Tiere, Landschaften, die Lodges und Camps und der Geländewagen sind sicher die hauptsächlichen Motive, die Sie von einer Reise mit nach Hause nehmen. Je exotischer die Begegnung, je außergewöhnlicher der Moment, desto eher drücken wir auf den Auslöser, um den Augenblick oder das vermittelte Gefühl einzufangen. Doch was ist mit den Menschen, denen Sie auf ihrer Reise begegnen? Eventuell werden noch ein paar Mitreisende fotografiert oder der Guide, mit dem man sich gut verstanden hat, und dann?
Die Menschen sind ein wichtiger Teil der Reise. Begegnungen mit ihnen beschäftigen uns ebenso wie die Tiere und die Landschaft. Sie geben uns ein Gefühl für den Ort und zeigen durch Szenen im Alltag, wie in der Gegend gelebt wird, deshalb sollten sie auch in keinem Reisebericht fehlen.
Doch wie nehme ich die winkenden Kinder am Straßenrand auf, die Familie des Guides, die Dörfer, an denen ich vorbeifahre, die Menschen auf dem Feld, den Fischer, der seine Ware verkaufen möchte, die festlich gekleideten Frauen oder das bunte Treiben auf einem Markt?
Einen negativen Eindruck hinterlassen leider viele Touristen, indem sie Bilder aus dem fahrenden Auto machen oder kurz stehenbleiben und nach dem Bild davonbrausen. Hier braucht man sich nicht zu wundern, wenn einem manchmal mehr als nur Schimpfwörter hinterherfliegen.
Das Wichtigste, um das Gesehene authentisch fotografieren zu können ist:
Mut, Respekt, Übung und Zeit
Wenn ich ein Bild von einer Szene machen möchte, ob in einem Dorf oder am Straßenrand, brauche ich Zeit. Ich parke meinen Wagen und nehme meine Kamera in einer unauffälligen Tasche mit.
Kontakt mit den Menschen suchen
Bevor ich meine Kamera auspacke, versuche ich mich mit der Umgebung vertraut zu machen und gebe den Menschen soweit es möglich ist die Gelegenheit, sich an mich zu gewöhnen, um nicht als einziger Weißer mit dicker Kamera negativ aufzufallen. Je öfter ich so unterwegs bin, desto weniger Überwindung kostet es mich, mit den Menschen in Kontakt zu kommen. Immer wieder brauche ich aber etwas Mut, um in Gegenden, in denen Weiße nur selten zu sehen sind, ins Gespräch zu kommen und zu fragen, ob ich fotografieren darf. Auf einem Markt ist es leicht, über die Auslagen zu sprechen, mit dem Bauern über das Wetter, mit Eltern über die Schule, mit Kindern über Spiele.
Falls mir ein „Nein“ entgegnet wird, kann ich es leicht akzeptieren, da sich meist andere bereitwillig fotografieren lassen wollen.
Fotografieren Sie zu zweit
Am liebsten bin ich aber zu zweit unterwegs, um gemeinsam nach interessanten Menschen und Positionen suchen. Hier kann meine Partnerin oder der Partner den Kontakt halten und das Gespräch weiterführen, während ich mich auf das Fotografieren konzentriere. Häufig packe ich meine Kamera erst dann aus, wenn ich das Einverständnis zum Fotografieren bekommen habe. Die ersten Bilder werden meist aus einiger Entfernung gemacht, um einen Überblick für die ganze Situation zu bekommen und der Person in meinem Fokus nicht gleich zu nahe zu treten. Während der Interaktion mit meinem Kollegen habe ich genügend Zeit, unbeachtet Bilder von allen Seiten zu machen und die Lichtverhältnisse kennenzulernen, spannende Accessoires oder einen schönen Hintergrund zu entdecken, die ich in meine Bilder bewusst integrieren kann. Je näher ich dann komme, desto mehr Blickkontakt bekomme ich. Den kann ich erhalten, indem ich das Model kurz anspreche oder meinem eingeweihten Partner ein Zeichen gebe. Wenn sich die Situation anbietet und sich die von mir fotografierte Person entspannt zeigt, kann ich sie positionieren, um mit dem Bild eine Geschichte zu erzählen oder mit einer Bilderserie eine Reportage zu bekommen.
Bezahlung
Für mich ist es selbstverständlich, für ein Foto etwas zu geben. Ich bekomme Zeit, einen Einblick in den Alltag und spannende Bilder. Ich möchte nicht nur einen guten Eindruck hinterlassen, sondern zahle auch gerne etwas dafür, deshalb machen wir beim ersten Gespräch den Preis aus, der 20N$ pro Person beträgt. Falls sich während des Fotografierens andere ins Bild drängen, wird der Preis neu fest gelegt oder die Person muss gehen, was besonders bei Betrunkenen wichtig ist, da es später zu unnötigem Ärger führen kann.
Nach einer schönen Begegnung schließe ich im Auto schnell meinen kleinen Drucker an meine Kamera an und bringe ein paar Fotos zurück. Nicht viele Menschen habe ein echtes Bild von sich, und so ist die Freude darüber manchmal größer als über ein paar Namibia Dollar. Wer gerne Menschen fotografiert, kann sich auch eine günstige Sofortbildkamera zulegen und im richtigen Moment ein Bild zaubern. Manchmal ergeben sich auch dadurch neue Gespräche und spannende Motive, an die man sonst nicht gekommen wäre.
Geschenke
Leider werden Fotos, vor allem bei Kindern, immer wieder mit ausrangiertem Spielzeug oder Süßigkeiten „bezahlt“. Da Spielzeugautos im Sand nicht fahren, blonde Barbiepuppen nicht nur ein seltsames Bild unserer Welt abgeben, sondern wie Plastikbälle auch nicht für ein haltbares Leben in Wüste oder Busch gemacht sind, liegen sie nach kurzer Zeit als Müll im Dorf. Es lässt sich leicht bei jährlichen Besuchen erkennen, aus welchen Ländern die Touristen kamen, die ihren Spielzeugmüll als Geschenk da lassen.
Dass Zahnpflege in einem abgelegenen Dorf anders abläuft als bei uns in Deutschland und der Weg zum Zahnarzt weit und teuer ist, kann sich jeder vorstellen; deshalb ist die größte Hilfe, die wir den Kindern geben können, lieber Äpfel als Bonbons zu verschenken. In vielen Regionen wird wenig Zucker gegessen, da er schwer zu bekommen ist. So sind Kinder von ihren Eltern oft nicht mehr zu halten und sind schon unter die Räder von Touristenfahrzeugen gekommen, da sie zu schnell hinter einem Busch hervorkamen und dem Fahrzeug entgegenrannten, um für Süßes zu posieren.
Unterwegs
Wenn ihnen auf einer Piste ein Eselskarren entgegenkommt, bleiben sie ruhig stehen und lassen den Karren passieren, fragen nach dem Woher und Wohin und ob sie ein Erinnerungsfoto machen können. Neben einer Geschichte fürs Reisetagebuch haben sie sicher ein oder zwei gute Bilder in der Kamera.
Auf abgelegenen Schotterstraßen ergeben sich immer wieder schöne Bilder am Straßenrand. Bunte Dörfer, Hirten mit Rindern oder Frauen bei der Arbeit mit dem Mörser.
Halten Sie den Wagen an und gehen Sie zu Fuß auf die Szene zu. Auch hier ist es von Vorteil zu zweit unterwegs zu sein; manchmal ist es besser, wenn die Partnerin den Kontakt herstellt, manchmal der Mann. Mit Fingerspitzengefühl, das sie durch Übung in solchen Situationen bekommen können, habe ich oft die Möglichkeit in Hütten zu schauen, die Dame des Hauses bei der Ernte zu begleiten oder den Häuptling kennenzulernen und damit ein Stück Alltag fotografisch festhalten zu können. Kalkulieren Sie bei einer Tagesetappe mit ihrem Fahrzeug immer genug Zeit für Fotostopps ein und haben Sie Mut anzuhalten.
Am Abend
Es lohnt sich, auch mal an einer der vielen bunten Shebeens, Clubs und Bars anzuhalten, die mit den schillerndsten Namen locken. Fragen sie einfach, woher der Name kommt und sie sind mitten im Gespräch.
Ich versuche früh zu kommen, um mit dem Besitzer zu klären, ob ich ein Foto machen darf. Dann setze ich mich und trinke eine Cola. Die ankommenden Gäste grüßen und ich habe die Möglichkeit, Menschen und Szenen zu beobachten und ins Gespräch zu kommen. Im Tausch gegen eine Zigarette oder eine Cola sitze ich meist nur mit interessierten Gästen und kann ungestört fotografieren. Ich vermeide Bier, da sich dann das Publikum ändert und Fotos unmöglich werden. Auch hier ist es gut zu zweit zu sein, ob in der Bar oder als „Taxi“. In dem Fall lasse ich mich nach einer bestimmten Zeit abholen, da ein Shebeen häufig nicht in der Nähe des Übernachtungsplatzes liegt.
Ich fotografiere immer ohne Blitz, manchmal lege ich meine Stirnlampe auf den Tisch um die Szene dezent zu beleuchten. Dabei habe ich die Blende weit geöffnet, die Isozahl erhöht und die Belichtungszeit so eingestellt, das ich noch verwacklungsfreie Bilder aus der Hand machen kann. Natürlich werden an so einem Abend nur wenig Bilder sehenswert, doch das Brauchbare kann umwerfend sein.
Perspektiven
Abgebildete Menschen verdeutlichen die Größe der Umgebung, da wir mit den Proportionen vertraut sind. Ob Fahrzeuge, Hütten oder ein Marktstand, die Weite einer Straße, die Blickführung in einem Bild, die Einsamkeit in der Wüste. Wenn Sie eine Person im Bild geschickt integrieren, lässt sich manches für den Betrachter leichter einordnen und dadurch emotional erfassen.
Kameraeinstellungen
Wenn ich von einer Situation mit Menschen überrumpelt werde, schalte ich auf Automatik, um auf jeden Fall die Situation festzuhalten. Später, mit mehr Zeit, stelle ich auf Blendenvorwahl mit einer Iso von 800. Damit kann ich die Person im Fokus vom Gedränge durch einen unscharfen Hintergrund abheben. Dabei bin ich im Serienmodus und fokussiere nur mit dem mittleren Feld direkt ins Gesicht und auf die Augen, um nicht versehentlich den Vordergrund scharf zu stellen. Bei der Auswahl des Ausschnitts versuche ich, ausreichend Platz zu lassen, um in der Bildbearbeitung zu Hause genügend Spielraum zur Optimierung zu haben. Das heißt, in Blick oder Bewegungsrichtung der Person lasse ich mehr Platz als dahinter, meist deckt sich der Ausschnitt dann mit der Drittelregel.
Immer wieder taucht der Begriff Streetfotografie auf und es wird viel über die Definition diskutiert. Für mich gehört die Art, wie ich Menschen aufnehme, auf jeden Fall dazu. Ich würde den Begriff ausweiten und für Bilder, die nicht das Leben einer Großstadt zeigen, unter Roadpictures sammeln.
Versuchen Sie doch bei der nächsten Safari ihre eigne Roadstory zu schreiben und mit Roadpics eindrucksvoll zu bebildern. Erzählen Sie Ihre Erlebnisse mit Text und Bild.
Lambert Heil fotografiert seit vielen Jahren Wildlife, Natur, Menschen und typische Reisesituationen in Afrika und Europa. Bei Namibia Focus stellt er in regelmäßigen Abständen fotografische Tipps, Tricks und Ideen vor, bespricht Bilder oder entdeckt interessante Orte für Fotografen. Weitere Informationen zu Lambert Heil und Fotografieren in Namibia finden Sie hier.
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