Eine der Hauptstraßen in der namibischen Hauptstadt Windhoek trägt den Namen eines jungen, tapferen Helden, des legendären Königs Mandume ya Ndemufayo. Obwohl er das Volk der Ukwanyama in Nord-Zentral-Namibia nur sechs Jahre lang regierte und Anfang zwanzig starb, sind seine Führung, Tapferkeit und sein tragischer Tod in der mündlichen und schriftlichen Überlieferung in Namibia und Angola immer noch sehr lebendig.
Nach seinem Tod im Jahr 1917 blieb das Ukwanyama-Königreich jahrzehntelang ohne Führer, sein magischer Stein (power stone) verschwand und wurde erst 1995 zurückgegeben. Ein Jahr später wurde ein Nachkomme der königlichen Ukwanyama-Linie als neuer traditioneller Führer (ohamba) eingeführt und das alte Königreich wieder belebt - ein stolzer Moment für das Volk auf beiden Seiten der angolanisch-namibischen Grenze.
Die mündliche Überlieferung über Ohamba Mandume wurde rund achtzig Jahre lang von Zeitgenossen bewahrt, insbesondere von Vilho Kaulinge, der über neunzigjährig 1992 starb und unter dem legendären Führer gedient hatte.
Gefangen zwischen Kolonialmächten
Die Oukwanyama sind die größte Untergruppe der Oshiwambo-sprechenden Menschen, die um das 17. Jahrhundert aus Zentralafrika ausgewandert sein sollen. Ihre mündlichen Historiker haben seitdem die Namen ihrer Könige bewahrt und weitergegeben. Die Portugiesen kolonisierten Angola ab etwa 1575, drangen aber viel später in die südlichen Teile ein. Das kaiserliche Deutschland nahm 1884 das heutige Namibia in Besitz. Die Portugiesen, die die Einwohner Südangolas weitgehend unberührt gelassen hatten, waren alarmiert, da die Grenze nicht klar festgelegt war.
Auf der Berliner Konferenz 1884 definierten europäische Mächte, die Afrika kolonisiert hatten, den Kontinent und seine Grenzen, von denen die meisten noch heute bestehen. Mehr europäische Händler und Missionare kamen in Gebiete nahe der heutigen Grenze zwischen Namibia und Angola.
Die Oukwanyama - und andere Gruppen - befanden sich zwischen zwei Mächten. Zwischen 1904 und 1906 besuchten portugiesische und deutsche Regierungsbeamte den Ukwanyama König Nande. Die Portugiesen brauchten Wanderarbeiter und verhandelten über den Bau eines Forts im Ukwanyama-Gebiet. Ohamba Nande hatte keine andere Wahl, als mit ihnen ein ‚Schutzabkommen‘ zu unterzeichnen. Die Deutschen wollten ebenfalls Wanderarbeiter rekrutieren und ließen den König ein ähnliches Abkommen mit ihnen unterzeichnen.
Wer war König Mandume ya Ndemufayo?
Mandume war der Neffe von Nande; seine Mutter war die Schwester des Königs. Er lebte auf verschiedenen Gehöften, um ihn zu schützen, aus Angst das Königskind könnte ermordet werden.
Sein genaues Geburtsjahr ist nicht bestätigt, aber der namibische Akademiker Napandulwe Shiweda schreibt, Mandume sei 1894 geboren. Nande starb am 5. Februar 1911 und Mandume wurde mit knapp 18 Jahren sein Nachfolger. Er errichtete seine königliche Residenz umgeben von Palisaden in Ondjiva, jetzt im Süden Angolas.
Der junge Ohamba war sich bewusst, dass die Ratsherren unter seinen Vorgängern zu mächtig geworden waren. Er änderte dies, indem er mehrere königliche Erlasse ankündigte und deren Einfluss einschränkte. Ohne seine Erlaubnis waren keine Überfälle und Angriffe auf friedliche Nachbargemeinden erlaubt und nahmen daher rapide ab.
Sein erster Befehl war, dass nur reife Früchte geerntet werden sollten. Ein Missetäter, der vor Mandume gebracht wurde, musste so viele unreife Früchte essen, bis ihm übel wurde. Mandume ordnete an, dass Frauen Vieh besitzen dürfen, was zuvor verboten war.
Der Druck der Kolonialmächte nahm zu, Mandume und seine Krieger kämpften in Omongwa in Angola gegen die portugiesische Armee, wurden jedoch besiegt. Anschließend verlegte er seinen Wohnsitz über die Grenze nach Namibia nach Oihole.
Nachdem die deutsche Kolonialherrschaft im Juli 1915 in Namibia endete, regierte Südafrika im Auftrag Großbritanniens. Mandume hatte keine andere Wahl, als im September 1915 ein "Schutzabkommen" mit den Südafrikanern zu unterzeichnen. Die Ukwanyamas wurden Opfer eines Grenzstreits zwischen Portugal und Südafrika, als die beiden Mächte die angolanisch-namibische Grenze 1916 zweimal verlegten. Oihole war plötzlich angolanisches Gebiet.
Die beiden Mächte untersagten Mandume, seine Untertanen auf der anderen Seite der Grenze zu besuchen. Er widersetzte sich dem Befehl und überschritt die Grenze häufig, um mit seinen Leuten in Kontakt zu bleiben. Dies missfiel den Portugiesen und Südafrikanern. Letztere forderten Mandume schließlich auf, alle Waffen seiner Krieger abzugeben, da sie ihn vor den Portugiesen schützen würden, was er ablehnte. Es sah nicht gut aus für die Ukwanyamas.
Ein heldenhafter Tod
Gegen Ende Januar 1917 bemerkten die Ukwanyamas Bewegungen vieler europäischer Soldaten in Richtung ihres Territoriums. Der junge König, seine Berater und Krieger erkannten, was dies bedeuten würde.
Eine gemeinsame portugiesisch-südafrikanische Militäreinheit griff Anfang Februar die Ukwanyamas in der Nähe von Oihole an. Sie wehrten sich tapfer, aber die Soldaten waren zahlreicher als sie und hatten moderne Waffen.
Laut mündlicher Überlieferung fand am 6. Februar die letzte heftige Schlacht statt. Mandume wollte nicht lebend in die Hände der Feinde fallen. Er sagte seine berühmten Worte: "Mein Herz sagt mir, dass ich nichts falsch gemacht habe." Er sagte seinen drei engsten Getreuen, dass sie ihn töten sollen. Das wollten sie nicht, da ein König unantastbar war.
Die Legende besagt, dass sie Mandume vorgeschlagen haben, sie einzeln und dann sich selbst zu töten. Dies tat er mit einem Schwert. Schließlich rammte der junge 23-Jährige das Schwert - der Legende nach – mit der scharfen Spitze der Klinge nach oben in den Boden, stürzte sich hinein und beendete sein Leben. Das Oukwanyama-Königreich war nicht mehr. Mandume starb unverheiratet und hinterließ keine Kinder.
Die europäischen Kommandeure fanden den Toten und feierten ihren Sieg, indem sie sich mit der Leiche von Mandume gegenseitig fotografierten. Es heißt, sie hätten ihm den Kopf abgeschnitten und ihn nach Windhoek gebracht.
1919 wurde in Windhoek in der Nähe des Bahnhofs ein Denkmal zu Ehren der europäischen Soldaten enthüllt, die 1917 im Kampf gegen Mandume gefallen waren. Anscheinend war Mandumes Schädel im Sockel des Denkmals eingemauert worden. Bis heute wurden keine Anstrengungen unternommen, das Denkmal zu untersuchen oder zu scannen, um zu überprüfen, ob der Schädel dort ist.
Wiederherstellung des Königreichs 1996
Nach Mandumes tragischem Ende und seiner Bestattung in Oihole hielten sich die Mitglieder der königlichen Familie jahrzehntelang zurück, aus Angst vor Verfolgung. Die Ukwanyamas mussten sich daran gewöhnen, in zwei verschiedenen Ländern zu leben, die von ausländischen Mächten regiert wurden.
Der ovale Kraftstein, der anscheinend magische Kräfte besitzt und seit dem 17. Jahrhundert von der königlichen Linie aufbewahrt wurde, wurde versteckt. In den 1940er Jahren wurde offenbar beschlossen, einen finnischen Missionar zu bitten ihn zu verwahren. Dieser brachte den Kraftstein nach Finnland, wo er in einem Museum ausgestellt wurde.
Mandumes Untertanen haben ihren König nie vergessen. Jedes Jahr am 6. Februar versammelten sie sich in Oihole an seinem Grab und bedeckten es mit Zweigen von Mopane-Bäumen. Wenn ein Untertan an seinem Grab vorbeikam, legte er immer einen Mopane-Zweig dort nieder.
Die Ukwanyama-Ältesten sagten, sie würden ihr Königreich erst wiederherstellen, wenn Namibia unabhängig wird, was im März 1990 geschah.
Es wurden Anstrengungen unternommen, den Kraftstein zurück nach Namibia zu bringen, was 1995 erfolgte. Am 6. Februar 1996, genau 79 Jahre nach Mandumes Tod, wurde Kornelius Mwetupunga Shelungu, ein Mitglied der königlichen Familie, als traditioneller Führer (ohamba) der Ukwanyama-Stammesbehörde eingesetzt.
Shelungu starb am 3. November 2005 im Alter von 89 Jahren. Zur Überraschung der Gemeinschaft ernannte er auf seinem Sterbebett eine Frau aus der königlichen Linie zu seiner Nachfolgerin. Sein Wunsch wurde erfüllt und die erste weibliche Ukwanyama ohamba, Meekulu Martha Mwadinomho yaKristian Nelumbu, damals 74 Jahre alt, wurde am 12. November in Omhedi bei einer farbenfrohen Zeremonie seine Nachfolgerin.
Denkmäler zu Ehren von Mandume
Am 6. Februar 2002 wurde in Oihole während einer offiziellen Zeremonie unter Anwesenheit des angolanischen Präsidenten Eduardo dos Santos und des namibischen Präsidenten Sam Nujoma ein Denkmal enthüllt. Das Grab von Mandume erhielt eine Umfriedung und einen riesigen Ring daneben mit drei symbolischen Mopane-Blättern. Die Straße von Ondjiva nach Oihole wurde nach Mandume benannt.
Im August desselben Jahres wurde der Heldenfriedhof außerhalb von Windhoek eingeweiht. Mehrere antikoloniale Widerstandshelden Namibias erhielten dort symbolische Gräber, darunter Hendrik Witbooi und Mandume.
Am 6. Februar 2017, ein Jahrhundert nach dem Tod des legendären Ohamba Mandume, fand in Omhedi eine Gedenkfeier statt und ihm zu Ehren wurde eine Büste enthüllt.
Brigitte Weidlich
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