Du warst schon mehrmals in Afrika und hast die bekannten und unbekannten Highlights Namibias für dich entdeckt? Es zieht Dich zurück nach Namibia, aber Du kennst die Elefanten in Etoscha schon beim Namen, und der Sand der Namibdünen hat sich bereits in Deine Wanderschuhe eingearbeitet? Längst hast Du namibische Dauerbräune und bist an deutschen Straßenkreuzungen immer wieder versucht, in die linke statt die rechte Straßenseite einzufahren? Kurz: Du fühlst Dich in Namibia wie zu Hause und suchst neue Herausforderungen, möchtest Neues entdecken? Nur was und wohin?
Nach über hundert Besuchen in Namibia teile ich diese Sehnsucht, genauso wie meine Eltern (82 und 71) die selbst in den letzten 30 Jahren sicher 25 mal vor Ort waren. Gemeinsam mit meiner 10jährigen Tochter (bereits 11 mal in Namibia) wünschen wir uns ein Erlebnis abseits der ausgetretenen Touristenpfade.
Bei unseren vorherigen Aufenthalten haben wir in Namibia oft den Kontakt zu den Einheimischen vermisst, der in Simbabwe und Sambia leichter zu knüpfen ist. Deshalb ist ein Ziel unserer Reise, fünf Tage in ländliche Gebiete in der Sambesi-Region im Nordosten zu fahren, um ein anderes Namibia weit ab von populären Reiserouten zu sehen, mit Leuten zu sprechen, und die Lebensumstände der Gewerbetreibenden und Fischer kennenzulernen. Mein Vater und ich (beide Bäcker) wünschen uns den Besuch einer Bäckerei und meine Tochter will gerne einen Schultag miterleben. Falls möglich möchten wir sonntags auch an einem Gottesdienst teilnehmen.
Um die uns in der Region zur Verfügung stehenden Tage optimal zu nutzen, haben wir mit den Managern der Gondwana Lodges Chobe River Camp und Zambezi Mubala Lodge Kontakt aufgenommen. Mit ihrer Hilfe entstehen Möglichkeiten, um teils selbstständig, teils mit lokaler Führung Einblicke zu bekommen, die sonst nur schwer möglich gewesen wären.
Von Windhoek aus fahren wir weit in die Sambesi-Region, um das Farmland hinter uns zu lassen. Hinter dem Mururani Gate auf dem Weg nach Rundu beginnen die Communal Lands. Hier findet viel Alltag entlang der Verkehrsader statt. Rundhütten aus Lehm und Stroh säumen die Schnellstraße. Kinder in Schuluniform laufen am Straßenrand, Esel wälzen sich im Staub und überall werden Waren wie Obst, Gemüse, Feuerholz oder Souvenirs angeboten.
Unsere Tour bringt uns nach langer Fahrt zum Ngepi Camp am Okavango und weiter an den Kwando, wo wir im Nambwa Camp entspannen, um die Wildnis zu genießen. Dann wechseln wir in die Zambezi Mubala Lodge und tauschen unsere Zelte mit dem außergewöhnlichen, modernen Design der Chalets am Fluss.
Besuch der Markthallen in Katima Mulilo
Nach einem „early morning breakfast“ treffen wir nach kurzer Fahrt im nahen Katima Mulilo unseren Guide. Hier in der Hauptstadt der Region treffen viele Menschen mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund zusammen und prägen damit das bunte Bild der turbulenten Kleinstadt. Die teilweise offenen Grenzen zu Sambia, Angola, Botswana und Simbabwe sind nicht weit entfernt, deshalb treffen sich verschiedenste Händler in der Stadt. Sie sind mit dem Pickup, Esel oder Fahrrad, manche auch Fuß unterwegs.
Unser erstes Ziel sind die Markthallen, deren buntes Treiben uns auch an weniger stark frequentierten Tagen wie diesem sehr fasziniert. Auf dem halboffenen Fischmarkt gibt es alle Flussfische der Region in allen Zuständen, die wir uns vorstellen können, von fangfrisch bis zum sonnengegerbten Trockenfisch. Der Fischgeruch ist wegen der offenen Bauweise des Gebäudes nicht unangenehm. Wir kommen mit einigen Verkäuferinnen ins Gespräch und sind die Exoten auf dem Markt, da hier nur selten Touristen zu sehen sind. Meine Tochter knüpft schnell Kontakt mit anderen Kindern vor und hinter den Verkaufsbänken und läuft mit ihnen durch die Halle.
Ein Stück weiter lernen wir Näherinnen kennen, die zu zweit pro Tag 50 Schuluniformen herstellen. Gut gelaunt erklären sie uns ihre Arbeit. Dann bummeln wir an den zahlreichen weiteren Ständen mit Schneiderinnen entlang. Die Vielfalt an Stoffen und Schnitten ist groß. Marlene sucht sich ein elegantes Kleid mit Leopardenmuster für das Abendessen in der Lodge aus.
Wir besuchen einen kleinen Perücken-Shop, bei dem meine Mutter zur Belustigung aller umstehenden die ausgefallensten Perücken anprobiert. Die Damen berichten uns, dass wir die ersten Weißen sind, die den Laden besucht haben. Nach einer herzlichen Verabschiedung folgen wir dem leckeren Geruch in eine kleines Restaurant in dem für alle Maisbrei mit Sauce und Fisch auf offenem Feuer gekocht und auf bunten Tellern verkauft wird. Der kleine Gastraum mit dem gemauerten Tisch, an dem über die Jahre schon viele Leute zusammen gegessen und getrunken haben, strömt Gemütlichkeit aus, die mich fasziniert. Wir werden von der jungen Köchin begrüßt und eingeladen, alles zu fotografieren.
Gleich dahinter fällt das Blau des MTC Shops, der lokalen Telefonfirma, ins Auge. Davor ein polierter Bentley zufällig bewacht von zwei Sicherheitsleuten, die auf den Markt aufpassen sollen. Er gehört wohl einem der lokalen Politiker. Vielleicht nicht das beste Fahrzeug für die unwegsamen Ecken um Katima herum, aber sicher ein Statussymbol.
Ein Tag mit den Fishguards am Sambesi
Nach einem Mittagssnack besuchen wir die Fishguards; ein wichtiges Projekt, das von Gondwana Collection durch die nahe gelegenen Zambezi Mubala Lodge und Camp unterstützt wird. Der Sambesi, der hier die Grenze zwischen Namibia und Sambia bildet, ist für viele Familien am Fluss ihre Lebensgrundlage. Er dient nicht nur als unmittelbare Nahrungsquelle, sondern liefert auch begehrte Handelsware bis in weit entfernte Dörfer im Hinterland. Viele Abschnitte sind für die Fischerei freigegeben.
In den letzten Jahren werden es jedoch immer mehr Fischer, da der fischreiche Fluss ein sicheres Einkommen bietet. Noch! Leider werden vor allem auf sambischer Seite keine echten Netze mehr an die Fischer verkauft sondern Moskitonetze, berichtet uns der Fishguard. Die sind stabil, billig und leicht zu bekommen. Allerdings sind sie so engmaschig, dass sich auch die kleinste Fischbrut darin verfängt und die Gefahr besteht, dass in ein paar Jahren mangels Nachwuchs kaum mehr Fische im Fluss leben werden. Außerdem werden die alten Netze, weil sie so billig sind, meist im Fluß zurückgelassen, wenn sie sich mal im Schilf verfangen haben. So töten sie ohne Nutzen weiterhin Fische und tragen zum Plastikmüll im Fluss bei.
Wir begleiteten die Sikunga Fishguards mit einem Boot auf ihrer Patrouille. Sie klären in den Dörfern die Familien, die hier unter einfachsten Bedingungen von Fluss leben, über die Risiken der Moskitonetzfischerei auf. Sprechen mal mit Kindern und Jugendlichen, mal mit einem Chief. Konfiszieren Netze oder sammeln sie ein, wenn sie im Grün des Ufers hängen. Mit ihrem schnellen Boot können sie mühelos die Kanus der einheimischen Fischer einholen und illegale Netze mitnehmen. Wichtig dabei ist die Diplomatie, erklärt uns der Fishguard, mit der die Männer auf die Fischer zugehen. Nur dann werden sie versuchen, nachhaltigere Netze zu kaufen und die Fishguards als Helfer wahrzunehmen.
Das Projekt baut auf Aufklärung und das Angebot von Alternativen auf, wie z.B. großmaschigere Netze. Die Fishguards wollen die Lebensgrundlage der Fischer nicht gefährden, sondern sie erhalten, damit der Fluss auch noch Lebensgrundlage für spätere Generationen sein kann, wenn man seine Diversität erhält. Zurück am Ufer verabschieden wir uns beeindruckt.
An diesem Nachmittag bekommen wir die Möglichkeit, mit den Fischern auf der sambischen Seite zu sprechen. Sie zeigen uns, wie sie die Fische haltbar machen. Einige werden geräuchert, andere in der Sonne getrocknet oder in Salz eingelegt.
Die Fishguards treffen wir am nächsten Morgen wieder, knietief in gesammelten Netzen der letzten Woche. Ein für uns überraschend großer Berg, der wie jede Woche angezündet wird. Der Chef der Gruppe, der schon viele Jahre als Ranger in der Region gearbeitet hat, erzählt uns mit leichtem Kopfschütteln, das er die Lebensumstände der Fischer bedauert und ihr Handeln - Moskitonetze zu nutzen – versteht. Niemand sollte mit so wenig auskommen müssen wie die sambischen Fischer in dieser Region. Aber trotzdem muss weitergedacht werden und die Fische auch für die nächste Generation erhalten werden.
Kirchenbesuch voller Freude
Es ist Sonntag, Zeit für unseren Kirchenbesuch. Wie bei uns steht einem die Teilnahme am Gottesdienst frei und man braucht für diesen Einblick eigentlich nichts extra organisieren. Doch beginnen die Kirchen nicht überall zur gleichen Zeit und wir wollen uns als ein Teil der Gemeinschaft fühlen und nicht als kuriose Weiße gesehen werden, deshalb erkundigten wir uns im Vorfeld nach Uhrzeit und Ablauf und baten darum, teilnehmen zu dürfen. Nun weiß die Gemeinde über unseren Besuch Bescheid und empfängt uns herzlich. Da noch etwas Zeit bleibt, wird uns stolz der Kindergarten und die Vorschule gezeigt, bevor wir mit allen in der Kirche Platz nehmen.
Singend und tanzend kommen die Ministranten mit leuchtenden gelben Kleidern in die Kirche. Der helle Raum ist schlicht, das Kreuz hängt zentral in der Mitte. Die heilige Maria ist der einzige Farbtupfer und scheint für mich wie ein Stück Heimat in der Fremde. Die klassische große Schnitzfigur blickt erhaben über die afrikanische Gemeinde, genauso wie in einer alpenländischen Kirche, nur hat sie hier mehr Publikum und Freude im Haus.
Es wird sowohl in Englisch als auch in regionalen Dialekten gepredigt, gesungen und gebetet.
Eine Musikgruppe unterstützte die Lieder mit selbstgebauten oder traditionellen Instrumenten.
Obwohl wir schon öfters ähnliche Zeremonien miterlebt haben, ist es immer wieder berührend wie sich das Christliche Band über die Welt spannt und wir uns als Teil davon fühlen können.
Nach dem langen Gottesdienst verabschieden wir uns herzlich und fahren zurück in die Lodge für eine Mittagsrast.
Da kündigt sich eine große Rinderherde mit ihrer Staubfahne schon von Weitem an. Sie kreuzt unseren Weg und wir sprechen einen der Hirten an. Er berichtet, dass sie neues Grasland aufsuchen wollen, das vom letzten Sambesihochwasser profitierte, und dorthin noch viele Kilometer unterwegs sein werden. Wir versuchen ein Stück mitzulaufen, aber die Rinder sind mitsamt ihren Hirten überraschend schnell und bringen uns in der Mittagssonne so stark zum Schwitzen, dass wir nicht mithalten können. Wir lassen sie mit guten Wünschen in ihrer Staubwolke zurück, dankbar für die kühlen Getränke, die uns in der Lodge erwarten.
Gemeinsames Backen in namibischer Bäckerei
Entspannt suchen wir am Nachmittag nach der uns empfohlenen Bäckerei. Kreuz und quer fahren wir auf Schotterpisten, vorbei an kleinen Hütten und gemauerten Häusern, bis wir unter einem schattigen Baum parken. Vier Frauen in auffällig bunten Kleidern warten schon auf uns. Eine Begrüßung wie für Freunde, die man lange nicht gesehen hat, ebnet uns den Weg ins Dorf. Hier warten die Kinder, die Ältesten, die Bäckersfamilie und Helfer auf unser Eintreffen und das gemeinsame Backen.
Die typischen Plastikstühle sind wie für eine Theateraufführung aufgebaut und wir dürfen uns setzen. Im Lehmofen brennt ein stattliches Feuer. Daneben steht ein Tisch mit weißer Tischdecke. Ein hohes Blech, Öl und ein Eimer sind vorbereitet.
Eine große Box wird gebracht und die Damen in den farbenfrohen Tanzkleidern ehren uns mit einer beeindruckenden Vorführung. In der ausgelassenen Stimmung, dem Gelächter und der Musik fühlen wir uns wie Gäste auf einer gelungenen Party. Schließlich werden die Hände und das Blech geölt und die Bäckerinnen formen aus dem fertigen Teig perfekt gleichmäßige Kugeln und setzen sie eng auf das Blech.
Dann sind mein Vater und ich an der Reihe. Wir schlingen Brezen und flechten einen Hefezopf. Ich erzähle die Geschichte der Erfindung der Breze, die von einem König handelt, der seine Tochter nur dem Mann zur Frau geben wollte, der ein Gebäck herstellt, in dem drei mal die Sonne gleichzeitig aufgeht. Das war ein Lacherfolg bei der sowieso schon sehr lustigen Gesellschaft.
Zwei Männer kehren die Glut aus dem Erdofen und das Blech mit den glänzenden Teiglingen wird hineingeschoben. Eine schwere Metallplatte dient als Tür. Nach kurzer Zeit wird nachgeschaut,“all good“, und ein Daumen hoch kommt uns mit dem Duft von gebackenem Hefeteig entgegen.
Nach wenigen Minuten stehen alle um den Tisch und das noch heiße Brot wird verteilt. Dazu gibt es frisch gebratenen Sambesibarsch, der auf einem großen Fischteller von einem zum anderen gereicht wird. Jeder bedient sich mit der Hand und belegt das frische Gebäck. Ein Genuss!
Nur meine Tochter hat keine Zeit zum Essen. Sie hat Freunde gefunden und bekommt Töpferunterricht. Die Kinder sind mit Lehm geübt und zeigen ihr, wie ein Flusspferd zu formen ist. Nach tatkräftiger Unterstützung der kleinen Experten und viel Gelächter kann sie ihr eigenes kleines Hippo mit nach Hause nehmen.
Voll mit Erlebnissen und begleitet von der Herzlichkeit unserer Gastgeber kehren wir zur Lodge zurück.
Schulbesuch in der Sambesi-Region
Im kalten Morgengrauen, noch bevor die Sonne ihre wärmenden Strahlen auf den großen Fluss wirft und ihn zum ersten Glitzern bringt, brechen wir auf. Leichte Nebelschwaden kräuseln sich hinter dem schnellen Boot, in dem uns die Lodgemanagerin zum Parkplatz bringt. Trotz dicker Jacken wechseln wir durchgefroren am Anlegesteg ins Auto. Die Heizung kommt eben erst auf Touren, als wir schon auf den staubigen Parkplatz der Schule rollen. Die letzten Kinder kommen nach vielen Kilometern Schulweg mit staubigen Füßen an. Sie ziehen ihre Schuhe an, die geschont im Beutel getragen wurden, und gehen in ihren Klassenraum.
Nach diesem ersten Eindruck werden wir vom Direktor begrüßt und zu Fisch mit Maisbrei und Wassergemüse eingeladen. Die Sekretärin geht mit einem Krug warmem Wasser um den Tisch und wir waschen unsere Hände, bevor wir gemeinsam den Fisch teilen. Fledermäuse leben im Dachstuhl und schauen neugierig durch die kaputte Decke zu uns herunter.
Wir starten unseren Schulbesuch in den oberen Jahrgängen und beenden ihn in der Vorschule. Die meisten Klassenräume sind aus verputztem Backstein ordentlich gebaut. Es gibt keine Elektronik, nur Bücher, Papier und Stifte, sowie eine große Tafel mit Kreide, Karten und Schaubildern zum Aufhängen. In den oberen Klassen werden Ausflüge zur Lodge organisiert. Die Klassenbesten dürfen dort ein Praktikum machen, um die andere Welt kennen zu lernen, die Namibia prägt und in der so viele Familien Arbeit finden.
Mittagspause: Zunächst heißt es für alle Händewaschen an den beiden Wasserhähnen, dann stehen die Kinder an der offenen Küche an. Es gibt für alle Sadza, ungewürzten Maisbrei ähnlich wie Polenta, am offenen Feuer gekocht. Hier mäkelt niemand und es scheint auch keine Allergien oder Unverträglichkeiten zu geben wie so oft an mitteleuropäischen Schulen.
Wir erfahren, dass weitere Klassenräume benötigt werden, um den vielen SchülerInnen Platz bieten zu können. Da zur Zeit für diesen Zweck keine öffentlichen Gelder bewilligt werden, bauen die Eltern mit eigenen Händen in traditioneller Bauweise Gebäude aus Holz und Lehm und vergrößern so die Schule.
Der Besuch der Schule beeindruckt uns und vor allem meine Tochter sehr. Überall scheinen die Kinder mit Freude zu lernen und den Schulbesuch als Privileg wahrzunehmen, um eines Tages ihre persönliche Situation und die der Eltern verbessern zu können. Ich stimme aus ganzem Herzen zu. Die Investition in Bildung bleibt die beste Hilfe um Kindern und Jugendlichen, ihren Familien und ihrer Umwelt eine positive Zukunft zu ermöglichen.
Zurück in unserer Unterkunft fesseln uns die Eindrücke des Tages und wir tauschen uns lebhaft am Lagerfeuer aus.
Wir fühlen uns glücklich und beschenkt. Die vielen Begegnungen mit beeindruckenden Menschen und faszinierenden Eindrücke werden uns noch lange begleiten.
Das nächste Mal in Namibia tauchen wir vielleicht in eine andere Gegend tiefer ein. Diese Reise hat Lust auf die ganze Erlebnispalette Afrikas gemacht.
Was ist Euer nächstes Ziel??
Autor und Fotos: Lambert Heil
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