Nach den ersten guten Regenfällen zwischen Dezember und Februar sind sie plötzlich da – zu hunderten. Vor allem dort, wo starke Lichtquellen die ganze Nacht angeschaltet bleiben. Auf dem Hosea-Kutako-Internationalen-Flughafen östlich von Windhoek staunen Reisende an wenigen Tagen im Jahr über die großen weißgrauen Falter (Flügellänge 6.5 bis 9.5 cm), die überall außen an dem Gebäude zu finden sind. Es handelt sich um das Zweiäugig Marmorierte Nachtpfauenauge (Heniocha dyops). Die vorderen und hinteren Flügel haben ein graubraunes Muster und braungelblich gezackte Linien. Auf den vorderen Flügeln befindet sich ein sogenanntes Auge, eine Markierung, die wie ein Auge aussieht und Fressfeinde abschrecken soll. In der Regenzeit sind die auffälligen Falter für eine sehr kurze Zeitspanne ein typisches Bild.
In den wenigen Tagen ihres Falterlebens machen sich die Männchen auf die Suche nach den etwas größeren Weibchen, um sich zu paaren. Angelockt werden sie von den Pheromonen (Duftstoffen) der Weibchen. Auf beide Geschlechter dieser nachaktiven Art üben starke Lichtquellen eine besondere Anziehungskraft aus.
Nach der Paarung suchen die Weibchen eine artspezifische Futterpflanze, hauptsächlich die Hakendornakazie (Acacia mellifera), und legen ihre Eier in Reihen von sechs bis zehn Stück ab. Die winzigen Raupen schlüpfen schon nach wenigen Tagen und fressen ununterbrochen, bis sie etwa 6.5 cm lang sind. Die recht bunten, aber dennoch gut getarnten Raupen sind im März oder April voll entwickelt und verpuppen sich dann im Boden, wo sie sich in Falter entwickeln. Im darauffolgenden Dezember bis Februar schlüpfen die ausgewachsenen Tiere nach den ersten guten Regenfällen und der nächste Zyklus beginnt. Die Falter wie die Raupen sind eine proteinreiche Nahrung für unzählige Tiere.
Laut dem Experten Dr. Rolf Oberprieler verpuppen sich die Raupen etwa 10 cm tief im Boden, aber es hängt immer von der Beschaffenheit und Feuchte des Erdreichs ab. In weichem, feuchtem Sand graben sich die Raupen tiefer ein. Dr. Oberprieler war Schüler der DHPS in Windhoek, studierte und arbeitete in Pretoria und lebt nun in Australien. Er hat 1995 das Nachschlagewerk The Emperor Moths of Namibia veröffentlicht und arbeitet derzeit an einem „größeren Buch“.
In manchen Jahren fressen die vielen Raupen ganze Büsche kahl, sodass kein einziges Blatt übrigbleibt. Obwohl der Hakkiebusch, die Hakendornakazie, ihre Hauptnahrungsquelle ist, sind Raupen manchmal auch auf dem Bergdorn (Acacia hereroensis) und auf der Birkenrindenakazie (Acacia erubescens) zu finden.
Das Zweiäugig Marmorierte Nachtpfauenauge, im Volksmund Hakkiefalter genannt, kommt in Namibia von Keetmanshoop im Süden bis zum Etosha-Nationalpark und zu den Kavango-Regionen im Norden als auch bis Gobabis im Osten vor. Dr. Oberprieler zufolge sind sie in der Umgebung von Windhoek und Otjiwarongo besonders häufig. Sie gehören zur Ordnung Schmetterlinge und der Familie der Pfauenspinner. In Namibia kommen 27 Arten der Nachtpfauenaugen vor.
Dirk Heinrich