Widersprüchliche Meldungen über einen Notruf aus dem Fischfluss Canyon haben heute Vormittag in Namibia ein besorgtes Rätselraten ausgelöst. Erst hieß es, es handele sich um ein Paar aus Südafrika. Dann war von zehn Vermissten die Rede. Eine Pressemitteilung des staatlichen Rastlager-Betreibers NWR von heute Mittag nannte vier Personen.
Demnach haben die vier betroffenen Erwachsenen am 7. Mai, also vorgestern, ihre Wanderung angetreten. Dies geschieht normalerweise am Hiker's Point etwa 10 km westlich des Rastlagers Hobas.
Sie hätten die erste "campsite" erreicht, heißt es. Doch Campingplätze gibt es im Canyon nicht. Gemeint ist offenbar die erste Raststelle an der alten Vespa, einem Motorroller, der vor Jahrzehnten von Vespa-Enthusiasten dort zurückgelassen wurde (siehe Bericht "Die ersten Reifenspuren im Fischfluss Canyon").
Dort haben die Vier laut Pressemitteilung einen Notruf ausgesendet, mit Angabe des Ortes. Ein Suchteam von NWR habe sich sofort auf den Weg gemacht, in dem Gebiet jedoch niemanden gefunden. Die Suche werde fortgesetzt.
Indessen wurde auch ein Helikopter zum Canyon entsandt. Das teilte das Tourismusministerium über WhatsApp am Mittag mit.
Sechs weitere Wanderer "der ersten Gruppe" sind laut NWR bereits aus dem Canyon zurückgekehrt. Wenn sie ebenfalls am 7. Mai hinunter gestiegen sind, können sie nur den Notaufstieg gewählt haben.
Dieser Weg führt noch vor der zweiten Raststelle an den Schwefelquellen hinauf auf den Canyonrand. Für die gesamte, etwa 80 km lange Wanderstrecke bis zum Rastlager ǀAi-ǀAis rechnet man dagegen fünf bis sechs Tage.
NWR ruft in seiner Pressemitteilung alle Wanderer auf, sich an die offizielle Wanderroute im Fischfluss Canyon zu halten. Auch solle man sich unbedingt nach Ankunft in ǀAi-ǀAis bei der Rezeption des Rastlagers melden.
Dasselbe gilt für diejenigen, die den Notaufstieg benutzen: Sie sollten sich im Rastlager Hobas zurückmelden.
Der Fischfluss Canyon ist der größte Canyon in Afrika und gilt als der zweitgrößte der Welt. Der mehrtägige Wander-Trail vom Hiker's Point nach ǀAi-ǀAis ist über die Grenzen Namibias hinaus bekannt. Er ist nur in den kühleren Monaten von Ende April bis Ende September geöffnet.
Im Fischfluss Canyon kommt es immer wieder einmal zu tödlichen Unfällen. Vor Jahren verschwand ein ehemaliger Rennfahrer aus der früheren DDR. Trotz tagelanger Suche wurde er nicht gefunden. Jahre später begingen zwei Frauen aus Deutschland Selbstmord. Sie sprangen von einem hohen Felskliff am Canyonrand in die Tiefe.
Autor dieses Beitrags ist Sven-Eric Stender. Er stammt aus Hamburg und lebt seit 1998 in Windhoek. Seit 1986 arbeitet er als Journalist und hat sich auf die Themen Reise, Natur, Menschen und Geschichte Namibias spezialisiert. Für Fragen oder Anregungen ist er zu erreichen unter editorial@namibiafocus.com.