jeden Schuh geschaufelt. Die Pools der Namib Desert Lodge erschienen uns wie eine Belohnung. „17 Uhr Abfahrt, Treffpunkt Rezeption“, hatten wir gerade noch mitbekommen, bevor wir in den rettenden Fluten versanken.
Es war genau wie auf dem Bild. Am höchsten Punkt die Restaurant-Terrasse des Namib Dune Star Camps mit einem Blick bis ans farbige Ende der Welt. Darunter die neun Hexenhäuschen mit ihren schwebenden Terrassen. Noch waren die Betten drin.
Die untergehende Sonne schickte einen funkelnden Abschiedsgruß in die randvollen Gläser mit eiskaltem Malawi Shandy. Cheerio Miss Sophie. Dann wurden die Kerzen angezündet und gaben einer acht Meter langen, festlich gedeckten Tafel einen Hauch von Feierlichkeit. Auf dem Buffet geschmorte Lende vom Kudu in Blätterteig, marinierte Springbock-Steaks, Termitenpilze, Kalaharitrüffel und ein Windhoek Lager nach deutschem Reinheitsgebot. So also lebt es sich in der Wüste.
Die letzten Wölkchen, die beim Sonnenuntergang noch wie Goldstaub am Himmel hingen, hatten sich verzogen. In das opalschwarze Firmament kam Leben. Glühwürmchen ohne Zahl wanderten durch die südliche Hemisphäre. Unten, auf dem Boden der spannenden Tatsachen, waren es kleine Solarlämpchen, die den Weg zu unserem Häuschen markierten. Nummer drei, hier muss es sein. Hier hat Gondwana den Fleiß vor den Lohn gesetzt. Also die Glasflügel öffnen und schieben, drücken und zerren, bis das veritable Doppelbett auf der Terrasse steht. Welch ein Gefühl! Grenzenlose Freiheit in Daunen gehüllt. Tosende Stille. Leuchtende Nacht.
Eine Stunde später. Ich: „Schläft du schon?“ Sie: „Nein, ich gucke noch.“ „Die Stunde ist um, sollen wir das Bett wieder reinschieben?“ „Gleich, nur noch ein bisschen.“ Ein bisschen später: „Jetzt vielleicht?“ „Hmmm.“ „Was heißt hmmm?“ „Hmmm.“ „Hallo?“ „Hmmm.“ „Na dann, schlaf schön.“ „-------“.
Hinter den Augenlidern wird die Welt orangerot. Klopf, klopf. „Guten Morgen, Ihr Kaffee ist da“. Kann mich nicht erinnern, wann mir zuletzt jemand den Kaffee ans Bett gebracht hat. „Ich komme,“ höre ich mich verschlafen rufen, und da steht Edward vor der Tür, lacht wie Roberto Blanco und hält in jeder Hand einen dampfenden Becher. Über das Naukluftgebirge kriechen die ersten Sonnenstrahlen. Die Sterne haben sich davongestohlen. Wir sitzen im Bett, nippen an unserem Kaffee und können es nicht fassen.
Diese Geschichte wurde uns zugesendet von : Frank Kleinbrahm
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