Den zweitgrößten Canyon der Welt im Süden Namibias mit eigenen Augen zu sehen, ist ein beeindruckendes Erlebnis. Wer am Hobas-Aussichtspunkt in den Fischfluss Canyon sieht und den Rundblick über die zerklüftete Landschaft genießt, kommt aus dem Staunen nicht heraus. In schier endlosen Schleifen bahnt sich der Fischfluss 160 Kilometer weit seinen Weg durch die bizarre Canyonwelt, teilweise in fast 550 Metern Tiefe. Viele Besucher würden der Faszination, die die gähnende Schlucht ausstrahlt, gern nachgeben. Doch der Abstieg in den Canyon ist hier wegen Sicherheitsbedenken nicht gestattet.
Wer gern einen wesentlich tieferen Einblick in den Canyon bekommen möchte, kann dieses Naturschauspiel aus einer ganz anderen Perspektive erleben. In den kühleren Monaten des Jahres, von April bis September, werden verschiedene Wanderungen durch den Fischfluss Canyon angeboten.
Dazu gehört auch der Klipspringer Trail von Gondwana Collection Namibia im nördlichen Teil des Fischfluss Canyons, der nicht allzu hohe Anforderungen an die körperliche Fitness stellt. 17 Kilometer in drei Tagen, drei Übernachtungen in Selbstversorgercamps. Unser Gepäck wird von Camp zu Camp transportiert, während wir mit einem leichten Rucksack auf dem Rücken unterwegs sind.
Nicht ganz so gewandt wie Klippspringer
Wenn man in den frühen Morgenstunden in die Stille und Erhabenheit des Fischfluss Canyons hinabsteigt, bleiben Hektik, Stress und Sorgen zurück.
Und wir sehen sie wirklich, die eleganten Klippspringer, nach denen unsere Wanderung benannt ist. Sie beobachten unseren Abstieg. An rauen Steilwänden springen sie leichtfüßig von Fels zu Fels und wundern sich, warum wir schwierige Stellen sicherheitshalber auf dem Hinterteil rutschend hinter uns bringen.
Unten angekommen ist da plötzlich nichts mehr als faszinierende Felsformationen und das Knirschen unserer Schritte im festen Sand des trockenen Flussbetts. Jeder hängt seinen Gedanken nach. Es ist fast so, als wäre in diesem Jahrmillionen alten geologischen Wunderwerk die Zeit stehengeblieben. Man kann gar nicht anders, man kommt zur Ruhe.
Immer wieder bleiben wir stehen, bewundern beeindruckende Felsformationen und entdecken Tierspuren, die uns daran erinnern, dass wir in dieser unwirtlichen Landschaft nicht allein sind. Zwischendurch erscheint zwischen den gedeckten Braun- und Grautönen der Felsschlucht eine grüne Oase. Der Fischfluss, der wenn überhaupt nur in der Regenzeit fließt, zeigt sich in den namibischen Wintermonaten in Form von kühlen Pools, in denen nur die abgehärtetsten unter uns baden. Und ja – das Wasser ist s..kalt!
Bei entspanntem Tempo erreichen wir unsere Canyon Klipspringer Camps jeweils am Nachmittag. Unser Gepäck und Versorgungsgüter warten schon auf uns, sodass wir die Essenszubereitung gemächlich angehen können. Eine warme Dusche und das gemütliche Beisammensein am Lagerfreuer unter funkelnden Sternen runden den perfekten Tag stimmungsvoll ab.
Innehalten, bevor es zurückgeht ins wahre Leben
Schließlich bleib uns nichts anderes übrig: Wir müssen den Canyon verlassen und machen uns nach einigen Stunden Wanderung an den Aufstieg. Der ist etwas anstrengend, aber am Ende wartet eine Belohnung. Das Horseshoe Camp liegt direkt am Rand des Canyons und bietet eine atemberaubende Aussicht.
Abends sitzen wir am Canyonrand und erleben, wie die Welt in ein sattes Gold und Orange gehüllt wird. Wir genießen noch einmal die Erhabenheit der Canyonlandschaft und lassen zum letzten Mal die Seele baumeln. Wir sind dem Fischfluss Canyon im wahrsten Sinne des Wortes auf den Grund gegangen, eine einzigartige Erfahrung, die mit dem Blick vom Hobas-Aussichtspunkt in den Canyon nicht zu vergleichen ist. Uns wird bewusst, wie besonders diese Wanderung ist.
Morgen geht es zurück ins wahre Leben. Doch bis dahin dauert es noch ein bisschen und wir legen die Köpfe in den Nacken, um die Abermillionen Sterne am klaren Nachthimmel zu bewundern und Sternschnuppen zu zählen. Ich habe einen Wunsch frei. Vermutlich können Sie sich denken, wie er lautet...
Inke Stoldt arbeitete 20 Jahre lang als Rundfunkredakteurin und –moderatorin, bis sie 2010 im Bereich Öffentlichkeitsarbeit bei Gondwana Collection Namibia tätig wurde. Seit der Einführung der Namibia Focus-Webseite 2018 ist sie Teil des Redaktionsteams.
Fotos: Inke Stoldt & Gondwana Collection Namibia
SUBMIT YOUR COMMENT