"Feenkreis-Phänomen aufgeklärt", titelt die Allgemeine Zeitung in Namibia. "Forscher lösen Rätsel der Feenkreise in Namibia", meldet die Kronen-Zeitung in Österreich. Auch die WELT in Deutschland postuliert "Die Entzauberung der Feenkreise".
Doch Google mahnt zur Skepsis. Suchergebnisse zeigen: Seit 2000 wurde das Rätsel um die kahlen Kreise in den Grasflächen am Ostrand der Namib immer wieder mal gelöst. Grasschneide-Termiten, hieß es erst. Dann waren es giftige Rückstände im Boden. Dann war von Gasen die Rede.
Mittlerweile sind nur noch zwei Hypothesen im Rennen. Die Sandtermite Psammotermes allocerus, die sich einen Wasserspeicher und eine Futterreserve schafft. Oder die Stipagrostis-Gräser, die die kahlen Stellen mittels "Selbst-Organisation" bilden und so von deren Feuchtigkeit und Nährstoffen profitieren.
"Lösung" nicht neu
Die jüngste Studie ("Plant water stress, not termite herbivory, causes Namibia’s fairy circles"), die die Schlagzeilen ausgelöst hat, vertritt die zweite Hypothese. Die "Lösung" ist also nicht neu. Ihre Autor:innen behaupten jedoch, neue Belege zu liefern und die konkurrierende Termiten-Hypothese endgültig zu widerlegen.
Ökosystem-Modellierer Stephan Getzin von der Universität Göttingen hat dazu Kreise an elf Stellen untersucht. An Feenkreis-"Hotspots" in der Namib von einem Punkt nahe der Grenze zu Angola bis nach Garub bei Aus. In den Regenzeiten 2020, 2021 und 2022.
Doch schon die Methodik lässt Zweifel an den Ergebnissen aufkommen. Die meisten Kreise wurden offenbar nur wenige Male kurz besucht. An fünf der Stellen gruben die Forscher Graspflanzen aus, die nach Regenfällen gekeimt hatten, dann jedoch abgestorben waren. Die Wurzeln, so Getzin, wiesen keinerlei Fraßspuren auf.
Fotos taugen nicht als Beleg
Als Beleg präsentiert er Fotos, die Experten wie dem Hamburger Biologen Norbert Jürgens nichts sagen: "Für qualifizierte Aussagen braucht man Mikroskop-Aufnahmen." Jürgens ist ein führender Vertreter der Termiten-Theorie.
Auch Termiten seien in den Kreisen nicht zu finden gewesen, so Getzin. Das hätten ja auch anerkannte Insekten-Experten bereits festgestellt. Wie Walter Tschinkel von der Florida State University. Oder Eugene Marais vom National Museum of Namibia.
Tschinkel hatte im NamibRand Nature Reserve umfassend graben lassen, sich in seiner Studie 2010 jedoch auf die Ernte-Termite Baucaliotermes hainesi konzentriert. Fünf Jahre später schloss er Psammotermes als Ursache aus. Nach Experimenten vor Ort, etwa mit Nährstoffen oder Folien. Jürgens dazu: "Dabei wurde nur festgestellt, dass die Eingriffe keinen Unterschied hinsichtlich der Existenz der Feenkreise erkennen ließen. Ohne mögliche Wirkungen der Eingriffe auf wichtige Faktoren oder Prozesse wie etwa den Bodenwasserhaushalt zu messen." Marais wurde laut Jürgens zu Feenkreisen befragt, die nach mehrjähriger Dürre tatsächlich inaktiv waren.
Studie widerlegt eigene Grundannahme
An zehn Stellen maß das Team von Getzin nach örtlichen Regenfällen die Bodenfeuchtigkeit. In den Kreisen, an ihrem Rand und in der umgebenden Grasfläche, der so genannten Matrix. Im NamibRand Nature Reserve sammelte ein Datenlogger drei Jahre lang Messwerte.
Ergebnis: Das Regenwasser versickert innerhalb der Kreise nicht deutlich schneller als außerhalb. Auch damit lasse sich das Absterben der jungen Gräser also nicht erklären, folgert Getzin. Und die neuen Messwerte würden seine Hypothese erhärten.
Allerdings sind auch diese Messwerte nicht neu, sagt Feenkreis-Forscher Jürgens. "Sie decken sich mit den Werten, die ich seit 2006 in Kreisen an verschiedenen Stellen der Namib ermittele." Werte aus den Jahren 2006 bis 2008 finden sich in seiner Veröffentlichung "The Biological Underpinnings of Namib Desert Fairy Circles". Erschienen 2013 im Wissenschafts-Magazin Science, das Beiträge besonders streng prüft.
"Meine und Getzins Werte zeigen übereinstimmend, dass der Boden im Kreis feuchter ist als in der Matrix", so Jürgens. "Da die Pflanzen im Kreis vor jenen in der Matrix verwelken, kann mangelndes Wasser nicht die Ursache sein."
Gräser "saugen Kreise trocken"
Bereits das Fundament der Selbstorganisations-Hypothese überzeugt nicht. Die Wurzeln der Gräser würden Sogkräfte entwickeln, erklärt Getzin auf Nachfrage von NamibiaFocus. So werde Feuchtigkeit angesaugt, bis zu sieben Meter weit. Bei mangelndem Wasser und konkurrierenden Pflanzen derselben Art (im Falle der Namib: das Gras Stipagrostis ciliata) bildeten sich dann kahle Stellen. Sozusagen als Wasser- und Nährstoffspeicher, von dem die Pflanzen der Umgebung profitieren. Vor allem die Graspflanzen am Rand. Sie sind deutlich größer und bilden damit einen Ring.
Die Hypothese stützt sich auch auf ein Modell, das der Mathematiker Alan Turing entwickelt hat. Mit Variablen wie Wassermangel und Konkurrenz unter Pflanzen lassen sich in Computer-Simulationen Muster wie die der Feenkreise in den Grasflächen der Namib erzeugen. Und ihre kreisrunde Form, mit Ring.
"Sterbende" Kreise nicht erklärt
Doch die Behauptung, Gräser im Ring und in der Matrix würden den Kreis trockensaugen, kann nicht stimmen. Wie Jürgens und namhafte Expert:innen wie Kelly Vlieghe und Mike Picker in einer gemeinsamen Replik zur Selbstorganisations-Hypothese 2015 feststellten. Denn dann müssten die jungen Gräser im Kreis vom Rand hin nach innen absterben. Fotos von Jürgens belegen jedoch das Gegenteil. Das Sterben erfolgt von der Mitte nach außen.
Eine weitere Unstimmigkeit: Es gibt Fotoserien zu wachsenden Kreisen. Starke Gräser im Ring sterben. Trotz angeblich überlegener Saugkraft und vorteilhaftem Standort. Schwächere Gräser weiter außen dagegen erstarken. Wie das, fragte NamibiaFocus bei Getzin nach. Keine Antwort.
Und "sterbende" Kreise? In denen wieder junge Gräser wachsen? Neben den starken Gräsern im Ring, die laut Getzin entscheidend dazu beitragen, dass der Kreis kahl bleibt? Auch diese Frage bleibt unbeantwortet.
Dauerhafte Ökosysteme, von Termiten erschaffen?
Die Termiten-Theorie dagegen erscheint solide fundiert. Jürgens hat die Feuchtigkeit in vier Bodentiefen gemessen. Mit automatischen Sensoren. Innerhalb und außerhalb von insgesamt 14 Feenkreisen. An neun Stellen, einer in Angola, fünf in Namibia und drei in Südafrika. Seit 2006. Er fand Sandtermiten und ließ sie bestimmen: Psammotermes allocerus.
Seine Theorie in vier Sätzen: Die Termite schafft den kahlen Kreis, indem sie die Wurzeln der Gräser frisst. So versickert Regenwasser, ohne von Gräsern aufgesogen zu werden. Unterirdisch hält es sich über Jahre – selbst bei Dürre. Der so genannte Luxusgürtel hoher Gräser am Rand des Kreises dient als Futterreserve.
"Diese winzigen Termiten schaffen es, Niederschläge von nur 50 Millimetern im Jahr in ein dauerhaft bewohnbares Ökosystem zu verwandeln", brachte Jürgens es damals auf den Punkt. Wird die Kolonie größer, vergrößert sich der Kreis. Stirbt sie, wächst er wieder zu. Das Muster der Feenkreise in den Grasflächen ergäbe sich dann (auch) aus der Konkurrenz der Kolonien, was 2017 ebenfalls in der Forschung diskutiert wurde (siehe Studie von Robert Pringle und Corina Tarnita).
Termiten in 1.700 Feenkreisen nachgewiesen
Bleibt die Frage, warum viele Forscher in den Feenkreisen keine Termiten gefunden haben. "Psammotermes ist tatsächlich eine kleine, unscheinbare Termite", erklärt Jürgens. "Ihre Kolonien bewohnen mehrere kleine unterirdische Nester. Dennoch kann man sie und ihre Tunnel in normalen Regenjahren systematisch aufspüren. Wie gemeinsame Veröffentlichungen mit Insektenforschern ja zeigen. Demnächst erscheint eine Publikation, in der wir beschreiben, wie man Psammotermes schnell findet." Er habe mittlerweile Daten zu mehr als 1.700 Feenkreisen, sagt der Biologe. In allen seien die Sandtermite oder ihre Strukturen nachgewiesen.
Eine beeindruckende Zahl an Fällen. Doch reicht sie als Beleg? Muss nicht zusätzlich zum Vorkommen von Psammotermes in Kreisen auch bewiesen werden, dass sie sie tatsächlich verursacht? Jürgens nickt: "Wir werden in Kürze noch bessere Belege für den Wurzelfraß vorlegen als bereits in meiner Studie 2013. Im Laborexperiment hat Kelly Vlieghe übrigens schon vor Jahren nachgewiesen, dass Sandtermiten lebende Gräser fressen." Mit ihrer Veröffentlichung von 2014 widerlegte sie anderslautende Aussagen des Insekten-Experten Tschinkel.
Warum die weltweite Ente?
Der Laie fragt sich, warum Getzin und die drei Ko-Autor:innen in ihrer Studie von einem Abschluss der wissenschaftlichen Debatte sprechen. Und warum die Google-Suche den Eindruck erweckt, die Selbstorganisations-Hypothese sei eine gleichberechtigte, wenn nicht die vorherrschende Meinung der Feenkreis-Forschung.
Was zurückführt zu den Schlagzeilen der Medien. Eine Ente. Weltweit. Und das nicht zum ersten Mal. Wie kann es dazu kommen?
Mangelnde Kontrolle innerhalb der Wissenschaft. Wissenschaftsverlage lassen Studien von Experten prüfen, bevor sie sie veröffentlichen. Die Publikation von Getzin und seinen drei Ko-Autor:innen erschien im Journal "Perspectives in Plant Ecology, Evolution and Systematics" bei ScienceDirect. Offenbar sind die Prüfkriterien dort nicht streng oder unter den Gutachtern war kein Experte der relevanten Disziplinen.
Öffentlichkeitsarbeit wissenschaftlicher Institutionen. Unmittelbar nach dem Erscheinen der Studie wurden vorbereitete Pressemitteilungen auf Deutsch und Englisch verschickt.
Zeitdruck bei den Medien. Vor allem in Tageszeitungen kann kein Journalist lange recherchieren. Der Artikel auf Wikipedia etwa gibt zwar einen Überblick über das Thema, hilft aber nicht bei der Überprüfung der aktuellen Informationen.
Komplexer Sachverhalt. Selbst wenn Journalisten andere Feenkreis-Experten befragen, können sie sich kaum ein eigenes Bild machen. Dazu fehlt ihnen der wissenschaftliche Hintergrund. Dann bleibt nur, Experten zu Wort kommen zu lassen. Wie in einem früheren Bericht des Magazins Der Spiegel zu dem Thema oder aktuell in den New York Times.
Dank an Gondwana und Norbert Jürgens
Die genannten Probleme der Medien gelten auch für NamibiaFocus. Der Zeiteinsatz für diesen Beitrag war enorm. Ohne das besondere Interesse von Gondwana Collection Namibia an der Feenkreis-Forschung hätte er nicht geleistet werden können. Großer Dank gilt auch Norbert Jürgens, der sich trotz eines vollen Terminkalenders Zeit genommen hat. In ausführlichen Mails und mehrstündigen Online-Gesprächen hat er wesentliche Hinweise gegeben und Zusammenhänge erklärt.
Jürgens hatte im Februar 2008 im Beisein des Autors dieses Berichts im Gondwana Namib Park nahe der Namib Desert Lodge erstmals geflügelte Königinnen und Könige der Sandtermite Psammotermes allocerus entdeckt. Kurz vor dem Schwärmen nach gutem Regen. In ihrem Bau, der sich unter dem Ring des Kreises befand. Mit-Entdecker war der renommierte namibische Ökologe Joh Henschel, zu jener Zeit Direktor des Wüstenforschungs-Instituts Gobabeb.
Autor dieses Beitrags ist Sven-Eric Stender. Er stammt aus Hamburg und arbeitet seit 1986 als Journalist. Seit 1998 lebt er in Windhoek und hat sich auf die Themen Reise, Natur, Menschen und Geschichte Namibias spezialisiert. Für Fragen oder Anregungen ist er zu erreichen unter editorial@namibiafocus.com.
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