Namibia Focus

Wo Trockenflüsse fließen...

Geschrieben von Namibia Focus | Apr 22, 2021 10:39:13 PM
Namibia zu Covid-19-Zeiten – ein Reisebericht, der von Herzen kommt 

Heute lasse ich Sorgen, Handys, Deadlines, soziale Medien und die Hektik des Alltags los und tauche ganz in meine Reise ein. Ich habe einen ganzen Tag Zeit, um die berüchtigte Skelettküste hinunter nach Swakopmund zu fahren. Was gibt es Schöneres?

Als ich von Palmwag Lodge & Camp nach Westen in Richtung Torra Bay und Küste abbiege, schwelge ich in der exquisiten Landschaft des Damaralandes. Immer wieder fällt mein Blick auf spektakuläre rote Felsenformationen mit Tafelbergen und kleinen, robusten Hirtenbäumen. Ich entdecke Ebenen mit gesunden Welwitschia, jenen faszinierenden zweiblättrigen Pflanzen, die Wissenschaftler so viele Jahre lang Rätsel aufgaben, und die hier den felsigen Boden bedecken.

Die Straße verläuft parallel zum Veterinärzaun und führt mich durch das Tal des Huab-Flusses zum Springbokwasser-Tor, der Einfahrt zum Skelettküsten-Park. Das dortige Büro überwacht dieses 143 km lange Teilstück der Straße entlang der Küste bis zum Ugab-Tor. Die Frau am Schalter informiert mich, dass der Ugab-Fluss im Moment Wasser führt und sagt: "Wenn Sie keinen Geländewagen haben, kommen Sie nicht rüber." Da ich die einzige Person bin, die heute durch dieses nördliche Tor gefahren ist, bin ich etwas besorgt. Sie ruft freundlicherweise im Büro des Ugab-Tores an, um herauszufinden, ob ein Durchqueren des Flusses möglich ist. Mir wird erklärt, dass ich mich beim Durchfahren in der Mitte der Straße halten soll, da ich sonst steckenbleiben könnte. Da ich ungern umkehre, beschließe ich, weiterzufahren und mich um den Fluss zu kümmern, wenn ich dort ankomme. Ich halte mich an die Lebensphilosophie, keine unnötige Energie mit Sorgen zu verschwenden; etwas, was ich immer noch nicht einwandfrei umsetzen kann. Ich gebe mir selbst eine kurze 4x4-Übung und setze ansonsten vollstes Vertrauen in meinen robusten Namibia2Go-Nissan-Bakkie, der den Rest erledigen muss.

Namibias Trockenflüsse, die den nordwestlichen Teil des Landes durchziehen, sind die meiste Zeit des Jahres trocken und fließen nur in Jahren mit guten Regenfällen in ihren Einzugsgebieten. Dann ist es für die Natur eine Zeit des Feierns, wenn die Grundwasserleiter wieder aufgefüllt werden. Alles Leben wird durch den Segen des Regens in einem trockenen Land genährt.

Die Landschaft des Damaralandes verwandelt sich in Wüste, als ich mich der Küste nähere. Ich entdecke Dunst am Horizont und denke zunächst, dass es der unvermeidliche Küstennebel ist, der die lebenswichtige Feuchtigkeit für die Namibwüste liefert. Doch dann sehe ich, dass es ein Sandsturm ist, und ich werde schnell von ihm umhüllt. Schließlich klart es auf und ich beginne, über diesen berüchtigten Küstenabschnitt nachzudenken.

Die Skelettküste ist bekannt für ihre Wal- und Robbenknochen, für Treibgut und die tückischen Strömungen, die schon so manches Schiff und so manchen Seefahrer in Schwierigkeiten gebracht haben. Dies hat fälschlicherweise zu der Annahme geführt, dass die Skelettküste mit den Überresten von Schiffswracks übersät ist. Die Wahrheit ist jedoch, dass der erste Teil der Route durch Kiesebenen und Wüste führt. Die Schiffe, die entlang der Küste in Not geraten sind, zerbrechen sehr schnell und hinterlassen nur wenige Beweise ihrer Existenz. Nur die jüngeren Wracks sind noch zu sehen. Bevor ich das Ugab-Tor erreiche, mache ich einen Abstecher zu der South-West Seal, einem 90 Tonnen schweren südafrikanischen Fischereischiff, das Feuer fing und 1976 hier gestrandet ist. Seine verrottenden Überreste ragen vor dem Hintergrund des tosenden Meeres aus dem Sand. Daneben liegen Walknochen.

Und dann lässt sich das Durchqueren des Ugab-Flusses nicht mehr vermeiden, ob es mir gefällt oder nicht. Ich habe auf meiner Fahrt entlang der Küste kein anderes Fahrzeug gesehen und bin daher angenehm überrascht, als ein Bakkie auf mich zukommt - genau zur rechten Zeit! Ich steige aus, um die schlammige Flussüberquerung zu besprechen, aber das Fahrzeug biegt nach rechts ab und folgt dem Pfad auf der Seite des Flusses. Der Fahrer gibt mir ein Zeichen, ihm zu folgen. Es bleibt keine Zeit zu zögern, denn er fährt zügig voraus. Ich muss mich anstrengen, um mit ihm Schritt zu halten und bekomme bei der Flussdurchquerung einen tüchtigen Schreck, als mein Fahrzeug in einem schlammigen Loch versinkt. Der Schlamm saugt meinen Wagen an und bremst ihn fast bis zum Stillstand ab. Ich schalte, gebe vorsichtig Gas, und er tuckert langsam aus dem Schlamm. Ich treffe den Fahrer im Büro, danke ihm und erhalte (wenn auch verspätete) Tipps, wie man solche kniffligen Schlammpassagen meistert, bevor er sich verabschiedet und so schnell verschwindet, wie er gekommen ist. Ich danke meinem Schutzengel und fahre weiter durch das Ugab-Tor, das bedrohlich mit Totenkopf und Knochen bemalt ist.

Nach meinem Etosha-Aufenthalt und der Überquerung des Ugab-Flusses ist mein Bakkie matschig-braun. Ich befinde mich nun auf dem letzten Stück entlang der Küste, vorbei an Angelplätzen mit Meilenmarkierungen (die die Entfernung von Swakopmund angeben, so wie es früher üblich war). Sie tragen ausgefallene Namen wie "Tolla se gat" und "Bennie se rooi lorrie" und markieren Lieblingsangelplätze und Orte, an denen denkwürdige Ereignisse stattgefunden haben.

Rostfarbene Flechtenfelder bedecken die Wüste in der Nähe der Cape Cross Lodge und der Robbenkolonie, am Straßenrand werden auf kleinen Tischen Salzkristalle zum Verkauf angeboten. Schließlich fahre ich in Swakopmund ein. Anstelle des Nebels, den ich erwartet habe, genießt die Stadt einen herrlich sonnigen Nachmittag. Das Delight Hotel ist mein Ziel für den Aufenthalt und ich mache mich fröhlich auf den Weg dorthin. Es ist Zeit für einen Spaziergang hinunter zum Meer und zur Landungsbrücke, der Jetty, wo ich gern den Sonnenuntergang beobachte. Auf dem Weg dorthin sehe ich an der Mole Schwimmer, die wie Robben im Meer herumtollen. Ich kann nicht widerstehen und schließe mich ihnen an.

Einer der Höhepunkte eines Aufenthalts im The Delight Swakopmund ist das köstliche Frühstück mit Champagner und Austern; ich schenke mir ein Glas Sekt ein und genieße das gute Essen. Auf dem Rückweg nach Windhoek wird mir bewusst, wie sehr mich die Freuden Namibias gestärkt und für diese schwierigen Zeiten mit ihren Entbehrungen und Einschränkungen gewappnet haben.

Ron Swilling