Namibia Focus

Klassik trifft Kwaito: Erfolgreiches Konzert-Experiment in Windhoek

Geschrieben von Namibia Focus | Jun 7, 2023 8:44:42 AM

Als das Konzert angekündigt wurde, reagierten viele skeptisch. Kwaito aus den Townships des Südlichen Afrika mit Klassik aus dem fernen Europa mischen? Mehr noch: Kwaito-Songs, gemeinsam von klassischem Orchester, Chor und Band gespielt? Doch die Skepsis erwies sich als unbegründet: Beide Konzert-Abende in Windhoek waren ausverkauft und das Publikum war begeistert.

Das lag sicherlich auch daran, dass "Stars" beider Musikrichtungen in Namibia ihre Fans mobilisiert hatten: Das Namibian National Symphony Orchestra (NNSO) und der namibische Popmusiker Lazarus Shiimi, bekannt als Gazza (Hörprobe: 'Penduka'). In teils schlicht-legerer, teils eleganter bis gewagter Abendgarderobe trafen sich Klassik- und Kwaito-Fans am vergangenen Wochenende im Nationaltheater Namibias in Windhoek.

Ebenso bunt gemischt erwies sich das Programm: Zum Auftakt die Musik des Kino-Klassikers 'Fluch der Karibik' ('Pirates of the Caribbean') aus der Feder der deutschen Filmmusik-Komponisten Hans Zimmer und Klaus Badelt. Danach drei Stücke des namibischen Komponisten Osmond !Osoweb für Chor und Orchester, gefolgt von der sinfonischen Dichtung 'Finlandia' des finnischen Komponisten Jean Sibelius.

Völlig andere Atmosphäre nach der Pause

Kwaito auf Klassisch: Gazza (links) mit Co-Sänger DJ Shoza vor Dirigent Alexander Fokkens, dem Namibia National Symphony Orchestra und dem Chor 'Vocal Reflections' sowie Gazza-Band und Begleitsängerinnen im Nationaltheater Namibias in Windhoek.  Foto: Sven-Eric Stender

Der zweite Teil des Konzertes bestand aus elf Hits von Gazza, gemeinsam gespielt und gesungen von Gazza und seiner Band, dem NNSO und dem Chor 'Vocal Reflections', verstärkt übrigens durch mehr als 20 Studenten und Dozenten der Alabama School of Fine Arts (ASFA). Mit der Musikrichtung wechselte die Atmosphäre im Saal. Das Signal dazu gab der aus Südafrika stammende Dirigent und Leiter der Musik-Abteilung der ASFA, Alexander Fokkens, der statt in grauem Jackett in Weste und afrikanisch gemustertem kurzärmeligem Hemd locker über die Bühne zu seinem Pult lief.

Bis zur Pause herrschte Klassik im Saal. Das Publikum lauschte still der Musik und wartete bei jedem Stück artig mit dem Applaus, bis der letzte Ton verhallt war. Der zweite Teil dagegen war afrikanische Pop-Kultur pur. Begeistertes Kreischen, als Gazza star-like auf die Bühne tänzelte, und jedesmal, wenn er einen besonders coolen Dance Move performte. Frenetisches Mitsingen und -rufen der Refrains und Sprechgesänge.

Selbst Dirigent Fokkens, der bereits im ersten Teil mit dynamischen Bewegungen aus Orchester und Chor alles herausholte, hüpfte auf seinem Podest bei besonders mitreißenden Stellen im Rhythmus mit. Das akustische Sahnehäubchen: Zwei Soli der international bekannten Jazz-Flötistin Kim Scott aus den USA (Hörprobe: 'Shine'). Zum Cocktail aus Europas Klassik, Hollywoods Filmmusik sowie Afrikas Chor- und Township-Musik also noch ein paar Spritzer afro-amerikanischer Jazz-Kultur.

Experiment 'Klassik meets Kwaito' geglückt

"Völlig verschiedene Musikrichtungen, Musiker und Zuschauer-Gruppen zusammenzubringen und zu verbinden, war ein Risiko, das wir eingegangen sind", sagte NNSO-Vorsitzende Irmgard Rannersmann gegenüber NamibiaFocus. Aber es hat es sich gelohnt: "Die Rückmeldungen waren von allen Seiten sehr positiv." Und viele aus dem Publikum würden jetzt ein Orchester ganz anders sehen und wertschätzen.

Finanziell allerdings hat es sich nicht gelohnt. Trotz ausverkaufter Abende reichten die Einnahmen laut Rannersmann nicht einmal, die Miete für Nationaltheater, technische Ausrüstung und Instrumente sowie weitere Ausgaben zu decken. Die Alabama School of Fine Arts trug die Kosten für ihre Dozenten und Studenten und übernahm darüber hinaus noch einen großen Anteil der Saalmiete.

"Weder Gazza noch das Orchester, der Chor oder die Band profitieren finanziell von diesen beiden Abenden", sagt die engagierte NNSO-Vorsitzende. "Und genau das ist der Punkt, weshalb wir Sponsoren brauchen, die uns Musiker oder Künstler allgemein unterstützen." Das war allen Beteiligten im Vorwege klar. Das Konzert sollte auch darauf hinweisen, dass Kultur in Namibia – wie in jedem Land – auf die Unterstützung von Staat und Privatsektor angewiesen ist.

Appell an Staat und Privatsektor, Musikkultur zu fördern

So war der Titel des Konzertes bewusst als gemeinsamer Appell formuliert: "Gazza goes symphonic with the NNSO – in a Concert of Hope". Inmitten der gefeierten Gazza-Songs trat der namibische Poet und Fernseh-Moderator Ashwyn Mberi auf und rezitierte seine eigens für diesen Anlass verfasste lyrische Protest-Botschaft "We are here".

"Unsere Message of Hope ist angekommen", erklärt Irmgard Rannersmann zwei Tage nach dem Konzert-Wochenende. "Hoffentlich können wir einen kleinen Anstoß geben, dass die Musikbranche in Namibia ernst genommen wird und dass wir alle in Zukunft für solche Projekte auch bezahlt werden."

Das gesellschaftliche Interesse jedenfalls ist da. Das hatte bereits die erfolgreiche Uraufführung der ersten namibischen Oper 'Chief Hijangua' im vergangenen September gezeigt (siehe Bericht von NamibiaFocus), die nun auch in Berlin aufgeführt wird (siehe NamibiaFocus-Bericht). Ähnliches gilt für die Fusion von Klassik und Kwaito und anderen Popmusik-Genres des südlichen Afrika. "So wie es aussieht, wird es wieder ein Konzert geben", freut sich Rannersmann. "Definitiv nicht dieses und wahrscheinlich auch nicht nächstes Jahr. Aber für 2025 könnten wir uns durchaus vorstellen, wieder etwas gemeinsam zu machen."

Stehender Applaus für die Künstler (v.l.): Konzertmeister Jürgen Kriess, Kwaito-Star Gazza, Dirigent Alex Fokkens, Co-Sänger DJ Shoza, Komponist und Chor-Dirigent Osmond !Owoseb und Jazz-Flötistin Kim Scott vor dem Namibia National Symphony Orchestra, dem Chor 'Vocal Reflections' sowie der Gazza-Band und den Begleitsängerinnen im Nationaltheater Namibias in Windhoek.  Foto: Sven-Eric Stender

 

Autor dieses Beitrags ist Sven-Eric Stender. Er stammt aus Hamburg und arbeitet seit 1986 als Journalist. Seit 1998 lebt er in Windhoek und hat sich auf die Themen Reise, Natur, Menschen und Geschichte Namibias spezialisiert. Für Fragen oder Anregungen ist er zu erreichen unter editorial@namibiafocus.com.