Wenn Sie in der Tourismusbranche tätig sind, werden Sie oft gefragt, inwiefern der namibische Tourismus von der gegenwärtigen Wirtschaftslage und Faktoren wie unserer dreijährigen Dürre und der aktuellen finanziellen Schwierigkeiten betroffen ist. Die Fragen werden meist in der Hoffnung auf eine positive Antwort gestellt, dass es doch ein Licht am Ende des Tunnels gibt. Und, ja, es gibt Licht. Trotz eines leichten Rückgangs im Tourismus in den vergangenen zwei Jahren und der Herausforderungen, mit denen wir derzeit konfrontiert sind, strömen die Besucher weiterhin ins Land. Namibias Gastgewerbe und Tourismusindustrie hat in den drei Jahrzehnten seit der Unabhängigkeit ein durchschnittliches jährliches Wachstum von fünf Prozent verzeichnet, tausende von Arbeitsplätzen geschaffen und zählt immer noch zu den am schnellsten wachsenden Wirtschaftszweigen des Landes. Der Tourismus trägt etwa elf Prozent zum namibischen BIP bei (mehr als 20 Milliarden Namibia Dollar).
Schätzungen zufolge wurde in einigen Bereichen des Freizeittourismus ein Rückgang von sieben bis zehn Prozent verzeichnet, der auf eine Kombination von Faktoren zurückzuführen ist. Nach unserem Rekordjahr 2017, das vor allem auf die „Öffnung des Himmels“ für mehr internationale Fluggesellschaften wie KLM und Qatar zurückzuführen war, spüren wir einen leichten Rückgang, auch in der Nebensaison. Ironischerweise hat das erfolgreiche Jahr zur der Fehleinschätzung geführt, dass die namibischen Unterkünfte ausgebucht seien, da für Gruppen reservierte Blockbuchungen zu spät freigegeben wurden. Viele Unterkünfte haben daraufhin ihre Stornierungsfristen für Blockbuchungen angepasst, um eine solche Fehleinschätzung in Zukunft zu vermeiden.
Es ist für jeden in der Reisebranche offensichtlich, dass sich der Tourismus in den letzten drei Jahren verändert hat. Urlaubssuchende buchen und reisen heute anders. Statt der großen Reisegruppen, die maßgeblich zum Wachstum des Tourismus in Namibia beigetragen haben, gibt es jetzt mehr mittlere bis kleine Gruppen. Diese Veränderung könnte möglicherweise durch den weltweiten Boom der Kreuzfahrtschifffahrt - oder „schwimmenden Hotels“ - beeinflusst worden sein, da diese Touristenklasse nun die Attraktivität und den Komfort des Reisens auf Kreuzfahrtschiffen vorzieht. Das Leben schließt jedoch nie eine Tür, ohne eine andere zu öffnen. Aufgrund der digitalen Revolution buchen heute mehr Touristen über Online-Buchungsagenturen wie booking.com statt wie früher bei den lokalen Reiseveranstaltern. Und es zieht nun eine jüngere Gruppe von Individualreisenden nach Namibia, die Fahrzeuge mieten und Abenteuer und Outdoor-Aktivitäten suchen, was zu einem Anstieg der Autovermietungen führt.
Möglicherweise hat das weltweit wachsende Bewusstsein für den Klimawandel den Flugverkehr beeinflusst, da sich der Reisende von heute verstärkt Gedanken über seinen CO2-Fußabdruck macht. Der Begriff „Flugscham“ ist in aller Munde. Die letzten zwei Jahre mit heißen europäischen Sommern bedeuteten auch, dass mehr Europäer zu Hause blieben und Zeit in ihren eigenen Ländern verbrachten. Die jüngsten Diskussionen über den Völkermord an den Herero 1904-1907 könnten den deutschen Reisemarkt ebenfalls beeinflusst haben.
Ein weiterer Trend, der sich in Namibia nach dem offensichtlichen Mangel an Unterkünften im Jahr 2017 vor allem in den ländlichen Gebieten Namibias zeigte, ist, dass eine Reihe von Betreibern - oft mit einem europäischen Partner - ihre eigenen Camps bauen, um die Verfügbarkeit von Betten zu sichern und eine eigene Identität zu schaffen. Darüber hinaus haben immer mehr Tourismusunternehmen die operative Seite des Geschäfts einschließlich der Autovermietung in ihr Leistungsangebot aufgenommen und sind damit Teil der gesamten Wertschöpfungskette geworden. Infolgedessen sind Autovermietungen in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen. In allen Bereichen ist der Kuchen heute viel größer als in der Vergangenheit.
Letztendlich sind alle Menschen auf der Welt miteinander verbunden und spüren die Wellen der katastrophalen Ereignisse rund um den Globus. Dazu gehört die Schließung des britischen Touristikunternehmens Thomas Cook, das mit 178 Jahren Geschäftstätigkeit eines der ältesten Reisebüros der Welt war, und was dazu führte, dass 600 000 Menschen weltweit strandeten. Dieses Ereignis zeigt, wie wichtig es ist mit der Zeit zu gehen, relevant zu bleiben, die technologische digitale Revolution anzunehmen und sich dem allgemeinen Wandel anzupassen.
Zu den Faktoren in Afrika, die den Tourismus in Namibia beeinflussen, könnte der Boom des Tourismus in ostafrikanischen Ländern wie Kenia und Tansania gehören. Vermutlich beeinflussen auch die Fremdenfeindlichkeit in Südafrika und die Krise der südafrikanischen Fluggesellschaft SAA sowie die extreme Wirtschaftskrise in Simbabwe den internationalen Reiseverkehr. In Namibia könnten sich die Finanzkrise und die Unsicherheit um die nationale Fluggesellschaft Air Namibia negativ auf den Tourismus ausgewirkt haben, ebenso wie die mangelnde Instandhaltung der Straßen entlang der Haupttouristenrouten aufgrund finanzieller Engpässe. Auch die derzeit herrschende Dürre könnte Auswirkungen gehabt haben. Eine weitere Sorge ist, dass die geringe Budgetzuweisung an den namibischen Tourismusrat NTB die Vermarktung Namibias im Ausland beeinträchtigen könnte. Hut ab vor dem namibischen Tourismusbüro in Frankfurt, dem es trotz allem immer wieder gelingt, mit innovativem Marketing auf den Titelseiten zu erscheinen. In den kommenden Jahren müssen Privatwirtschaft und NTB ihre Kräfte bündeln, um das Land aktiv an ein breiteres Publikum zu vermarkten.
Positiv zu vermerken ist, dass das namibische Innen- und Einwanderungsministerium seine Visabeschränkungen gelockert hat. Die neue Politik der Visumsoffenheit ermöglicht es Besuchern aus 47 Ländern, bei ihrer Ankunft ein Visum zu erhalten. Es ist offensichtlich, dass die namibische Regierung zunehmend die Vorteile des Tourismus für die Wirtschaft anerkennt.
Trotz des leichten Rückgangs der Besucherzahlen in diesem Jahr scheintt der Tourismus im Moment der einzige Wirtschaftssektor zu sein, der Hoffnung und Potenzial birgt - und die dringend benötigte Schaffung von Arbeitsplätzen im Land vorantreibt. Kenner der namibischen Tourismusindustrie sind der Meinung, dass die Aussichten für 2020 ähnlich wie in diesem Jahr sein werden, mit keinem weiteren Rückgang und vielleicht einem leichten Anstieg der Gästezahlen in Namibia. Langfristig scheint es, dass Namibia seine durchschnittliche Wachstumsrate von fünf Prozent wie seit der Unabhängigkeit beibehalten wird, vor allem mit zunehmender Verfügbarkeit bei den Hot Spots in den ländlichen Gebieten. Wir können zuversichtlich in die Zukunft schauen.
Manni Goldbeck
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