Ins Sossusvlei kommt man künftig nur noch per Magnetschwebebahn - oder zu Fuß. So jedenfalls stellt sich das die Firma Sky Eye Tours & Hospitality vor. Mit gewisser Rückendeckung des Tourismusministeriums. Denn dies hat ihr das alleinige Recht zugesprochen, Besucher die letzten vier Kilometer zum Vlei zu befördern. Außerdem soll ein Fesselballon am Sossusvlei Gästen einen Blick aus der Vogelperspektive ermöglichen. Die Reisebranche reagiert entsetzt und will das Vorhaben stoppen.
Ist die Aufregung berechtigt? Was genau ist geplant und warum? Was ist Stand der Dinge? NamibiaFocus hat nachgehakt.
Ist die Aufregung berechtigt?
Bereits im August 2021 sorgte ein Bericht in der Tageszeitung "The Namibian" für Stirnrunzeln. Demzufolge hatte Umwelt- und Tourismusminister Pohamba Shifeta eine Konzession dafür vergeben, Besucher vom Parkplatz am Ende der geteerten Straße ins Dead Vlei und ins Sossusvlei zu befördern. Im Bericht war von "cable car" die Rede, also einer Seilbahn oder einer per Seilwinde gezogenen Straßenbahn, weshalb wohl viele die Pläne nicht ernst genommen hatten.
Bisher können Selbstfahrer die rund 4 km lange Strecke mit stellenweise tiefem Sand selbst zurücklegen, wenn sie einen Allradwagen haben. Der staatliche Rastlager-Betreiber Namibia Wildlife Resorts (NWR) bietet zudem einen Shuttle per Safari-Wagen und per Traktor mit Anhänger für rund 30 Personen an.
Neu im Tourismus
Die Vergabe der Konzession war bereits im März 2020 erfolgt. Ohne Ausschreibung. An die Firma Sky Eye Tours & Hospitality, die laut Namibian erst wenige Monate zuvor gegründet worden war und die bis heute offenbar keine Website hat. Gegründet vom Geschäftsmann Laban Kandume, der zuvor nichts mit Tourismus zu tun gehabt, aber im Agrarsektor schon mehrfach staatliche Millionen-Aufträge erhalten hat. Das Ministerium dagegen verweist Medienberichten zufolge darauf, dass Erfahrung im Tourismus für dieses Projekt nicht nötig und für die Konzession kein Kriterium sei.
Die Konzession ist Gold wert: Der Shuttle-Service ins Sossusvlei brachte NWR vor der Corona-Krise laut Namibian jährlich rund 10 Millionen Namibia Dollar ein. Nun kämen noch Einnahmen durch die vielen Selbstfahrer hinzu.
Allerdings soll die Konzession angeblich ermöglichen, ein völlig neuartiges Transportmittel einzuführen. Wie der Unternehmer Laban Kandume am vergangenen Freitag auf Nachfrage von NamibiaFocus erklärte, handelt es sich um eine Magnetschwebebahn.
Deutlich mehr Einnahmen nötig
Das Exklusivrecht soll dem Investor ermöglichen, die investierte Summe zurückzuerhalten und einen gewissen Gewinn zu erzielen. Kandume geht mittlerweile nicht mehr von insgesamt 180 Millionen Namibia Dollar aus wie von Medien berichtet. Er habe seine Schätzung auf bis zu 280 Millionen Namibia Dollar (zurzeit etwa 17,5 Millionen Euro; aktueller Wert in Euro; 1 N$ = 1 Südafrikanischer Rand) korrigiert.
Auch betrage die Laufzeit der Konzession 20 Jahre und nicht 10 - "our mistake", so Kandume. Im jetzt veröffentlichten Brief des Tourismusministeriums dagegen steht 10 Jahre.
Bei 20 Jahren müssten jährlich 14 Millionen Namibia Dollar eingenommen werden, um auf 280 Millionen Namibia Dollar zu kommen - also 40 Prozent mehr als NWR bisher erzielte. Bei 10 Jahren Laufzeit wären es 180 Prozent mehr. Betriebskosten und Zinsen sind dabei noch nicht berücksichtigt, geschweige denn Gewinn.
Laut Brief des Ministeriums und Info-Dokument (Background Information Document) der von Kandume beauftragten Firma Green Earth Environmental Consultants gibt es weitere Auflagen: Sky Eye muss eine Umweltfreigabe-Bescheinigung (Environmental Clearance Certificate, ECC) vorlegen, die Zustimmung des Denkmalrates (Namibia Heritage Council, NHC) einholen und sich mit NWR abstimmen.
Was genau ist geplant?
Vom Parkplatz am Ende der Teerstraße bis zum Rand des Sossusvlei soll laut Info-Dokument von Green Earth ein Shuttlezug für maximal 72 Fahrgäste pendeln, in Spitzenzeiten zwei Züge. Der Zug läuft auf einer Stahlschiene, die auf Pfeilern in fünf Metern Höhe errichtet ist. Auf halber Strecke gibt es eine zweigleisige Stelle zum Ausweichen, wenn zwei Züge im Einsatz sind. Beim Dead Vlei ist eine Station vorgesehen. Der Zug fährt nicht schneller als 40 km/h und braucht vom Parkplatz zum Sossusvlei etwa 12 Minuten.
Antriebskraft ist Strom, erzeugt von zwei Generatoren. Dazu gehören zwei Tanks für Diesel, der vom Depot bei Sesriem mit einem kleinen Allrad-Tankwagen herantransportiert wird. Auch ein Notstromaggregat ist vorgesehen.
Allerdings scheinen sich die Pläne weiterentwickelt zu haben. In seiner Antwortmail an NamibiaFocus sprach Unternehmer Kandume von nur einem Zug, der 1.200 Personen am Tag hin und her befördern könne. Strom werde per Solaranlage erzeugt, was Sossusvlei zum "first green park" in Namibia mache. Generatoren dienten nur als Backup.
Am Sossusvlei will Sky Eye Tours & Hospitality zudem einen Fesselballon installieren. Er hat einen Durchmesser von 23 Metern, ist mit Helium gefüllt und kann eine Plattform mit maximal 30 Personen tragen. So können Besucher das Sossusvlei und die Dünen aus einer Höhe von 150 Metern bestaunen und fotografieren. Außerdem ist an Toiletten, einen Kiosk und ein Restaurant gedacht.
Warum Shuttlezug und Fesselballon?
Bis zur Corona-Krise hätten über 600.000 Menschen im Jahr das Sossusvlei besucht, erklärt die Firma Green Earth in ihrem Info-Dokument. Das macht rein rechnerisch mehr als 1.600 am Tag. In der Hauptsaison von Juli bis November waren es sicherlich deutlich mehr. In Zukunft, so Green Earth, könnte sich die Besucherzahl verdoppeln.
Bislang gibt es keinen markierten Weg vom Parkplatz ins Sossusvlei. Allrad-Selbstfahrer und Shuttle-Fahrer von NWR folgen dem Tsauchab Rivier (Trockenflussbett). Die Spuren der Fahrzeuge verteilen sich auf eine Breite von bis zu 50 Metern. Breiter als eine Autobahn.
Der Shuttlezug soll diese Schäden an der Natur minimieren. Auf Pfeilern errichtet, stört die Schiene den Lauf der gelegentlichen Fluten nicht und kann auch nicht unterspült werden. Die Magnetschwebe-Technik begrenzt die Lärmbelastung, die ja eh um einiges geringer sein dürfte als die der Dutzenden wenn nicht gar Hunderten Allradwagen.
Der Fesselballon ermöglicht dem Besucher, das Sossusvlei aus neuer Perspektive zu betrachten. Auch wer nicht gut zu Fuß ist, erhält einen beeindruckenden Überblick über die Landschaft.
Was ist Stand der Dinge?
Die Firma Green Earth hat das erwähnte Info-Dokument zusammengestellt und arbeitet an einer Umweltverträglichkeitsstudie (EIA). Sky Eye hat einen vom Denkmalrat anerkannten Experten beauftragt zu prüfen, ob sich die Pläne mit den Vorgaben der UNESCO vereinbaren lassen. Denn seit 2013 gelten mehr als 30.000 Quadratkilometer der Dünen-Namib als Welt-Erbe-Stätte.
Am kommenden Freitag, den 1. April, findet um 10.00 Uhr eine öffentliche Anhörung statt - im Konferenzzentrum der Sossuvlei Lodge. Die Lodge befindet sich am Tor zum Nationalpark bei Sesriem. Von dort sind es rund 60 km bis zum Parkplatz am Ende der Teerstraße zum Sossusvlei.
Was kritisiert die Reisebranche?
Die Hauptkritik richtet sich gegen den modernen Shuttlezug mit seiner Schienenkonstruktion und den Fesselballon. Sie passten nicht in das Bild kaum berührter Natur, heißt es. Sie würden auf Fotos stören und das ursprüngliche, natürliche Sossusvlei-Erlebnis zunichte machen. Hinzu kommen ernste Bedenken der Instandhaltung in der abgelegenen Gegend. Sonne, Wind und Sand dürfte den Anlagen zusetzen.
Aber auch der Entscheidungsprozess wird kritisiert: Dass ein Unternehmer, der im Tourismus unbekannt, jedoch politisch offenbar gut vernetzt ist, ohne Ausschreibung die Konzession erhält. Dass die Vergabe erst mit einer Verzögerung von mehr als einem Jahr bekannt wird.
Und dass die öffentliche Anhörung an einem abgelegenen Ort stattfindet, der viele Teilnehmer ausschließt. Auf Nachfrage von NamibiaFocus erklärte die Firma Green Earth allerdings, die Zahl der Anmeldungen ließen eine gut besuchte Veranstaltung erwarten.
Auch sei die Anhörung ursprünglich für Windhoek geplant gewesen. Die meisten der Interessenten hätten bei ihrer Anmeldung jedoch den Wunsch geäußert, das Treffen "vor Ort" abzuhalten. Bisher (Stand: 25. März) habe man nur fünf Anfragen erhalten, ob es eine zweite Anhörung in Windhoek gebe - was laut Green Earth zurzeit nicht geplant ist.
Viele Kritiker befürchten ganz allgemein, dass mögliche Einwände der Experten aus finanziellen Gründen beiseite gewischt werden könnten. Selbst wenn das Sossusvlei damit an Reiz einbüßen und das Dünenmeer der Namib seinen Status als Welt-Naturerbe-Stätte verlieren sollte.
Und was meinen Sie dazu?
NamibiaFocus sammelt Kommentare - noch bis Donnerstag, den 31. März. Und gibt sie an einen Vertreter der Namib Desert Lodge (Gondwana Collection) weiter, der an der Anhörung teilnimmt. Fast jeder Gast der Lodge besucht das Sossusvlei.
Autor dieses Beitrags ist Sven-Eric Stender. Er stammt aus Hamburg und lebt seit 1998 in Windhoek. Seit 1986 arbeitet er als Journalist und hat sich auf die Themen Reise, Natur, Menschen und Geschichte Namibias spezialisiert. Für Fragen oder Anregungen ist er zu erreichen unter editorial@namibiafocus.com.
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