Es ist schon drei Monate her, seit am 17. Mai ein kräftiger Regenguss von über 50 Millimeter in und um Lüderitzbucht niederging. Zahlreiche Blumen, die seit Jahren nicht mehr geblüht oder gar Blätter getragen hatten, erwachten zum Leben. Samen, die jahrelang in der ausgedörrten Erde lagen, begannen zu sprießen.
Das Grün und die Farbenpracht sind nicht nur von kurzer Dauer: Immer noch gibt es zarte rosa Blüten zu bewundern, bildet saftiges Grün einen starken Kontrast zum Grau und Braun des Wüstenbodens, verwandeln sich ganze Flächen in Gelb und überall krabbeln Insekten umher. Vögel wie der Namibschmätzer nutzen die Gunst der Stunde, um Junge aufzuziehen, Wasservögel tauchen wie aus dem Nichts an den zahlreichen Tümpeln in der kargen Landschaft auf, und Oryxantilopen und Springböcke ziehen in Gegenden, die sie jahrelang nicht mehr besucht haben.
Wer die Hafenstadt Lüderitzbucht besucht, sollte sich auf dem Weg zum Diaz-Kreuz und den Buchten die Zeit nehmen, am Straßenrand anzuhalten und auf den kleinen Hügeln nach Blumen und Kleinlebewesen Ausschau halten. Die sonst trocken wirkenden, kaum 30 Zentimeter hohen Buschmannskerzen mit ihren gelblichen und stachligen Ästchen sind jetzt mit grünen Blättern und zahlreichen rosa Blüten bedeckt. Wilde Geranien tragen zarte weiß-rosa Blüten in den unterschiedlichsten Mustern. Bei den meisten Blüten der Pflanzen in der Namib-Wüste dominiert die Farbe Gelb. Schmetterlinge, fast ausschließlich Distelfalter (Cynthia cardui), eilen von Blüte zu Blüte, Käfer und Raupen halten ein Festmahl, und gut getarnte Krötenheuschrecken (Trachypetrella anderssonii) und die nur in der Wüste vorkommenden Bachmann´s Sattelschrecken (Hemihetrodes bachmanni ) verweilen äußerst gut getarnt neben den Pflanzen am Boden. Winzige, nur zwei bis drei Millimeter große Fransenflügler (Thysanoptera), auch Thripse oder Blasenfüße genannt, sitzen mitten in Blüten neben fast einen Zentimeter großen Öl- oder Blasenkäfern (Mimesthes maculicollis) und genießen die saftigen Blütenblätter.
Zahlreiche Pflanzen wie die Lithops, auch Lebende Steine genannt, und Fensterpflanzen haben bereits geblüht und sind nun wieder schwer zu entdecken, obwohl ihre Blätter oder Stämme prall mit Wasser gefüllt sind. Das Wasser, das über den trockenen Wüstenboden strömte, hat unzählige Spuren verwischt und interessante Muster in den Sand gespült. Es hat sich in Senken gesammelt und Wasservögel in die üblicherweise karge Landschaft gelockt. In einer Nacht fiel so viel Regen wie unter normalen Umständen in drei bis vier Jahren. Ein solch ergiebiger Regenschauer erweckt die Wüste zum Leben. Doch nach der relativ kurzen Zeit des Überflusses müssen Fauna und Flora wahrscheinlich wieder etliche Jahre auf den nächsten außergewöhnlichen Regen warten.
Dirk Heinrich
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