Der Lichtkegel der Taschenlampe durchbricht die Dunkelheit, erleuchtet einen kleinen Teil der Kiesebene südlich des Swakop (Trockenfluss). Nördlich des Swakop blinken die Lichter von Swakopmund. Im Westen rauscht der Atlantik. Sterne sind in dieser Nacht nicht zu sehen, da vom Meer her Nebel in die Wüste gezogen ist. Plötzlich hat Sean Braine ein winziges Leuchten im Schein seiner Taschenlampe entdeckt. Zielstrebig geht er darauf zu, seine Gäste folgen ihm ohne etwas entdeckt zu haben.
Regungslos und flach auf den steinigen Boden gepresst liegt ein Carps Lärmgecko (Ptenopus carpi) gut getarnt im Licht. Die kleinen Geckos sind endemisch und kommen nur in den Kiesebenen der zentralen und nördlichen Namib-Wüste vor. Kurz darauf „tanzt“ eine etwa acht Zentimeter große Spinne im Schein der Taschenlampe. Dann steht sie auf sechs ihrer acht langen Beine still, reckt die vorderen Beine und den Hinterleib in die Höhe. Sobald sich jemand bewegt dreht sich die Spinne blitzschnell um, daher ihr Name die „Tanzende Weiße Dame“ (Leuchorchestris arenicola). Forscher sind sich noch nicht einig, ob es möglicherweise zwei Arten gibt: eine, die in den Kiesebenen und eine weitere, die in den roten Sanddünen vorkommt.
Tagsüber versteckt sich die Spinne in einer etwa 40 cm tiefen Röhre im Boden. Mit einem Deckel aus feinen Spinnweben, in die winzige Steinchen aus der Umgebung eingewebt sind, verschließt die Spinne ihr gut getarntes Versteck. Zudem ist sie dort vor der Hitze des Tages geschützt. Nachts jedoch läuft sie in der Nähe ihres Verstecks umher, um Beute zu finden. Obwohl sie zwei große Beißzangen hat und Beute mit Gift tötet, ist sie für den Menschen harmlos. Seans geübter Blick erkennt die Spinne am Leuchten ihrer großen Augen. Die Tanzende Weiße Dame hat insgesamt acht große und kleine Augen.
Erstaunlicherweise finden wir einen Palmatogecko (Pachydactylus rangei), auch Namibgecko genannt, in der Kiesebene. Sean Braine erklärt, dass diese nachtaktiven Geckos der Gattung Dickfingergeckos normalerweise in den Dünen vorkommen, manchmal aber auch in der Kiesebene in der Nähe von Büschen, an denen sich etwas Dünensand angesammelt hat. Im ultravioletten Licht ist durch die dünne, bunt gemusterte, aber dennoch fast durchsichtige Haut, das Skelett des Geckos zu sehen. Zwischen den Zehen hat diese Art Schwimmhäute, damit sie im weichen Dünensand nicht zu tief einsinkt und besser graben kann.
Mit Hilfe der ultravioletten Strahlen von Schwarzlicht werden einige Skorpione sichtbar, die auf Beutesuche sind. Im Licht der Taschenlampe sind sie auf dem Untergrund fast nicht zu erkennen, aber dank der fluoreszierenden Hyalin-Schicht im Exoskelett sind sie bei Schwarzlicht deutlich sichtbar. An manchen Abenden sind nur Skorpione der Art Uroplectus planimanus in verschiedenen Größen (20-50 mm) zu sehen, derweil auf anderen Wanderungen weitere Arten wie der Schwarze-Haarige-Dickschwanzskorpion (Parabuthus villosus) umherwandern.
Auf den ersten Blick wirken die Kiesebenen der Namib-Wüste verlassen und leer. Es haben sich jedoch unzählige Pflanzen, Flechten und Tiere den harten Bedingungen in der ältesten Wüste der Erde angepasst. Es ist erstaunlich wie viele kleine Lebewesen im Schutz der Dunkelheit in den Kiesebenen der Namib-Wüste unterwegs sind. Die Familie Braine bringt diese Geheimnisse dem interessierten Besucher auf einer zweistündigen Nachtwanderung näher.
Dirk Heinrich
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