Der Farmer Volker Dickhoff staunte nicht schlecht, als er mit einem seiner Angestellten am 28. Februar dieses Jahres (2020) bei einem Viehposten eine Racke fangen konnte. An ihrem Fuß trug sie einen nummerierten Metallring und am rechten Bein einen gelben Farbring mit der Aufschrift VW3. Neben einer sechsstelligen Zahl (304956) stand auf dem Metallring MUS BELGRADE. Farmer Dickhoff brachte den farbenfrohen Vogel nach Hause, setzte ihn in einen Käfig und fütterte das kranke Tier mit „Dickpensen“ (Sattelschrecken), die der Vogel annahm und verspeiste.
Nachdem mich der Farmer über seinen Fund informiert hatte, bat ich ihn, den Vogel so schnell wie möglich nach Windhoek zu bringen, damit er in die Obhut von Liz Komen von NARREC (Namibia Animal Rehabilitation Research and Education Center) gebracht werden konnte. Die gelernte Tierärztliche Assistentin versorgt seit 1989 vor allem verletzte und kranke Raubvögel, aber hin und wieder auch andere Vogelarten.
Nachforschungen ergaben, dass die Blauracke in Serbien in Atar sela Obornjača, Bačaka Topola von Jožef Sihelnik am 12. Juli 2019 als Küken in einem Nistkasten beringt worden war. Dr. Daliborka Stanković vom Center for Animal Marking vom Natural History Museum in Belgrad fand es sehr aufregend, erstmals eine Rückmeldung aus Namibia zu erhalten. Die Blauracke war nach 231 Tagen 7386 Kilometer vom Ort des Beringens auf der Farm La Paloma im Distrikt Otjiwarongo in der Otjozondjupa-Region gefunden worden.
Am 5. März 2020 kam die knapp neun Monate alte Blauracke in das Rehabilitationszentrum NARREC bei Windhoek. Zwölf Tage später (17. März) ließ Liz Komen den Vogel wieder frei, da er sich gut erholt hatte. Um NARREC herum ist es grün, es gibt unzählige Sattelschrecken und andere Insekten. Liz Komen hofft, dass sich die Racke bei dem reichhaltigen Nahrungsangebot ausreichend Reserven aufbaut, um den langen Weg nach Serbien anzupacken.
In Namibia sind fünf Rackenarten zu finden. Die Blauracke die einzige, die aus Europa in unser Land kommt und nicht hier brütet. Der Zimtroller ist ein Inter-Afrika-Zugvogel und brütet hierzulande. Gabel-, Strichel- und Spatelracken bleiben in Namibia und brüten hier.
Für Furore sorgte im vergangenen Jahr eine in Italien mit einem Satellitenpeilsender ausgerüstete Blauracke, die ihre Reise nach Süden im Jahre 2018 mit einem Flug über 800 km über das Mittelmeer begann, was sie in einer Nacht schaffte. Anschließend überquerte der knapp 150 Gramm schwere Vogel die Sahara in 4000 Meter Höhe mit einer Geschwindigkeit von 113 Stundenkilometern. Ziel war der östliche Teil des Etosha-Nationalparks in Namibia, wo die Blauracke einige Wochen verweilte. Danach machte sie sich wieder auf den langen Weg nach Norden über Angola, Demokratische Republik Kongo, diesmal weiter westlich über die Sahara, Tunesien und zurück nach Italien. Rechtzeitig im Sommer auf der nördlichen Halbkugel und zur Brutzeit war der Vogel im Mai 2019 zurück an seinem Brutkasten auf dem Mast einer Hochspannungsleitung in der Nähe von Rom.
Wir hoffen, dass auch die Blauracke mit dem Farbring VW3 den Weg über Afrika zurück nach Serbien schafft. Das Rehabilitationszentrum NARREC, in dem die Racke aufgepäppelt wurde, ist auf Spenden angewiesen, um Vögel zu rehabilitieren und um die Bevölkerung vor allem in den ländlichen Gebieten über Pestizide, Gift und Naturschutz aufzuklären. Weitere Informationen bei Liz Komen unter Tel.: +264 61 264409 oder +264 81 129 0565.
Blauracken sind weltweit als potenziell gefährdet eingestuft worden. In Italien sind sie u.a. von Wilderern bedroht. Ihre Küken werden aus Nistkästen „gestohlen“. Zudem werden jährlich hunderttausende Vögel, darunter Blauracken, auf der arabischen Halbinsel gefangen und verspeist.
Dirk Heinrich
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