Eine sensationelle neue Entdeckung zu den kahlen Kreisen am Ostrand der Namib-Wüste liefert das neu erschienene Buch "Fairy Circles of the Namib Desert" nicht. Das Rätsel der Feenkreise ist längst gelöst, ihr Mysterium schon vor Jahren "entzaubert" worden. Von Norbert Jürgens, dem mittlerweile emeritierten Professor der Biologie an der Universität Hamburg. Mit seiner wegweisenden Veröffentlichung "The Biological Underpinnings of Namib Desert Fairy Circles" von 2013 im renommierten Wissenschaftsmagazin Science.
Auf nicht einmal drei Seiten stellte Jürgens damals nicht nur den Erschaffer der Kreise vor, die Sandtermite Psammotermes allocerus. Sondern erklärte überzeugend, wofür ihr die kahlen Flächen dienen: Als dauerhafte Lebensräume in einem Gebiet, das nur wenig und in manchen Jahren gar keinen Regen erhält. Grundlage waren Ergebnisse einer Langzeit-Studie in verschiedenen Feenkreis-Gebieten der Namib. Seine Veröffentlichlichung löste unter Wissenschaftlern eine breite Diskussion aus. Auch Medien griffen das Thema auf.
Was das jetzt erschienene Feenkreis-Buch auszeichnet, ist seine umfassende und fundierte Darstellung des faszinierenden Phänomens. Auf 376 Seiten fasst Norbert Jürgens die wissenschaftliche Diskussion zusammen, begegnet Einwänden, präsentiert weitere Forschungsergebnisse und beantwortet Detailfragen. Dabei lässt er 14 Experten zu Wort kommen, in Disziplinen wie Insekten- oder Bodenkunde.
Für die Wissenschaft ist das Buch in englischer Sprache verfasst und gespickt mit Nachweisen, Quellenangaben und Verweisen auf Ergebnisse anderer Forscher. Für interessierte Laien ist es verständlich formuliert, reich illustriert (mit fast 800 Fotos, Grafiken und Tabellen) und ansprechend präsentiert.
Die beiden Zielgruppen erklären auch den zweifachen Rahmen der Veröffentlichung: Einerseits erscheint das Buch als siebter Band in der Reihe Biodiversität & Ökologie, für die die Abteilung Biodiversität, Evolution und Ökologie am Institut für Pflanzenwissenschaften und Mikrobiologie der Universität Hamburg verantwortlich zeichnet. Andererseits ist das Buch eine eigenständige Publikation des Klaus Hess Verlages, der sich auf Veröffentlichungen rund um Namibia spezialisiert hat.
Doch nun zum Inhalt. Bei Feenkreisen handelt es sich um kreisrunde, kahle Stellen in der Grassavanne mit einem Durchmesser von mehreren Metern. Man findet sie auf sandigem Boden am Ostrand der Namib-Wüste. In einem Streifen vom Süden Angolas bis zum Norden Südafrikas, in dem im Jahresschnitt 50 bis 100 mm Regen fallen. Oft sind die Kreise eingefasst von einem Ring aus Gräsern, die dichter und höher wachsen als in der Umgebung ("Matrix"). Jürgens spricht von einem Luxusgürtel.
am Ostrand der Namib-Wüste. Foto: Norbert Jürgens
Die Feenkreise dienen als Wasserspeicher. Man darf sich von ihrer kahlen Oberfläche und der Trockenheit am Rande der Namib nicht täuschen lassen: In 60 cm Tiefe ist der Sand feucht. Dafür sorgt die Sand-Termite Psammotermes allocerus. Sie befreit die Oberfläche von Gräsern, damit das wenige Regenwasser versickern kann und nicht von den Wurzeln der Pflanzen aufgenommen wird.
So hält sich die Feuchtigkeit im Boden, gut geschützt vor der Verdunstung, selbst bei jahrelanger Trockenheit. Sobald genügend Regen fällt, füllt sich der unterirdische Speicher wieder auf.
Der Wasserspeicher sorgt in Nestern und Tunneln der Termite für eine Luftfeuchtigkeit, die das Insekt zum Überleben benötigt. Außerdem trägt er Gräser am Rande des Kreises durch Trockenzeiten. Diese Gräser wiederum dienen der Termite als sichere Nahrungsquelle in Jahren der Dürre, wenn aufgrund des ausbleibenden Regens keine neuen Graspflanzen mehr nachwachsen. Somit ist der Ring aus üppig stehenden Gräsern eigentlich kein Luxusgürtel, sondern eine Notreserve.
Es gibt kahle Kreise, die nach und nach wieder zuwachsen – ein Hinweis darauf, dass die betreffende Termitenkolonie offenbar zugrunde gegangen ist. Psammotermes allocerus hat Feinde, darunter fleischfressende Ameisen und der maulwurfartige Goldmull.
"Toter" Feenkreis im Marienfluss-Tal: Jüngere Gräser auf der ehemaligen Kahlstelle, umgeben von älteren Gräsern des noch erkennbaren Rings. Foto: Norbert Jürgens
Doch kommt das Sterben von Kolonien nicht so häufig vor. Jürgens hat Jahrzehnte alte Luftaufnahmen von Feenkreis-Gebieten mit Satellitenbildern aus neuerer Zeit verglichen. Dabei gab es überraschend wenig Veränderungen. Sein Fazit: Feenkreise mögen leicht mehrere hundert Jahre alt werden.
Das Buch ist übersichtlich in zwölf Kapitel gegliedert. Systematisch wird das Phänomen der Feenkreise definiert, verortet und in seiner Gestalt beschrieben. Dann folgt ein kurzer Abriss der Forschungsgeschichte. Als Ursachen waren Rückstände giftiger Pflanzen diskutiert worden. Grasschneide-Termiten. Giftige unterirdische Gase.
Eine der vielen nachhaltigen Wüstenfarmen von Termiten in der Graslandschaft des Gondwana Namib Parks südlich von Solitaire am Ostrand der Namib-Wüste. Foto: Sven-Eric Stender
Am hartnäckigsten hielt sich die Selbstregulations-Hypothese, derzufolge Gräser die kahlen Stellen bilden und so von deren Feuchtigkeit und Nährstoffen profitieren. Obwohl Jürgens und andere Experten bereits 2015 in einer wissenschaftlichen Veröffentlichung ("Weaknesses in the plant competition hypothesis...") auf Widersprüche hingewiesen haben und wissenschaftlich belastbare Belege bis heute fehlen.
Die Vertreter dieser Hypothese, so genannte Ökosystem-Modellierer, behaupteten sogar erst vor kurzem medienwirksam, die Termiten-Theorie widerlegt zu haben (siehe Bericht von NamibiaFocus). Ihr Hauptargument: In den von ihnen untersuchten Kreisen hätten sie weder von Termiten angefressene Gräser noch die Termiten selbst gefunden.
Natürlich geht Jürgens auch auf diesen Einwand ein: Psammotermes allocerus führt ein unscheinbares Leben. Im Gegensatz zu ihrer Verwandtschaft, die mannshohe Hügel errichtet, legt sie nur unterirdische Gänge an. Wohl auch um die Tageshitze zu vermeiden, ist sie lediglich nachts und frühmorgens aktiv. Oberirdische Spuren ihrer Aktivität sind nur nach einem der seltenen Regenfälle und bei sehr genauem Hinschauen zu sehen: Etwa 5 mm "hohe" Sandhäufchen, die vom Reinigen der Gänge herrühren und bei trockenem Wetter vom leichtesten Wind zerstreut werden.
Foto: Norbert Jürgens
Mittlerweile verfügt Norbert Jürgens über Daten zu mehr als 1.700 Feenkreisen, in denen Psammotermes allocerus oder ihre Tunnelstrukturen nachgewiesen sind. In seinem Buch gibt er übrigens auch Tipps, wie die scheue Termite aufzuspüren ist. Nur soviel: Man muss den Feenkreis abends in gewisser Weise präparieren und am nächsten Morgen ganz früh aufstehen...
Weitere Kapitel untersuchen Feenkreise im Kontext verschiedener Landschaften, die Bodenbeschaffenheit sowie die Wechselwirkungen mit Pflanzen, Tieren, Mikroorganismen und Pilzen. Auch erweitern Jürgens und seine Co-Autoren den Blick auf Vegetationsmuster in der Namib-Wüste, die oft mit Feenkreisen verwechselt werden.
Den Abschluss bildet ein Abschnitt, der das bei vielen Menschen vorherrschende Bild der Termite als Schädling korrigieren möchte. Betont wird ihre Rolle als Ökosystem-Ingenieur, der zur Vielfalt von Lebensbedingungen und Arten in den betreffenden Gebieten beiträgt. Termiten bauen organischen Kohlenstoff im Boden auf, verteilen Nährstoffe in der Landschaft um und bilden ein wichtiges Glied in den Nahrungsketten anderer Tiere. So ist das Buch auch ein Plädoyer für Termiten und ihre Bedeutung für das Funktionieren der Ökosysteme und für die Artenvielfalt im südlichen Afrika.
Norbert Jürgens et al. (2022):
Fairy circles of the Namib Desert – Ecosystem engineering by subterranean social insects.
Klaus Hess Publishers, Göttingen & Windhoek 2022. 376 Seiten.
ISBN: 978-3-933117-96-0 (Deutschland), 978-99916-57-44-8 (Namibia)
Preis: 40 Euro, 790,00 Namibia Dollar
Infos und Bestellung beim Klaus Hess Verlag
Prof. em. Norbert Jürgens hat dem Studium der Vegetation in der Namib-Wüste vier Jahrzehnte seiner Forschung gewidmet. Geboren 1953 in Rotenburg (Wümme), promovierte er 1986 an der Universität Hamburg mit einer Arbeit zur Evolution und Ökologie afrikanischer Trockengebiete.
Seine Forschungsarbeiten konzentrierten sich auf Evolution und funktionelle Anpassungen von Pflanzen und Ökosystemen an die extremen Umweltbedingungen in Wüsten und Savannen. Ein weiterer Themenbereich waren Ursachen des Wandels der Biodiversität durch Klimawandel und Landnutzung. Auf der Grundlage von Stammbaumforschung und Biogeographie hat Jürgens die Florenreiche Afrikas neu definiert.
Außerdem koordinierte er den Aufbau von internationalen Einrichtungen zur Erforschung und Beobachtung der globalen Biodiversität, zur Beratung bei Naturschutz und nachhaltiger Landnutzung und zur Bekämpfung der Desertifikation in Afrika und weltweit. Seit April 2022 ist er emeritiert. (Quelle: Wikipedia).
Norbert Jürgens beim Herunterladen gespeicherter Messwerte: Seit 2006 misst er mit automatischen Sensoren innerhalb und außerhalb von Feenkreisen in vier Bodentiefen die Feuchtigkeit. Auch im Gondwana Namib Park, nahe der Namib Desert Lodge. Gondwana Collection Namibia hat Jürgens in seiner Forschungsarbeit von Beginn an unterstützt.
Foto (Februar 2008 nahe der Namib Desert Lodge): Sven-Eric Stender
Autor dieses Beitrags ist Sven-Eric Stender. Er stammt aus Hamburg und arbeitet seit 1986 als Journalist. Seit 1998 lebt er in Windhoek und hat sich auf die Themen Reise, Natur, Menschen und Geschichte Namibias spezialisiert. Für Fragen oder Anregungen ist er zu erreichen unter editorial@namibiafocus.com