Namibia ist mit seinem klaren Himmel ein beliebtes Ziel für Sternengucker und Amateurastronomen sowie für Wissenschaftler. Das Land beherbergt seit 2002 die weltweit größte Anordnung von Teleskopen zur Erforschung der kosmischen Gammastrahlung. Am 18. Oktober 2022 feierte die wissenschaftliche Gemeinschaft das zwanzigjährige Bestehen der Anlage.
Das High Energy Stereoscopic System (H.E.S.S.)-Observatorium wird in Zusammenarbeit von mehr als 240 Wissenschaftlern aus 36 wissenschaftlichen Einrichtungen in 12 Ländern, darunter auch Namibia, betrieben.
"Wir blicken auf 20 herausragende Jahre außergewöhnlicher Physik zurück", sagte Prof. Gérard Fontaine, Vertreter des französischen Nationalen Zentrums für wissenschaftliche Forschung (CNRS), der zur Feier nach Namibia gereist war. "Die internationale Zusammenarbeit ist von großer Bedeutung."
Namibia ist stolz darauf, dass das Land Standort für die H.E.S.S.-Teleskope ist und an den Forschungsprojekten teilnimmt. "Wir sind sehr stolz, dass die Universität von Namibia (Unam) ein integraler Bestandteil davon ist", sagte die namibische Ministerin für internationale Beziehungen, Netumbo Nandi-Ndaitwah, in einer Rede, die in ihrem Namen verlesen wurde.
Die Teleskopanlage hat Namibia in den letzten zwanzig Jahren bei Physikern und anderen Wissenschaftlern auf die internationale Landkarte gebracht.
Bis heute wurden durch die H.E.S.S.-Kollaboration mehr als 250 Artikel in international renommierten Fachzeitschriften veröffentlicht; die Kollaboration und ihre Mitglieder wurden mit zahlreichen renommierten Preisen ausgezeichnet.
Sie wird von Forschungseinrichtungen betrieben, und die meisten der teilnehmenden Wissenschaftler sind junge Forscher, die einen Doktortitel anstreben oder ihn bereits erworben haben. Bis 2022 trugen rund 1.000 Dissertationsprojekte in allen beteiligten Einrichtungen, einschließlich der Universität von Namibia, wesentlich zur erfolgreichen Aus- und Weiterbildung bei.
Ein Fenster zum Universum öffnen
Im Jahr 2002 wurde das erste von mittlerweile fünf Teleskopen des High Energy Stereoscopic System (H.E.S.S.) im Khomas-Hochland-Gebirge rund 120 km westlich von Windhoek auf der Farm Göllschau eingeweiht. Auch die dunkle Materie und so genannte Schwarze Löcher gehören zum Forschungsprogramm des weltweit größten Spiegel-teleskopsystems für Gammastrahlen.
Vor zwanzig Jahren haben die Max-Planck-Gesellschaft in Deutschland und das Bundesforschungsministerium gemeinsam sechs Millionen Euro für das Projekt ausgegeben und damit mehr als 75 Prozent der Gesamtkosten von 7,6 Millionen Euro beigesteuert.
Die Abkürzung H.E.S.S. steht für "High Energy Stereoscopic System" und ehrt zugleich den österreichischen Entdecker der Gammastrahlen, Victor Franz Hess (1883-1964).
Kurz nach der Errichtung des ersten Spiegelteleskops im Jahr 2002 folgten drei weitere identische Teleskope. Sie sind 12 m breit, bilden die vier Ecken eines Quadrats und können gedreht werden. Mit dem H.E.S.S.-Array wurde ein neues "Fenster zum Universum" geöffnet.
Zum ersten Mal wurden echte Bilder kosmischer Quellen von Gammastrahlen mit den höchsten Energien gewonnen, die jemals von astronomischen Objekten aufgezeichnet wurden. In den letzten zwanzig Jahren wurden aufregende Beobachtungen im Weltraum gemacht.
Die Spiegel der Teleskope bestehen jeweils aus 382 runden Spiegelfacetten mit einem Durchmesser von 60 cm. Die insgesamt 1.528 Spiegel der vier Teleskope bedecken zusammen eine Fläche von 432 Quadratmetern.
Die Gammastrahlen werden durch blaues Licht für die Kameras der Teleskope "sichtbar" gemacht - mit Hilfe der Tscherenkow-Blitze. Diese bläulichen Blitze wurden nach ihrem Entdecker, dem russischen Wissenschaftler Pawel Alexejewitsch Tscherenkow (1904-1990), benannt.
Zum zehnjährigen Bestehen des H.E.S.S.-Observatoriums in Namibia im Jahr 2012 wurde ein fünftes Teleskop hinzugefügt. Das fünfte H.E.S.S.-Teleskop ist derzeit das größte Spiegelteleskop der Welt. Es befindet sich in der Mitte des Quadrats, ist fast 40 m hoch und überragt die vier anderen Teleskope. Es hat einen Durchmesser von 28 m. Sein Spiegel hat 875 sechseckige Spiegelfacetten mit einem Durchmesser von je 90 cm. Die gesamte Spiegelfläche beträgt 614 Quadratmeter. Das kolossale Gesamtgewicht beträgt 600 Tonnen.
Alle fünf Teleskope wurden in Namibia von namibischen Unternehmen gebaut - eine wirklich stolze Leistung.
Das H.E.S.S.-Observatorium wird noch bis zur zweiten Hälfte des Jahres 2024 laufen, dann wird über das weitere Vorgehen entschieden.
Autorin dieses Beitrags ist Brigitte Weidlich.
Sie war nach ihrem Musik- und Germanistikstudium fast 20 Jahre lang als Berufsmusikerin tätig. Nebenbei machte sie Sendungen für das deutschsprachige Radio der Namibian Broadcasting Corporation (NBC). Inzwischen arbeitet Brigitte vollberuflich als freischaffende Journalistin im Print- und Rundfunksektor. Seit 2014 berichtet sie auch für Gondwana Collection. Für Fragen oder Anregungen ist sie zu erreichen unter info@namibiafocus.com.
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