In Namibia gehören die großen und kegelförmigen Sandtürme in der Landschaft mit zu den beliebtesten Objekten für Touristen, um Erinnerungsfotos zu schießen. Gebaut werden sie von Winzlingen – kleinen, beige-weißen Termiten, die nur knapp zwei Zentimeter lang werden, bis auf die Königin, die im Vergleich zu ihrem Volk riesig und unförmig ist.
Termitenhügel haben ein faszinierendes „Innenleben“, denn Millionen von Termiten leben darin. Sie hegen und pflegen die Hügel, bauen weiter an ihnen und dem schier endlosen Geflecht von Tunneln, die hauptsächlich zur Luftregulierung dienen. Von außen sieht man nichts – aber innen brummt es geradezu vor lauter Geschäftigkeit. Das ganze Treiben ist geregelt, die Königin gibt den Ton an. Sie und ihr König sorgen für den Nachwuchs, die Herrscherin produziert ständig neue Eier, die von den Arbeitertermiten umsorgt werden. Das Königspaar ist fast unbeweglich und muss mit Nahrung versorgt werden, ihr Gemach sauber und rein gehalten werden.
Termitenhügel dienen auch als Gärten für gewisse Fungi oder Pilzsorten, von denen sich die Termiten ernähren.
Die sogenannten Termitensoldaten sorgen für Schutz vor Eindringlingen. Diese Termiten sind größer als die Arbeiter, das Kastensystem ist streng geregelt. Wenn die Soldaten angreifen, geben sie einen Tropfen brauner, ätzender Speichelflüssigkeit ab, die sich zwischen dem offenen Unterkiefer ausbreitet. Beim Zubeißen verteilt sich die Flüssigkeit über den Gegner. Das Sekret wird allgemein als toxisch bezeichnet und wird bei Luftkontakt klebrig, was zumindest kleinere Feinde unbeweglich macht und somit ausschaltet.
Termiten sind soziale Insekten und sind eher mit Küchenschaben als mit Ameisen verwandt. Es gibt rund 2.900 verschiedene Termitenarten weltweit, in Namibia kommen vier Macrotermes-Arten vor: Macrotermes natalensis, M. subhyalinus, M. vitrialatus und M. michaelseni. Sie bauen die großen Hügel.
Im Süden Namibias gibt es noch die Grasschneidertermiten, Hodotermes mossambicus, die ihren Bau unter der Erde anlegen. Sie ernähren sich hauptsächlich von Gras. Bei Dürre und Überweidung können sie große Flächen Weideland zerstören, was für Farmer und ihr Vieh ein herber Verlust ist.
Termiten werden als Volk betrachtet. Sie bilden einen Insektenstaat und teilen sich die Arbeit auf, das Kollektiv leistet den gigantischen Arbeitsaufwand. Jede einzelne Termite weiß genau, was sie zu tun hat und arbeitet unermüdlich.
Der südafrikanische Journalist, Anwalt und Hobby-Verhaltensforscher, Eugene Marais hat schon 1925 seine ersten Beobachtungen über die Geheimnisse der Termiten unter dem Titel „Die siel van die mier“ (Die Seele der Ameise) veröffentlicht. Er beschreibt die „Staatsgründung“ wie folgt:
„Ein Termitenstaat beginnt seine Existenz in dem Augenblick, in dem die Termiten ausfliegen. Um ihren unzähligen Feinden entgehen zu können, geschieht dies stets nur nach Regen und gewöhnlich in der Dämmerung. Schon dies ist ein bemerkenswertes Beispiel für die Wunder des Instinkts. Die Termiten, die niemals außerhalb ihres Baues gewesen sind, wissen, wenn sie ihren aufregenden Flug beginnen, nichts von Feinden. Sie kennen keine Lebensgefahr; und doch: in neun von zehn Fällen fliegen sie nicht eher, als bis die Vögel sicher in ihren Nestern sind.“
Nach dem großen Flug legen die Termiten ihre Flügel ab.
Dort wo die Königin landet, wird ein – übrigens unterirdisches - Nest angelegt, das als Basis für den neuen Bau gilt und darüber wird ein neuer Termitenhügel aus Sandkörnern und zerkauten Holzfasern gebaut. Die Arbeitertermiten zerkauen Erde (Sand) und Holz und kleben beides mit ihrem Speichel aneinander. So wird der Hügel fest und stabil, er spült auch nicht weg, wenn es regnet.
Im Inneren des Hügels legen die Termiten viele verzweigte Tunnelgänge und Luftschächte an. Sie dienen als Belüftungssystem und regulieren die Temperatur. So dringt frischer Sauerstoff in das Innere des Termitenhügels und dadurch bleiben die Temperaturen darin konstant. Je höher der Termitenhügel, desto effektiver ist sein Belüftungssystem.
Eine Besonderheit dieser Hügel ist die Nordneigung der Spitze. Eine Gruppe britisch-amerikanischer Wissenschaftler unter Professor Scott Turner hatte vor knapp 20 Jahren Termitenhügel auf der Omatjenne-Agrarstation in Namibia erforscht. Sie stellten fest, dass diese Neigung im Durchschnitt bei etwa 19 Grad liegt. Das entspricht durchschnittlich dem Zenitwinkel der Sonne und dem Breitengrad.
„Die Neigung des Termitenhügels nach Norden ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass Termiten auf der wärmeren, nach Norden gerichteten Oberfläche des Hügels eifriger bauen“, so Prof. Turner.
Termitenkolonien haben eine symbiotische Beziehung mit Termitomyces-Pilzen. Die Termiten legen einen Pilzgarten im Inneren des Hügels an, der aus einigen hundert Pilzwaben besteht. Sie sind aus zerkautem Gras und Holz gebaut und mit Pilzsporen „beimpft“. Die Termitomyces-Kultur in einem Nest von Macrotermes-Termiten hilft beim Abbau von Zellulose und Lignin in einen nahrhafteren Kompost, der als eigentliche Nahrung der Termiten dient. Der Pilzgarten ist also eine Art äußeres Verdauungssystem, an das Termiten die Zelluloseverdauung sozusagen „ausgelagert“ haben, stellten die Wissenschaftler unter Prof. Turner fest.
Die Pilze spielen auch eine bedeutende Rolle bei der sozialen Homöostase in Macrotermes-Kolonien und helfen insbesondere beim Wasserhaushalt des Termitenstaates.
Homöostase ist das Gleichgewicht der physiologischen Körperfunktionen;
Macrotermes-Kolonien sind dadurch gegenüber trockenen Bedingungen viel toleranter als andere Termiten, was es ihnen ermöglicht, in trockeneren Umgebungen zu existieren.
Jedes Jahr produzieren Termitenhügel in Namibia zur Regenzeit große, weiße Pilze außen auf den Hügeln, die als Omajova bekannt sind und als Delikatesse hoch geschätzt werden. Sie schmecken hervorragend. Lesen Sie dazu unseren Artikel von Ron Swilling Es ist Omajowa-Zeit in Namibia.
Die Vegetation in der Nähe von Termitenhügeln ist dichter und üppiger. Die Fähigkeit, organisches Material abzubauen, macht sie sehr wichtig für ein funktionierendes Ökosystem. Im Regenwald der Insel Borneo fanden Forscher heraus, dass die Arbeit der fleißigen Insekten hilft, den Waldboden feucht zu halten. Im feuchten Boden überleben in Dürrezeiten dann mehr junge Pflanzenkeimlinge. So bekämpfen Termiten die Folgen des Klimawandels im Regenwald.
In Namibia ist man zu ähnlichen Schlussfolgerungen gekommen. Termiten graben sich durch Erde und Gras und belüften den Boden, mehr Regenwasser kann in den Boden eindringen. Termitenkot, kombiniert mit der Belüftung, schafft fruchtbaren Boden mit höherem Stickstoff- und Phosphorgehalt. Gräser und Büsche in der Nähe von Termitenhügeln wachsen besser, davon profitieren Äser wie Antilopen, Zebras und Büffel und auch Nutztiere wie Rinder und Schafe.
Wegen ihrer Vorliebe für Zellulose, sprich Holz, sind manche Termitenarten bei Menschen unbeliebt. Sie zerfressen Holzbalken und Bodendielen. So mancher Hausbesitzer erlebte schon böse Überraschungen, wenn der Holzfußboden einbrach und dicke Deckenbalken morsch wurden. In Namibia können Farmer auch ein Lied davon singen. Daher ist ein gebührender Abstand zwischen Termiten und Gebäuden auf dem Lande notwendig, ebenso eine regelmäßige Überprüfung von Haus und Hof, ob Termiten „eingezogen“ sind. Experten können dann mit Chemikalien Abhilfe schaffen.
Ein Termitenhügel ist nicht nur ein hübsches Fotomotiv sondern auch ein kleines Ökosystem und noch nicht alle seine Geheimnisse sind gelüftet.
Brigitte Weidlich