Namibias Hafenstadt Walvis Bay hat eine facettenreiche Geschichte, in die verschiedene Weltmächte involviert waren, wie in Teil 1 Walvis Bay – Biographie eines Platzes beschrieben. In Teil 2 betrachten wir die Ereignisse ab 1922. Walvis Bay hat heute 120.000 Einwohner und gilt als Wirtschaftszentrum der Küste.
Der britisch-südafrikanische Journalist William McDonald hat das damalige Südwestafrika und Walvis Bay kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 besucht. In seinem 1915 veröffentlichten Buch The Destiny of Walvis Bay beschrieb McDonald den Ort als „Dornröschen des britischen Imperiums – von allen unseren Politikern verachtet (despised), keiner von ihnen hat jemals diesen Teil der Union besucht!“
McDonald schrieb, dass Walvis Bay 1914 genau 736 Einwohner hatte: 71 Europäer und 635 „Farbige“. Zehn der 71 Europäer waren Beamte, darunter ein Amtsrichter. Wasser musste in einem Kondensator entsalzt werden, trotz der Nähe zum Kuiseb-Trockenfluss und einer Quelle mit brackig schmeckenden Wasser bei Sandfontein. Weiteres Trinkwasser kam in großen Fässern wöchentlich per Schiff aus Kapstadt, Südafrika. Walvis Bay hatte seit 1898 eine kleine hölzerne Anlegestelle. Im kleinen Hafen herrschte reger Betrieb, der Walfang war lukrativ. Im Ort gab es eine 1879 erbaute Kirche und eine Missionsschule.
McDonald beklagte jedoch, dass „niemand Grundstücke kaufen oder verkaufen konnte“. Er beanstandete auch, dass alles heruntergekommen war: „Alles ist alt, baufällig und verfällt.“
1880 gab es aber schon einen Straßenplan und fünf Grundstücke waren verkauft, eines an die Rheinische Missionsgesellschaft. Die hatte den Grund erworben, auf dem die vorgefertigte Holzkirche aus Hamburg 1879 aufgebaut worden war.
Das Gebiet der heutigen Hafenstadt liegt auf der Höhe des Meeresspiegels, teilweise darunter. Obwohl jährlich nur knapp 30 Millimeter Regen gemessen werden, können starke Regenfälle im Hinterland den Kuiseb über die Ufer treten lassen. Das geschah 1917, aber glücklicherweise waren die wenigen vorhandenen Häuser (aus Holz) auf Stelzen gebaut. Eine historische Flut des Kuiseb erfolgte 1934 und dauerte von Januar bis Mai. „Jedes Haus hatte sein an der Haustür befestigtes Kanu oder Floß“, schrieb Jan Wilcken 1978 in seinem Buch The History of the Port and Settlement of Walvis Bay.
1922 hatte die südafrikanische Regierung ein neues Gesetz verabschiedet. Es sah vor, dass der Hafen und die Siedlung Walvis Bay so verwaltet wurde, als ob beide Teil des Mandatsgebiets Südwestafrika seien und als ob die Einwohner zum Mandatsgebiet gehören. Das neue Gesetz führte außerdem die schon in Südafrika in Kraft getretenen Richtlinien für die Trennung der verschiedenen Bevölkerungsgruppen ein.
Im selben Jahr wurde in Walvis Bay ein Gesundheits-Komitee gegründet. Die Mitglieder kümmerten sich um die Wasserversorgung, Gewerbescheine für Firmen und Geschäfte sowie Hygiene des Ortes und um die sogenannten „Eingeboren-Wohngebiete“. Auch eine Eisenbahnverbindung wurde am Strand entlang nach Swakopmund gebaut und somit die Anbindung an das Hinterland geschaffen.
Südafrikas Eisenbahn- und Hafenbehörde übernahm inzwischen das Areal des Hafengebietes und baute 1923 bei Rooibank eine Wasseranlage. Wohngrundstücke nahe der Lagune und am Hafen wurden im offiziellen Stadtplan von 1924 eingetragen und nach und nach verkauft.
Zwischen 1924 und 1926 wurde der Hafen erweitert und das Hafenbecken ausgebaggert, damit größere Schiffe anlegen konnten. 1925 wurde ein Dorfverwaltungsrat gegründet, und 1928 wurde das erste Hospital (Cottage Hospital) gebaut. Hinzu kamen ein Rathaus und eine Polizeistation. Das berichten Hungiree Wilson Billawer und Muriel Same Ekobo 2002 in ihrem Buch Human Geography Atlas of Walvis Bay.
In Walvis Bay hatten nur der Hafen und das Hospital Stromversorgung. Der Strom kam von einer Kältefirma. 1932 erhielt auch der Ort Elektrizität, etwa 25 Jahre später wurde ein E-Werk gebaut. Es gab keine Kläranlage, die Abwässer wurden in den Atlantik geleitet. Erst Jahrzehnte später wurde die Kanalisation gelegt.
Am 16. März 1931 wurde Walvis Bay zum Ort erklärt. Ein Stadtrat mit sechs Mitgliedern wurde gewählt, der erste Bürgermeister war ein Mister Blyth. Ein Stadtdirektor wurde eingestellt und der Name Walvis Bay wurde offiziell zweisprachig in Südafrikas Amtsblatt eingetragen (Afrikaans: Walvis Baai). Der Name „Walbucht“ wurde somit aktenkundig.
Interessant ist, dass Walvis Bay seinen Status als Stadt im Zweiten Weltkrieg eine Zeit lang verlor, genau vom 12. Dezember 1940 bis 15. April 1948. Nur der Stadtdirektor verwaltete in dieser Zeit die Hafenstadt unter Aufsicht eines Amtsrichters in Swakopmund.
Die 1922 geschaffene Eisenbahnverbindung öffnete Exportmöglichkeiten für Mineralien, Karakulfelle und Lebendvieh. Ebenso wurde der Import gefördert. Der Walfang verringerte sich in den vierziger Jahren, neue Fabrikschiffe der Walfänger ermöglichten die Verarbeitung der Wale an Bord. Namibias Gründungspräsident Sam Nujoma erhielt übrigens seine erste Anstellung bei einer norwegischen Walfangfirma in der Hafenstadt. Kurz danach wurden alle Aktivitäten dieses Bereiches nach Kapstadt verlegt. So endete nach knapp 170 Jahren der Walfang vor Namibias Küste.
Schon um das Jahr 1900 herum haben ansässige Fischer „Snoek“ (Hechtmakrelen) gefangen, gesalzen, getrocknet und verkauft. Später wurden größere Mengen getrockneter Snoek nach Kapstadt und nach Mauritius exportiert. Der kalte, aber nahrungsreiche Benguela-Strom entlang der namibischen Küste ist sehr fischreich, doch bis 1925 wurden nur Snoek und Langusten gefangen; ebenfalls wurden Robben geschlagen.
1932 hatte der Swakopmunder Bürger Adolf Winter nur wenige Kilometer nördlich von Walvis Bay eine künstliche Plattform im Ozean nahe am Strand gebaut. Die Plattform wurde später als Guano-Insel bekannt. Winter hoffte, dass Seevögel sich dort ansiedeln würden und Kot hinterlassen, der ein wertvolles Düngemittel ist. Guano ist auch als „weißes Gold“ bekannt und stark phosphathaltig. Winters Rechnung ging auf und seine Nachkommen verkaufen bis heute den Guano.
Ende der vierziger Jahre hatte der Hafen nur drei Anlegestellen, sechs Kräne, einige Öltanks, einen Güterschuppen, eine Kühlanlage und ein paar Ölplattformen. Das schrieb Richard Moorsom in seinem Buch Walvis Bay: Namibia’s Port.
Immerhin wurde 1943 eine kleine Dosenfabrik eröffnet und vier Jahre später begann der Ovenstone-Konzern, Sardinen als Dosenfisch zu verarbeiten. In den fünfziger Jahren etablierten sich acht neue Fischfabriken im Hafengebiet. Es wurde begonnen, auch andere Fischarten zu fangen. Bis heute sind alle Fischereibetriebe dort ansässig, jeder mit seiner eigenen kleinen Landungsbrücke. Zum Vergleich: 1953 wurden Fangquoten an jeden Fischereibetrieb vergeben. In dem Jahr wurden insgesamt 289.000 Tonnen Sardinen gefangen. 2017 hat Namibias Regierung wegen Überfischung ein Fangverbot für Sardinen verhängt, das bis 2020 gilt.
In den fünfziger Jahren wurde am Hafen ein neuer Güterschuppen gebaut, ein Förderband für das Kupfer-Erz aus Tsumeb wurde errichtet, Öltanks für das Fischöl von Fischfabriken wurden aufgestellt. Auch Fischmehl wurde hergestellt. Besucher der Hafenstadt merkten das an dem starken Geruch der Fischmehlfabriken.
1967 dauerte der Fischereiboom an, mehr Saisonarbeiter wurden eingestellt, zumeist Männer aus Namibias zentralem Norden. Für sie wurden einfache Wohnheime gebaut, „compounds“ genannt. Tausende Saisonarbeiter kamen in dieser Zeit jährlich zur Fangzeit nach Walvis Bay. Es ist anzumerken, dass nach der Gründung der SWAPO-Partei am 19. April 1960 das politische Erwachen schwarzer Einwohner begann, mit Namibias Unabhängigkeit als Ziel. Walvis Bay wurde die nächsten knapp dreißig Jahre ein wichtiger Ort für das politische Bewusstsein.
Die Stadtverwaltung von Walvis Bay legte 1959 den Vorort Kuisebmond für Farbige und 1962 Narraville für Schwarze an. Vielen von ihnen hatten bis dahin in Hafennähe in den „Cape Stands“ gewohnt und mussten in die neuen Vororte umziehen.
Ab 1962 begann die südafrikanische Regierung, Militär in Walvis Bay zu stationieren. Der kleine Flugplatz außerhalb der Stadt bei Rooikop wurde in einen Militärflugplatz umfunktioniert. In den nächsten zwanzig Jahren wurden immer mehr Soldaten dort stationiert.
Die Salzgewinnung begann in den Sechzigern. Wasser wurde vom Meer nahe der Lagune in Becken gepumpt, nach der Verdunstung blieb Salz übrig. Die Firma „Walvis Bay Salt Refiners“ hat seit dieser Anfangszeit immens expandiert. Auf rund 5.000 Hektar wird inzwischen Salz gewonnen. Der Großteil von 900.000 Tonnen Jahresproduktion wird nach Westafrika exportiert. Im Januar 2018 wurde eine erste Fracht von 50.000 Tonnen Salz in die USA verschifft.
Südafrikas Behörden haben den Hafen stetig ausgebaut.
Ab 1978 wurde weniger Fisch gefangen, besonders Sardinen. Durch Südafrikas illegale Besatzung von Namibia und Walvis Bay wurden die Fischgründe vor Namibias Küste von internationalen Fangflotten jahrelang überfischt. In den achtziger Jahren waren weniger Fischfabriken in Betrieb, die Anzahl Saisonarbeiter verringerte sich. Politische Entwicklungen nahmen ihren Lauf, das Land hatte aber keine Handhabe, die Fischvorkommen zu schützen. 1978 gab Südafrikas Regierung bekannt, Namibias angestrebte Unabhängigkeit zu akzeptieren. Die Vereinten Nationen verabschiedeten im selben Jahr die Resolution 435, die den Weg zur Unabhängigkeit ebnete.
Erst am 22. Dezember 1988 kündigten die UN an, dass die Unabhängigkeit für den 21. März 1990 vereinbart wurde, mit einem Übergangsjahr unter UN-Aufsicht ab 1. April 1989. Die Zukunft der Enklave Walvis Bay blieb bis 1994 ungewiss, doch das ist eine andere Geschichte. Lesen Sie morgen den Gondwana-Artikel über die Wiedereingliederung von Walvis Bay.
Brigitte Weidlich