Nicht nur Klimawandel, jährliche Brände, übermäßige Holzernte und das Roden großer Flächen bedrohen die Wälder Namibias. Sondern auch Unwissen. Viele Bewohner, Politiker und sogar Ökologen sind sich gar nicht bewusst, dass es in Namibia Wälder gibt. Dasselbe gilt für Touristiker und Namibia-Urlauber.
Darauf machte die Forstwirtschafts-Expertin Prof. Vera De Cauwer bei der Vorstellung ihres Buches 'Status Quo of Sustainable Forest Management in Namibia' aufmerksam. Der Grund: Die Wälder Namibias entsprechen nicht den üblichen Vorstellungen oder Definitionen. Zieht man jedoch die Klassifikation der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) heran, fallen schätzungsweise 66.000 Quadratkilometer in die Kategorie der Waldgebiete. Das entspricht mehr als 8,1 Prozent der Gesamtfläche Namibias.
Waldgebiete in Namibia. Quelle: Buch 'Status quo of Sustainable Forest Management in Namibia'
von Prof. Vera De Cauwer, Windhoek 2023
Das Buch, herausgegeben von der Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) und ihrem Partner Desert Research Foundation of Namibia (DRFN), will dazu beitragen, das Bewusstsein für diese Wälder zu schärfen und auf ihre Bedrohung hinzuweisen. Zugleich appelliert es für ihren Schutz und ihre nachhaltige Nutzung.
In 30 Jahren ein Fünftel an Waldflächen verloren
Die Waldgebiete liegen vor allem im Nordosten des Landes, wo es im Jahresschnitt mehr regnet als im übrigen Namibia. Hinzu kommen die Galeriewälder entlang der Grenzflüsse Kunene im Nordwesten und Okavango und Sambesi im Nordosten sowie Gariep (Oranje) im Süden. Auch die Riviere (Trockenflüsse) im ganzen Land sind von schmalen Wäldern gesäumt. Oberirdisch fließt dort zwar nur sporadisch Wasser, unterirdisch jedoch das ganze Jahr über.
Wald in der Namib-Wüste bei Homeb im Kuiseb Rivier (Trockenfluss). Foto: Sven-Eric Stender
Im Nordosten schrumpfen die Waldgebiete vor allem durch Rodung, um weitere landwirtschaftliche Nutzflächen zu gewinnen. Aber auch übermäßiges Fällen von Bäumen für die Holzindustrie reißt Lücken, zumal keine neuen Bäume gepflanzt werden. Seit einer groben Bestandsaufnahme mittels Satellitenbildern Anfang der 1990er Jahre wurde die Waldfläche des Landes wohl um etwa ein Fünftel verringert.
Schutz und nachhaltige Nutzung
"Ich bin kein Tree-Hugger [Baum-Umarmer = Öko-Freak; d. Red.]", betonte der Leiter des HSS-Büros in Namibia, Clemens von Doderer, bei der Buchvorstellung. "Natürliche Ressourcen müssen auch genutzt werden dürfen. Aber das muss auf nachhaltige Weise geschehen." Allerdings brauche man dazu einen Bewirtschaftungsplan.
Voraussetzung dafür wiederum ist eine regelmäßige Bestandsaufnahme - mit Arten, Anzahl und Alter der Bäume. Und daran hapert es: Die grobe Erfassung per Satelliten-Aufnahmen liegt 30 Jahre zurück. Eine genauere 'Inventur' erfolgte um die Jahrtausendwende, allerdings nicht flächendeckend. "Eine brauchbare landesweite Bestandsaufnahme, die die Schulung von Bewohnern bewaldeter Gebiete einschließt, dürfte 24 bis 30 Millionen Namibia Dollar kosten", schätzt von Doderer. In einem Staatshaushalt von rund 60 Milliarden Namibia Dollar wäre das ein kleiner Posten. Doch leider, so stellt Buch-Autorin De Cauwer fest, fehlen dem Forst-Direktorat im Umweltministerium bereits Ressourcen für die täglich zu erfüllenden Aufgaben.
Immerhin ist beim Schutz der Wälder ein Fortschritt erzielt worden. Drei staatliche Forste wurden vergangene Woche offiziell als solche proklamiert und sind damit nun auch rechtlich geschützt.
Freuen sich über das kompakte Buch zur nachhaltigen Bewirtschaftung der Wälder in Namibia (v.l.):
Bruce Liswani (HSS-Projektassistent), Lara Beer (Koordinatorin), Prof. Vera De Cauwer (Autorin)
und Clemens von Doderer (Leiter des HSS-Büros in Namibia). Foto: Sven-Eric Stender
Im Buch 'Status Quo of Sustainable Forest Management in Namibia' stützt sich Prof. De Cauwer übrigens auf Ergebnisse einer Grundsatzstudie zum nachhaltigen Wald-Management in Namibia, die vor einem Jahr vorgestellt wurde. Die Studie diente auch als Grundlage für die nationale Konferenz 'The Future of Namibia's Forests', die im vergangenen Juli in Windhoek stattfand (siehe Bericht von NamibiaFocus). Für Konferenz, Studie und Buch zeichneten HSS und DRFN verantwortlich. Finanziell gefördert wurde alles von der Europäischen Union.
Urlauber erleben Namibias Wälder öfter als sie denken
Für den Tourismus scheinen Waldgebiete in Namibia eher eine untergeordnete Rolle zu spielen. Die Köcherbaum-Wälder bei Keetmanshoop und in den Naukluft-Bergen dürften selbst nach der weit gefassten Klassifizierung der FAO ebensowenig als Wald gelten wie der 'Märchenwald' aus Moringa-Bäumen im Etosha Nationalpark. Kameldornbaum-Wälder wie der bei Rehoboth dagegen schon. Die Trockenwälder mit ihren mächtigen Baobab-(Affenbrot-)Bäumen im Nordosten des Landes auf jeden Fall. Und natürlich die Waldstreifen in den Flusslandschaften der Kavango- und Sambesi-Regionen.
Bei einer Top-Attraktion jedoch sind sich Touristiker und Urlauber - ebenso wie viele Bewohner, Politiker und sogar Ökologen Namibias - gar nicht bewusst, dass es sich um Waldgebiete handelt: Die baumgesäumten Ufer des Tsauchab Riviers (Trockenflusses) am Sossusvlei. Die Überreste eines uralten Galerie-Waldes sind sogar das touristische Markenzeichen Namibias: Die Baum-Gerippe im Deadvlei inmitten der Namib-Wüste.
Überreste eines uralten Galerie-Waldes: Baum-Gerippe im Deadvlei beim Sossusvlei in der Namib-Wüste. Foto: Sven-Eric Stender
Autor dieses Beitrags ist Sven-Eric Stender. Er stammt aus Hamburg und arbeitet seit 1986 als Journalist. Seit 1998 lebt er in Windhoek und hat sich auf die Themen Reise, Natur, Menschen und Geschichte Namibias spezialisiert. Für Fragen oder Anregungen ist er zu erreichen unter editorial@namibiafocus.com.
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