Oshana, Omusati, Ohangwena, Oshikoto: die Regionen im zentralen Norden Namibias. Ihre Städte –Oshakati, Ondangwa, Oshivelo, Omuthiya, Okahao, Oshikuku, Ongwediva, Outapi und oh, da ist noch Eenhana – sind alles Orte, die normalerweise nicht auf der Reiseroute von Touristen stehen. Aber in diesen Städten ist der Großteil der namibischen Bevölkerung zu Hause. Der zentrale Norden des Landes ist die Gegend, in der Namibias Gründungspräsident geboren wurde; die Gegend, wo die meisten Minister Namibias das Licht der Welt erblickten, wo der bewaffnete Konflikt Mitte der 1960er Jahre begann, wo jahrzehntelang ein Guerillakrieg geführt wurde, wo ein Großteil der namibischen Bevölkerung zwischen den feindlichen Fronten ausharren musste und wo mit der Unabhängigkeit die größte Hoffnung auf bessere Lebensumstände keimte.
Das Ovamboland, wie dieser Teil des Nordens genannt wurde und auch heute noch genannt wird, liegt nördlich des Etosha-Nationalparks. Es ist das dichtbesiedelste Gebiet Namibias. Ackerbau und Viehzucht spielen eine wichtige Rolle. Doch die Grenzen zwischen urbaner und ländlicher Bevölkerung sind schwer zu erkennen. Von zu Hause betriebene Kleinstunternehmen neben internationalen Kaufhausketten. Kleine Läden in Wellblechhütten neben großen Einkaufszentren. Moderne Häuser neben traditionellen Hütten und Kraalen. Halbfertige Gebäude neben Weideflächen. Geplatzte Träume neben Erfolgsgeschichten. Protzige Regierungsgebäude neben Subsistenzfarmern.
Am frühen Morgen brät sich ein Mann auf einem einfachen Rost einen Vogel, den er erlegt hat, derweil einige hundert Meter entfernt eine Frau mit voller Einkaufstüte aus einem Geschäft kommt. Auf einem Hinterhof repariert jemand ein Fahrzeug inmitten zahlreicher ausgeschlachteter Autowracks, in einiger Entfernung werden Neuwagen angeboten. Überall suchen Rinder, Esel und Ziegen nach etwas Fressbarem. Am Ortsrand werden Felder bestellt, hauptsächlich wächst Perlhirse (Mahangu) wenn der Himmel gnädig ist und es ausreichend und regelmäßig regnen lässt. Mit einfachen Pflügen, gezogen von Eseln oder Ochsen, pflügen die Kommunalfarmer mühsam ihre Äcker. Manche können es sich leisten, vom Landwirtschaftsministerium einen Traktor mit Pflug zu mieten, um ihr Feld für die Aussaat vorzubereiten.
Verborgen zwischen Mahangufeldern, einfachen Unterkünften, Makalanipalmen und unzähligen sich immer wieder kreuzenden Wegen steht in der Nähe von Ondangwa die älteste Kirche des Ovambolandes. Sie wurde gegen Ende der 19. Jahrhunderts von der finnischen Mission in Olukonda gebaut. Nebenan befindet sich im einstigen Missionshaus das Nakambale Museum, benannt nach dem finnischen Missionar Martti Rautanen. Auf dem Friedhof der Kirche ist nicht nur der Missionar und seine Familie begraben, sondern auch Könige und traditionelle Führer der Ndonga, einem der zahlreichen Stämme der Ovambo, der größten Volksgruppe Namibias.
Nördlich von Ondangwa bei Eenhana ist das 2008 eingeweihte Kriegerdenkmal, der Eenhana-Schrein und Gedenkpark, zu besichtigen, der an den Freiheitskampf erinnern soll.
Überall am Straßenrand sind Bars, Shebeens genannt, zu sehen, die teilweise sehr originelle Namen haben: Water is Life Bar, Sorry Boss Bar, A Family Shebeen, Good Will Bar, Jungle Life Bar, Lavida Sport Bar, Mossie Bar, Oupa´s Bar, War Veterans‘ Bar, Key Lost Bar, Try again Shebeen oder Farmers’ Bar. Bei einem kurzen Halt und einer Erfrischung kommt man mit den Menschen in Kontakt; sie sind unkompliziert und fröhlich.
Die flache Landschaft wird oft von Makalanipalmen bestimmt, und die Palmen werden von den Kommunalfarmern genutzt. Die Stängel der Palmenblätter werden bei Einzäunungen verwendet, und die Fasern der Blätter werden geflochten und als Zaumzeug für Esel und zum Festbinden verschiedenster Dinge genutzt. Außerdem wird das Landschaftsbild von großen Marulabäumen geprägt, deren Früchte essbar sind. In manchen Gegenden überwiegen Mopanebäume und einige Akazien, den Nordwesten beherrscht vor allem der Baobab (Affenbrotbaum).
In der Regenzeit sind die unzähligen flachen Senken (ishana; Singular: oshana) mit Wasser gefüllt, aber in der trockenen Periode bilden sie weite Grasflächen. Auf dem Weg zum King-Nehale-Tor in den Etosha-Nationalpark können die ersten Wildtiere (Springböcke, Streifengnus) beobachtet werden, die zusammen mit den Rindern auf den Flächen weiden. Hier liegt die neueste Lodge von Gondwana Collection Namibia, Etosha King Nehale, die am 1. Mai ihre Tore und für Touristen den Weg sowohl ins Owamboland als auch nach Etosha öffnet. Weiter westlich ist der Oponono-See zu finden, ein wichtiges aber schwer erreichbares Feuchtgebiet nördlich des Nationalparks und der Etoscha-Pfanne.
Dirk Heinrich
SUBMIT YOUR COMMENT