Ein hervorstechendes Merkmal in der Umgebung des Fischflusses ist die Spitze des Spiegelbergs. Der Gipfel überragt die anderen Bergspitzen und Plateaus zwischen dem Konkiep- und dem Fischfluss, deshalb verwundert es nicht, dass sie schon immer viele Bergsteiger anzog.
Mir fiel sie in den späten 90er Jahren auf, als die erste Lodge von Gondwana Collection Namibia, die Canyon Lodge, errichtet wurde. Einmal gesehen, vergisst man die charakteristische Form des Spiegelbergs nicht wieder. Nordwestlich von Ai-Ais ragt sie stolz über die Landschaft. Ursprünglich auf Karten als Schaumberg bezeichnet, wurde er auch als Spiegelkopf (Spieelkop) und Spiegelberg bekannt, nachdem zu Beginn des letzten Jahrhunderts die Deutschen eine Heliographen-Station auf einem unteren Ausläufer errichteten. Ich fragte mich, ob wohl jemals eine Person den Spiegelberg bestiegen hatte.
Meine Recherchen führten mich auf die Spur eines südafrikanischen Bergsteigers, Denis Woods, dem die Spitze während eines Aufenthaltes 1940 mit Freunden am unteren Fischfluss aufgefallen war. Sehnsüchtig blickten sie darauf, hatten jedoch keine ausreichenden Essens- oder Wasservorräte, um einen Aufstieg zu wagen. Woods beschrieb die Spitze als kuppelartig mit Vorsprüngen in der Form eines kleinen Keils oder einer Messerschneide an den jeweiligen Enden des Grats. Am eindrucksvollsten schien die Ansicht von Norden und Süden, von wo aus die Bergspitze einem Kirchturm ähnelte.
Woods folgte letztendlich dem Ruf des Spiegelbergs, der ihn über Jahre begleitet hatte. 1942 kehrte er mit seinen Freunden im Urlaub in das Gebiet zurück, um es näher zu erforschen und beschloss, den Spiegelberg solo zu erkunden. Es sollte nicht sein - mehrere verbissene Versuche, die faszinierende Spitze über verschiedene Routen zu ersteigen, scheiterten. Er erkannte, dass es wegen starker Verwitterung des Gesteins sicherer war, den Aufstieg zu zweit zu unternehmen und überließ diese Herausforderung zukünftigen Kletterenthusiasten.
Erst zwanzig Jahre später, 1966, brachen sechs Bergsteiger des Mountain Club of South West Africa auf der Suche nach neuen Herausforderungen auf, um den Gipfel zu bezwingen. Friedrich Schreiber, ein Mitglied der Gruppe, war der Spiegelberg 1957 aufgefallen. Wie bereits zuvor Denis Woods hatte auch ihn die Ähnlichkeit zum Matterhorn in den Alpen fasziniert. Bevor der Fischfluss Canyon zu der heutigen beliebten Touristenattraktion wurde, gab es nur wenige Farmen und spärliche Information über den Berg. Den Farmern war er lediglich als Spiegelberg bekannt.
Die Gruppe traf am Osterwochenende vom 6. April 1966 abends in Ai Ais ein und startete früh am folgenden Morgen zu ihrer Expedition. Der Fischfluss, der nach einer guten Regensaison stark floss, stellte das erste Hindernis dar. Mit Wasser bis zur Brust wurde er durchwatet. Von dort war es ein 16 Kilometer Marsch bis zum Spiegelberg. Die Zeit und ihre Wasservorräte ließen eine geplante Übernachtung am Fuße des Berges nicht zu. Die 10 Liter Wasser pro Person reichten nicht aus, um den Durst in der sengenden Hitze mit Temperaturen um 50 Grad zu löschen. Das Team hatte des Weiteren auch die Essensration für zwei Tage zu tragen wie auch die gesamte Kletterausrüstung - zu der damaligen Zeit in den 60ern noch eine schwere Last. Zu ihrer Freude fanden sie auf ihrer Route ein liegengebliebenes Fass mit abgestandenem Wasser, das ihnen allerdings Magenverstimmung bescherte.
Am nächsten Morgen beschloss man, sich in zwei Gruppen aufzuteilen. Die zwei Frauen, Hiltila Marggraff und Anni Scheuermann, blieben im Camp zurück, während der Rest der Gruppe bestehend aus Friedrich Schreiber, Peter von Wrede, Andre Burger und Klaus von Ludwiger aufbrach, um das höchstgelegene Plateau, das ohne Seile erreichbar war, unter der Führung von Friedrich Schreiber zu erklimmen. Ein leichter Regen verursachte Steinschlag. Ohne ihre Helme hätte es ernsthafte Verletzungen gegeben. Von Ludwiger betrachtete die Pyramide aus Schiefer und Sandstein vom Fuß des Berges aus, während die anderen drei die verbleibenden 170 m zum Gipfel mit Hilfe von Seilen in Angriff nahmen, um schließlich 1170 Meter über den rauschenden Wassern des Fischflusses zu stehen.
Von dort oben genossen sie eine 360 Grad Aussicht auf die Hunsberge im Westen, östlich die spektakulären Wände des Fischfluss Canyons und das grüne Tal des Oranje Flusses im Süden.
Über die Jahre hinweg begeisterte der Spiegelberg unentwegt Sportkletterer. Nur drei Mitglieder der damaligen Gruppe sind noch am Leben. Friedrich Schreiber, ein bekannter Farmer im Süden des Landes, kam auf tragische Weise bei einem Hubschrauberunfall ums Leben, Hiltila Marggraff starb bei einem Bergunfall im Khomas Hochland kurz vor ihrem 70. Geburtstag. Die Zeit vergeht, doch unbeeindruckt davon ragt der Berg mit seiner markanten Felsspitze noch immer in den blauen Himmel, mit unvergleichlicher Aussicht auf den Fischfluss Canyon.
Padlangs: Manni Goldbeck
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