Das fast schon schmerzende Zirpen in der glühenden Mittagshitze ist kaum auszuhalten. Zu entdecken sind die Verursacher der ohrenbetäubenden, hohen Töne jedoch so gut wie nie. Viele kennen das Geräusch, haben aber noch nie eine Zikade gesehen. Dabei gibt es laut Prof. Martin Villet von der Rhodes Universität in Südafrika allein in Namibia 48 Zikadenarten, die in 19 Gattungen eingeteilt sind. Einige Arten sind noch gar nicht richtig beschrieben worden und nur durch ein einzelnes Exemplar bekannt. Generell beschränkt sich das Wissen über diese Insekten auf so gut wie nichts.
Im südlichen Afrika kommen etwa 140 Arten vor. Zahlreiche sind endemisch, auch die vier bis fünf Arten, die in Namibia vorkommen, erklärt Prof. Villet. Die meisten hiesigen Arten haben nicht einmal einen Trivialnamen. Munza laticlavia, die auch in Windhoek zu finden ist, kommt in der Kalahari-Region in Namibia, Botswana und Südafrika, vor allem auf Kameldornbäumen (Acacia erioloba) und Kerzenakazien (Acacia hebeclada) vor. Laut dem namibischen Wissenschaftler John Irish gibt es in der Namib-Wüste mindestens eine Zikadenart, die auf Gräsern lebt. Die meisten Zikaden sind auf Bäumen und Büschen zu finden, wo sie sich in der kurzen Zeit ihres ausgewachsenen Lebens von Pflanzensäften ernähren.
Nur die Männchen „singen“. Oft ist ein zirpendes Männchen von weiteren Männchen umgeben, die jedoch schweigen und sich sofort an ein angelocktes Weibchen heranmachen. John Irish zufolge schalten die zirpenden männlichen Zikaden ihre Ohren ab, um ihrem eigenen Geräuschpegel zu entgehen. Zikaden können eine Lautstärke von 120 Dezibel erreichen, fast die Lautstärke eines Düsenflugzeuges. Für uns Menschen sind Lautstärken um die 50 dB (normales Gespräch, quakende Frösche) angenehm, bei etwa 100 dB (Kreissäge) wird die Unbehaglichkeitsschwelle und bei 120 dB die Schmerzgrenze erreicht. Die meisten Zikaden zirpen gut getarnt auf Zweigen und Ästen sitzend, aber einige Arten locken Weibchen auch im Flug mit ihrem „Gesang“ an. Mindestens eine in Namibia vorkommende Art erreicht eine Lautstärke von 106 dB.
Mit ihrem Trommelorgan können Zikaden Geräusche im Bereich 0,5 bis 25 Kilohertz erzeugen. Nur Singzikaden, die zur Gruppe der Rundkopfzikaden gehören, können für Menschen hörbare Laute hervorbringen. Durch ansetzende Muskeln werden Schallplatten im Trommelorgan am Beginn des Hinterleibs in Schwingung versetzt. Verdeckt wird das Organ durch einen Deckel, der vom letzten Brustsegment ausgeht, und häufig noch zusätzlich durch eine Platte am Trommelorgan selbst. Direkt unter dem sogenannten Singmuskel sorgt ein großer Luftsack für die notwendige Resonanz.
Die Weibchen legen ihre Eier meist in Schlitzen in Zweigen ab. Die frisch geschlüpften Larven klettern den Baum oder Busch hinunter und graben sich mit ihren kräftigen Vorderbeinen im Erdreich ein. Sie leben manchmal für sehr lange Zeit im Boden, wo sie sich von Wurzelsäften ernähren. Mindestens ein Jahr bleiben die Larven unter der Erde, einige bis zu einem Jahrzehnt, bevor sie, ein bis zwei Zentimeter lang, wieder an die Oberfläche kommen. Die Larven klettern an einem Baumstamm hoch und kurz darauf schlüpft das ausgewachsene Tier, das sofort flugfähig ist. Am Baumstamm bleibt die trockene Haut der Larve zurück. Knappe vier Wochen dauert das Leben einer ausgewachsenen Zikade. In dieser Zeit muss sie einen Partner finden, sich paaren und für Nachwuchs sorgen. Erschwerend kommt hinzu, dass Zikaden sehr viele Feinde haben, darunter zahlreiche Vogelarten wie Bienenfresser.
So gut wie nichts ist über den Lebenslauf der hiesigen Zikaden bekannt. Es gibt einige Arten, die sich auf ganz bestimmte Pflanzen spezialisiert haben, aber es muss noch sehr viel Forschung betrieben werden, um diese wenige Zentimeter großen Insekten zu verstehen. Die meisten sind etwa 2,5 cm lang und haben eine Flügelspannweite von 6 bis 8 cm. Ihre imposante Geräuschkulisse kennen wir, aber ihre Lebensweise ist noch weitgehend ein Geheimnis.
Dirk Heinrich
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