„Iyaloo, Iyaloo!“ Mit dem Dankesruf beendet die Stammesälteste die Flut an Gebeten und Segnungen, mit der sie das vor ihr sitzende Hochzeitspaar überschüttet hat. Ringsherum trillern Frauen in traditionellen hellen Baumwollkleidern und lassen fröhlich ihre Kuhschwanzgerten durch die Luft sausen. Im namibischen Norden sind siebentägige Hochzeitsfeiern die kulturelle Norm...
Es ist der letzte Tag der einwöchigen Hochzeitsfeier – der Tag, an dem das frisch vermählte Paar das Familiengehöft des Bräutigams betritt. Zum Zeichen, dass eine Hochzeit im Gange ist, weht auf einem Marula-Baum eine weiße Fahne in der sanften Brise.
Der traditionelle Teil der ausgedehnten Feier endet mit der Beschenkung. Zu den Geschenken gehören die Rinder im Gehege nebenan. Sie sind dem Kochtopf entronnen und verfolgen das Geschehen gleichmütig, 38 Grad Hitze scheint sie nicht zu stören. Als die Gäste durch den Eingang im Palisadenzaun aus Mopane-Ästen das Gehöft betreten, färbt die untergehende Sonne bereits den Himmel über den Makalani-Palmen. Im Hof unter den Bäumen stehen elegant gedeckte Tische mit weißen Tischtüchern, das Festmahl wird warmgehalten und der DJ hat begonnen, sein beschwingtes Hochzeitsrepertoire zu spielen.
Der sekundenschnelle nahtlose Übergang vom Althergebrachten ins 21. Jahrhundert stellt für die Gäste kein Problem dar. Für mich, die ich zum ersten Mal eine Owambo-Hochzeit erlebe, ist die geglückte Verquickung von uralten Bräuchen, Märchentrauung in der Kirche und Feierlichkeiten im zeitgenössischen Stil eine Überraschung. Trotzdem macht alles irgendwie Sinn.
Viele junge Owambo-Paare, die in den Städten leben, feiern ihre Hochzeit zu Hause mit der Familie. Zu Hause – das sind die Regionen, die mit O beginnen und sich wie ein Puzzle nördlich des Etosha Nationalparks erstrecken.
Ich überlege, wie relevant das in unserer Zeit ist, und erfahre bald mehr. Eine junge Frau erläutert mir ihre Einstellung und bringt damit Klarheit in meine verschwommenen Überlegungen. „Unsere Traditionen machen uns zu dem, was wir sind. Sie prägen unsere Identität, sie bilden den Kern unserer Kultur“, erklärt sie. Eines Tages will auch sie ihre Hochzeit bei den Eltern im Norden feiern, trotz ihrer Berufstätigkeit in Windhoek und der damit verbundenen modernen Lebensweise.
Während wir im wohltuenden Schatten der Bäume bei den Gehöften und vor der Kirche auf die Ankunft des Brautpaares warten, forsche ich weiter und komme der Sache rasch auf den Grund. „Es geht darum, den Segen der Stammesältesten für die Ehe zu empfangen“, höre ich wieder und wieder. Der Segen scheint das altbewährte Rezept für eine glückliche, gesunde Ehe zu sein.
Nach der Ankündigung der Hochzeit werden Flaggen vor den Gehöften platziert, und damit beginnt die Woche der Feierlichkeiten. Zuerst kommen die traditionellen Bräuche. Einen Höhepunkt bildet die lobola Zeremonie Mitte der Woche: eine Abordnung des Bräutigams bringt der Familie der Braut Rinder als Brautgeschenk. Dieser Brauch ist im südlichen Afrika generell als lobola bekannt (auf Oshikwanyama oyuunda, auf Oshindonga iigonda. Die Abordnung kündigt sich durch Trillern und Gesang an, aber trotz der beträchtlichen Entfernung zwischen den Gehöften der Familien des Brautpaars und der entsprechend langen Anfahrt über staubige Schotterstraßen ist es Sitte, die Abordnung ein Weilchen vor dem Gehöft der Brautfamilie warten zu lassen. Erst dann düfen die Rinder in den kraal (das Viehgehege) gebracht und die Überbringer in den oshoto (Empfangsbereich) gebeten werden, um die feierliche Übergabe des Brautgeschenks mit einem Umtrunk mit dem hausgebrauten körnigen Hirsebier zu besiegeln.
Das Hochzeitsprotokoll bestimmt den Ablauf der gesamten Woche. Am Tag nach der Überreichung des Brautgeschenkes wird dem Bräutigam der Hochzeitsanzug mit allem Zubehör präsentiert. Gekleidet wird der Bräutigam von seinem Namensvetter. Jedes Kind erhält bei der Geburt den Namen einer Person, die als Vorbild dienen soll. Bei der Braut wird unterdessen ein Koffer mit dem Brautkleid und anderen nötigen, hochgeschätzten Gegenständen abgeliefert. Heiteres Geplänkel zwischen den Familien gehört ebenso zum Verlauf des Geschehens wie geduldiges Warten.
Am 5. Tag schließlich betritt das Brautpaar zur kirchlichen Trauung und den damit verbundenen Feierlichkeiten die moderne Welt – prachtvoll gekleidet und mit einem Gefolge von eleganten Brautjungfern und Trauzeugen.
Nach afrikanischer Sitte ist bei einer Hochzeit jeder eingeladen. Und jeder trägt etwas dazu bei, sei es Vieh, eine Spende für die Kirche oder die Mitwirkung bei den Beschenkungsfeierlichkeiten oder den Gebetssitzungen, die an den letzten beiden Tagen in beiden Gehöften stattfinden. Danach folgen ausgiebige Festessen. Erst geben sich die Eltern der Braut die Ehre, dann die des Bräutigams. Und nach den Festessen gehören Braut und Bräutigam endlich als Ehepaar zusammen.
Doch noch ist es nicht so weit. Sanfte Beleuchtung und zierliche Dekorationen, die an den Bäumen hängen, verzaubern an diesem besonderen Abend den einfachen Hof des Gehöfts. Die Tische sind mit Kristallgläsern und Rosen geschmückt. Als der Hochzeitsmarsch zu spielen beginnt, wenden sich alle Augen zum Eingang. Unter dem Beifall der Gäste tanzt die Gruppe von schicken Brautjungfern und Trauzeugen in einer Art Owambo-Bollywood-Stil herein, gefolgt vom strahlenden Brautpaar, ein Ebenbild der Liebe, das am Haupttisch Platz nimmt.
Diese anmutige, lebhafte Interpretation einer formellen Hochzeitsfeier wird mir immer in Erinnerung bleiben: ein Augenblick von Schönheit und Energie, wie ein helles Licht der Inspiration. Als die sengende Hitze des Tages einer frischen nächtlichen Brise wich und die Sterne durch die Wolken blinzelten, über denen die goldene Sichel des zunehmenden Mondes wachte, knallten an allen Tischen im Gleichklang die Korken. Die Gäste hoben die Gläser, um das glückliches Paar hochleben zu lassen und ihm alles Gute für den gemeinsamen Lebensweg zu wünschen.
Ich spürte förmlich, wie diese Segenswünsche mit der Abendbrise zu dem strahlenden Hochzeitspaar hinüberschwebten. Und ohne sonderliche Mühe konnte ich mir vorstellen, wie die Ahnen von dort oben herunterschauten – und lächelten.
Herzliche Glückwünsche an Rosalia und Nande Bamm. Wir wünschen dem reizenden Paar viel Freude, Glück und Segen.
Ron Swilling
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