In der wissenschaftlichen Debatte um die Ursache der mysteriösen kahlen Kreise in Grasflächen am Ostrand der Namib-Wüste bleibt die Termiten-Theorie als einzige fundierte Erklärung übrig. Das ist das Resultat des Artikels "Sand termite herbivory causes Namibia´s fairy circles – A response to Getzin" im Wissenschaftsjournal "Perspectives in Plant Ecology, Evolution and Systematics" (PPEES), auf den die Universität Hamburg gestern mit einer Pressemitteilung aufmerksam gemacht hat.
Demnach widerlegen der Biologe Norbert Jürgens und der Bodenkundler Alexander Gröngröft darin zentrale Argumente des alternativen Erklärungsversuchs, Feenkreise würden durch Selbstregulierung der Gräser verursacht. Dieser Erklärungsansatz wird vom Ökosystem-Modellierer Stephan Getzin vertreten. Jürgens und Gröngröft legen in ihrem Artikel zudem offen, dass Getzin wissenschaftlich publizierte Erkenntnisse zu Aspekten der Feenkreise, die seiner Erklärung widersprechen, unerwähnt lässt.
Davon hatte NamibiaFocus bereits im Februar berichtet, nachdem der Artikel von Jürgens und Gröngröft bei PPEES in einer vorläufigen Version erschienen war. Nun jedoch handelt es sich um die endgültige Fassung, die eingehend von der PPEES-Redaktion und wissenschaftlichen Gutachtern geprüft und schließlich zur Veröffentlichung freigegeben wurde. Pikant daran ist, dass Getzins Artikel von Oktober 2022 ("Plant water stress, not termite herbivory, causes Namibia’s fairy circles") ebenfalls bei PPEES erschienen war.
Getzin behauptet seit 2015/16, die Kahlstellen der Feenkreise in den Grasflächen am Ostrand der Namib würden sich bei Wassermangel durch Selbstorganisation der Gräser bilden. Demnach entwickeln die Gräser außerhalb der Kreise mit ihren Wurzeln eine Sogkraft, die jungen Gräsern innerhalb der Kreise das Wasser entzieht. Getzin stützt sich dabei auf ein mathematisches Modell, mit dem sich die Kreisform und die Muster der kahlen Stellen in den Grasflächen nachbilden lassen.
Jürgens entgegnet laut Pressemitteilung der Universität Hamburg, "dass die Analyse meines Kollegen Gröngröft und die im Labor durchgeführten Messungen der hydrologischen Eigenschaften des Wüstensandes die entscheidenden Grundlagen der Annahme einer Selbstregulation entkräften." Genauer: "Die (...) angenommenen horizontalen Wasser-transporte über Meter in wenigen Tagen sind nach aktuellem Kenntnisstand physikalisch unmöglich." Viele Feenkreise haben einen Durchmesser von mehr als acht Metern.
Die von Jürgens seit 2008 in vier Tiefen stündlich ermittelten Messwerte der Bodenfeuchtigkeit in Feenkreisen belegen, dass das Regenwasser nach unten sickert. Seiner Theorie zufolge sorgt die Sandtermite Psammotermes allocerus dafür, dass junge Gräser im Feenkreis absterben, damit diese dem Boden keine Feuchtigkeit entziehen können. Der dadurch entstehende Wasserspeicher im Boden unter den Kahlstellen bietet den Termiten einen Überlebensvorteil am Rand der Namib, wo es wenig und unregelmäßig regnet. Seine Theorie und die Feuchtigkeitswerte hatte Jürgens bereits 2013 im renommierten Wissenschaftsmagazin Science vorgestellt.
Dass Ökosystem-Modellierer Getzin in seinen Veröffentlichungen zur Selbstorganisation der Gräser weder am Forschungsstand der Bodenkunde angeknüpft noch die Bodenfeuchtigkeits-Werte von Jürgens angegeben hat, gilt als grundlegender wissenschaftlicher Mangel. Allerdings hätte er damit eingestanden, dass die Fakten seiner Erklärung widersprechen.
Dies ist nicht der erste Versuch Getzins, die Entstehung der Feenkreise zu erklären. Im Artikel "Fairy Circles of Kaokoland" im Jahr 2000 hatte er als Co-Autor behauptet, die Grasschneide-Termite Hodotermes mossambicus erschaffe die kreisunden Stellen. Auch in jener Veröffentlichung fehlten wissenschaftliche Belege.
Feenkreis mit ausgeprägtem Ring mehrjähriger Gräser in der Graslandschaft des Gondwana Namib Parks am Ostrand der Namib-Wüste. Foto: Norbert Jürgens