Namibia soll dabei helfen, erstmals ein Schwarzes Loch zu 'filmen'. Das sagte Heino Falcke, Professor für Astroteilchen-Physik und Radio-Astronomie an der Radboud-Universität in Nijmegen, gestern Abend in der Namibia Wissenschaftlichen Gesellschaft (NWG) in Windhoek. Er und seine Fachkollegen hatten 2019 mit dem ersten Foto eines Schwarzen Loches weltweit Schlagzeilen gemacht. In seinem Vortrag erklärte Falcke, warum der Gamsberg etwa 120 km westlich von Windhoek ein idealer weiterer Standort in seinem internationalen Netz an Beobachtungsstationen ist.
Schwarze Löcher sind Räume im Weltall mit extremer Massedichte. Falcke nennt sie auch anschaulich 'Monster der Vernichtung'. Denn sie ziehen mit ihren enormen Gravitationskräften Materie an und verschlucken sie wie in einem mächtigen Strudel (mehr zu Schwarzen Löchern auf Wikipedia).
Heino Falcke, Professor für Astroteilchen-Physik und Radio-Astronomie an der Radboud-Universität in Nijmegen (Nimwegen). Foto: Sven-Eric Stender
Das betrifft auch das Licht. Daraus ergibt sich ein Problem: Wie kann man ein schwarzes Loch überhaupt sehen und, um seine Existenz nachzuweisen, fotografieren? Antwort: Mittels Plasma-Strömen, die um das Loch herum sichtbar sind. Sie werden ausgestoßen aufgrund der ungeheuren Energie, die durch den Sturz der Materie ins Loch freigesetzt wird. Die Strahlung dieser Plasma-Ströme kann man mit Radio-Teleskopen im Millimeter-Frequenzbereich auffangen.
Das nächste Problem: Das größte schwarze Loch unserer Galaxie, Sagittarius A* (SgrA*), ist (zum Glück!) 26.000 Lichtjahre entfernt. Was bedeutet, dass das Licht mit seiner Geschwindigkeit von knapp 300.000 km pro Sekunde 26.000 Jahre braucht, um die Distanz zurückzulegen. Selbst die größten Teleskop-Schüsseln sind zu winzig, um ein Bild von derart weit entfernten Objekten zu liefern.
Erstmals ein Schwarzes Loch fotografiert
Deshalb haben Falcke und seine Fachkollegen mehrere Teleskope an weit auseinander liegenden Orten der Erde aufgestellt. Sie liefern aus ihren verschiedenen Blickwinkeln Daten, aus denen sich im Verbund per Computer deutlichere Bilder erzeugen lassen. Bisherige Standorte sind Frankreich, Spanien, Grönland, die US-Bundesstaaten Arizona und Hawaii, Mexiko, Chile und der Südpol.
Mit diesem globalen Netzwerk des Event Horizon Telescope (EHT) gelang es, die Größe von SgrA* im Zentrum der Milchstraße zu messen und damit vorherige Berechnungen zu bestätigen. Unfassbar: Sein Durchmesser ist größer als der unseres Sonnensystems.
Für weltweites Aufsehen sorgte 2019 das erste Foto eines Schwarzen Loches im Zentrum der Galaxie Messier 87. Es wurde aus Daten zusammengestellt, die EHT im Jahr 2017 über mehrere Tage gesammelt hatte.
Erste Aufnahme eines Schwarzen Lochs. Es befindet sich im Zentrum der Galaxie Messier 87.
Foto (2019): EHT Collaboration
Blinder Fleck: Afrika
Einen 'blinden' Fleck im EHT-Verbund bildet bislang Afrika. Das Forscherteam um Falcke will diese Lücke mit dem Projekt des Africa Millimeter Telescope (AMT) schließen. Der Start ist in Namibia geplant.
Ein Radio-Teleskop (Swedish-ESO Submillimetre Telescope, SEST) mit 15 Metern Durchmesser, das bis 2003 in Chile in Betrieb war, soll auf oder nahe dem Gamsberg installiert werden (siehe auch ein Artikel dazu auf Wikipedia). In der Gegend besteht seit 2002 das High Energy Stereoscopic System (H.E.S.S.) Teleskop (siehe Artikel auf Wikipedia), das Gamma-Strahlen aus dem All empfängt.
Soll beim Gamsberg 120 km westlich von Windhoek installiert werden: Das SEST-Radio-Teleskop (Swedish-ESO Submillimetre Telescope) mit einem Durchmesser von 15 Metern, auf dieser Aufnahme in Chile zu sehen. Foto (2014): F. Kerschbaum, European Southern Observatory (ESO)
Warum Namibia? Warum am Gamsberg? Weil das Klima trocken und gemäßigt warm ist. Feuchte Luft verzerrt die Strahlen. Daher gilt auch: Je höher gelegen, desto besser der Empfang. Ein weiteres großes Plus: Die Mitte unserer Milchstraße und damit das Schwarze Loch SgrA* sind von der Gegend am Gamsberg aus bis zu 14 Stunden am Tag zu 'sehen'. Nur Chile kommt an diesen Wert heran.
Mit dem Standort in Namibia verlängern die Forscher aber auch die Gesamtzeit der Beobachtung und erweitern die Zahl der Blickwinkel. Das Ziel des Forscher-Teams um Heino Falcke ist, aus 'Momentaufnahmen' in Abständen von 15 Minuten einen 'Film' zu erstellen, der die Plasma-Ströme um das Schwarze Loch in Bewegung zeigt.
30 Millionen Euro für Radio-Teleskop in Namibia
Bei ihm soll ein Radio-Teleskop des globalen EHT-Netzwerks künftig das Schwarze Loch SgrA* beobachten: Der Gamsberg, ein mächtiger Tafelberg 120 km westlich von Windhoek.
Foto: Sven-Eric Stender
Den genauen Standort der Beobachtungsstation muss Namibia noch festlegen. Die Oberfläche des Tafelbergs ist nur über eine schmale, zum Teil sehr steile und eng gewundene betonierte Zufahrt zugänglich. Der Transport der Teile für das Teleskop wäre aufwändig und riskant. Der Ring, auf dem sich das Teleskop drehen lässt, wiegt fünf Tonnen.
Die nötigen Mittel für das Projekt stehen bereit. Falcke zufolge stellt die Radboud Universität Nijmegen (Nimwegen) 12 Millionen Euro zur Verfügung. Dies schließt den Betrieb über 12 Jahre ein. 14 Millionen Euro hat der European Research Council (ERC) zugesagt, knapp 3,5 Millionen Euro kommen vom Dutch Research Council (Nederlandse Wetenschappelijk Onderzoek Instituten, NWO). Namibia erhält durch das Projekt auch jenseits von Bau und Betrieb des Radio-Teleskops einen großen Schub. 500.000 Euro, so Falcke, sind für Promotions-Stipendien und andere Förderungsprogramme namibischer Forscher vorgesehen.
Vor und nach seinem Vortrag signierte Falcke sein Buch, das 2020 erschienen ist:
Heino Falcke, Jörg Römer (2020):
Licht im Dunkeln. Schwarze Löcher, das Universum und wir
Es erzählt auf leicht verständliche und unterhaltsame Weise die Geschichte der (Radio-)Astronomie bis hin zum ersten Bild eines Schwarzen Lochs.
Autor dieses Beitrags ist Sven-Eric Stender. Er stammt aus Hamburg und arbeitet seit 1986 als Journalist. Seit 1998 lebt er in Windhoek und hat sich auf die Themen Reise, Natur, Menschen und Geschichte Namibias spezialisiert. Für Fragen oder Anregungen ist er zu erreichen unter editorial@namibiafocus.com.
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