Namibia Focus

Wir betreten eine Insel….

Geschrieben von Namibia Focus | Nov 2, 2018 5:00:30 AM

Endlos trägt das graue Band der Teerstraße riesige Lastwagen, Mini-Taxis, überfüllte Kleinbusse, vollgepackte offene Pritschenwagen, Eselskarren, schicke Limousinen, weiße Pick-Ups und 4x4 Mietwagen von West nach Ost und wieder zurück. Monoton ziehen sich die knapp 500 Kilometer für den Fahrer hin. Der graue Asphalt verschwimmt mit dem Horizont in der flirrenden Hitze und bildet einen See aus flüssigem Metall, aus dem sich die entgegenkommenden Fahrzeuge wie ein undefinierter Tropfen zuerst langsam und dann mit rasender Geschwindigkeit zu

entwickeln scheinen. Es scheint wie überall auf den großen Straßen viel los zu sein, auch hier, im abgelegenen Nordosten Namibias. Doch der Eindruck täuscht. Im ehemaligen Caprivistreifen, der jetzt viel treffender als Sambesi-Region bezeichnet wird, sind Wildnis und Einsamkeit zu Hause, wie sie in anderen Teilen des Landes nicht zu finden sind.

Sitatunga: ein seltener Anblick. Nur Sekunden blickten wir uns an, die Sichtung hatten wir der Stille in unserem Boot zu verdanken, als wir mit ausgeschaltetem Motor den Kwando entlangtrieben. (Foto: Lambert Heil)

 

Hier werden die unterschiedlichen typischen Wüstenfarben Beige, Braun, Gelb und Rot, die im übrigen Namibia vorherrschen, überwuchert von den Farben des Paradieses: Von saftigem Dunkelgrün über frische Töne bis zum zarten Hellgrün ist alles vertreten, manchmal übersät von bunten subtropischen Blüten oder gespickt mit den Regenbogenfarben der Vögel.

Die kleinen Papageien hört man meistens, wie sie aus den Wipfeln rufen. Mit etwas Glück lassen sie einen sehr nah heran. (Foto: Lambert Heil)

 

Wir lassen die Teerstraße zurück und entdecken auf kleinen Sandwegen die Region. Dichter Busch mit hohen Bäumen begleitet uns und wechselt sich ab mit kleinen, weitgehend traditionellen Dörfern. Es werden Fische verkauft, große Rinderherden kreuzen den Weg, Ochsen ziehen auf kleinen Pfaden Holzschlitten mit Stämmen zu den Dörfern.

Die Bäume werden immer imposanter, die Blätter immer grüner, das Wasser reicht bis zum Wegesrand. Der erste Fischadler ist mit seinem markanten Schrei zu hören. Dann taucht der Fluss auf, dunkelblaues Wasser wird leicht vom Wind gekräuselt. Weiße Reiher stehen unbewegt in der seichten Flussbiegung, um im richtigen Augenblick nach einem Fisch zu schnappen. Das leise Gebrummel des Motors scheucht ein paar Witwenpfeifgänse am Ufer auf, die sich aber gleich wieder im vom Wasser umspülten Gras niederlassen, um weiter nach Futter zu suchen.

In manchen Jahren bevölkern Schmetterlinge zu Tausenden die kleinen Pfützen, die der Regen zurückgelassen hat oder sitzen am flachen Ufer, um Wasser aufzunehmen. (Foto: Lambert Heil)

 

Den Uferweg säumen nun Bäume, die mangrovengleich im Wasser stehen, Lianen hängen malerisch von den Ästen und werden von einer herumtollenden Paviangruppe als Schaukeln benutzt. Vor Jahrzehnten unterspülte und gestürzte Baumriesen bilden einen perfekten Lebensraum für verschiedenste Blumen und Schmetterlinge, die aus kleinen Vertiefungen in der ehemaligen Rinde mit ihrem Rüssel trinken oder an den immer öfter auftauchenden kleinen Pfützen auf unserem Weg Wasser aufnehmen. In dichten Wolken flattern Sie zu hunderten empor, wenn wir vorbeifahren, um sich danach wieder an die alte Stelle sinken zu lassen.

Bwabwata, Kwando: In vielen Bereichen der Nationalparks gibt es Stellen, an denen Elefanten täglich zum Ufer kommen, um zu trinken. (Foto: Lambert Heil)

 

In den Fahrrinnen sammelt sich das Wasser, der sonst staubige Wagen bekommt nun ein Muster aus Schlamm und hinter der nächsten Biegung sehen wir sie….die Elefanten. Eine große Herde ist eben am Wasser angekommen und beginnt zu trinken, zu baden und spielen. Die Jungen sind schwer zwischen den Beinen der Mütter zu sehen. Einige wagen sich aus dem Schutz und beginnen herumzutollen. Wasser spritzt, Rüssel werden geschwenkt, Freudentöne trompetet. Ein paar ältere Bullen stehen abseits und beobachten die Familien. Bald endet unser Weg, er verliert sich im flachen Wasser zwischen dickem Geäst.

Flusspferde sind spannende Tiere, sie lassen sich vom Boot und manchmal auch vom Auto aus gut beobachten. Die Guides wissen, dass sie gefährlich sind und halten immer genug Abstand. (Foto: Lambert Heil)

 

Am nächsten Tag brechen wir von unserem Camp in eine andere Richtung auf. Der Fluss begrüßt uns mit den Rufen der Flusspferde, dem Zwitschern der Graufischer und Sandbänken voller Krokodile. Der idyllische und abenteuerliche Weg führt uns durch weite Auen, fruchtbares Schwemmland und tiefe Furten. Er endet in einer kleinen Bucht, die zum Sundowner einlädt.

Okavango: Ein einfaches Camp im Sonnenaufgang. Die Stille wird nur durch Vogelgezwitscher unterbrochen, sie trägt zur Ruhe bei, die jeder spürt, der den Tagesanbruch in der Natur kennt. (Foto: Lambert Heil)

 

Wir tauschen das Auto mit dem Boot. Sanft lassen wir uns von der Strömung treiben. Kormorane ziehen über uns hinweg, ein winziger blauer Blitz schießt an unserem Boot vorbei und setzt sich als Malachiteisvogel auf einen Papyrushalm. Wir gleiten vorbei an hunderten von Löchern, die von Schwalben als Bruthöhlen in den schwer zugänglichen Teil des senkrechten Ufers gebaut wurden. Die Schwalben durchfliegen unser Boot und fangen kleine Insekten, die uns als Transportmittel nutzen. Eine dunkle Staubwolke am hellen Himmel zeigt uns dem Weg zu einer trinkenden Büffelherde, neugierig schauen uns die massigen Tiere an, bevor sie ruhig weiter trinken. Einige genießen ein Schlammbad am Rand der Gruppe. Unser Boot treibt langsam vorbei. Große Warane genießen am Ufer die letzten Sonnenstrahlen. Ein spektakulärer Sonnenuntergang verschmilzt in seiner Spiegelung auf dem glatten Wasser, bevor wir zum Camp zurückkehren.

Mokoro: die traditionelle Fortbewegung nicht nur der Einheimischen. Mit dem aus einem Stamm gefertigten Boot lassen sich gut schwere Lasten transportieren. Es ist praktisch zum Fischen im Schilf und wird gerne von Touristen genutzt, die mit ihrem Guide entspannt durch das Papyrus gleiten. (Foto: Lambert Heil)

 

Am kühlen Morgen brechen wir zu einer Fußsafari auf. Ein Hauch von Nebel liegt über dem Schwemmland und hat sich zwischen den Bäumen verfangen. In der aufgehenden Sonne verflüchtigt sich der Tau schnell, der die Gräser mit silbrigen Sternen verziert.

Am Flussufer entdecken wir im weichen Sand verschiedenste Spuren, neben den markanten Flusspferd- und Elefanten-Pfaden zieht sich eine Leopardenspur durch das Gewirr der Antilopen-Trittsiegel. Wir verfolgen sie zurück bis zum Schlafbaum, an dem sich die große Katze beim Klettern an der Rinde festgekrallt hat. Es ist ein besonderes Gefühl, diesem Tier zu Fuß so nahe zu kommen.

Eine Kolonie Scharlachspinte zieht uns in ihren Bann. Die Vögel graben zu hunderten im sandigen Boden ihre Bruthöhlen und interessieren sich nicht für uns. Wir werden umschwirrt von roten Pfeilen, das arttypische Zwitschern erfüllt die Luft.

Scharlachspint: Rote Pfeile umschwirren mich und graben im weichen Sand ihre Bruthöhlen. Mit akrobatischen Flugmanövern kämpfen sie um die besten Plätze und ignorieren die Menschen in der Umgebung. (Foto: Lambert Heil)

 

Die ehemalige Capriviregion erscheint wie eine riesige Binneninsel, wenn sie in der Regenzeit in allen Himmelsrichtungen von Wasser umgeben ist. Flüsse wie der gewaltige Sambesi, der einzigartige Okavango oder der grüne Kwando, der je nach Region auch Linyanti oder Chobe heißt, dominieren die Natur und die Menschen der Gegend seit tausenden von Jahren und formen diesen außergewöhnlichen Teil Namibias. Wer die Region erkunden möchte, muss über das Wasser anreisen. Alle Hauptwege führen über ein Gewässer, um diese grüne, imaginäre Insel zu betreten.

Von Flüssen umgeben bekommt man das Gefühl, auf einer Insel zu sein, die nur über Brücken und Dämme zu erreichen ist. (Foto: Lambert Heil)

 

Im Westen begleitet die Teerstraße in respektvollem Abstand den Okavango gut 200 km weit, bis sie ihn mit einer Brücke überspannt. Im Osten führt ein großer Damm den Verkehr über die Schwemmebenen des Chobe und begrüßt die Reisenden in der Sambesi-Region mit üppiger Natur.

Die Region scheint durch ihre abgeschiedene Lage wie ein wiedergefundenes Naturjuwel in der afrikanischen Krone der außergewöhnlichen Gegenden und sollte dadurch auf der „Bucket List“ eines Namibiareisenden ganz oben stehen.

Denn: Jeder Blick ist hier ein Foto wert, ein Foto mit der Kamera, ein Foto im Herzen.

Ein grünes Foto in der Seele.

Lambert Heil

 

Löwen, natürlich lassen Sie sich in den Parks der Region gut beobachten und ablichten. Der Vorteil ist, das wir hier das einzige Auto sind und uneingeschränkte Sicht auf das Löwenjunge haben. (Foto: Lambert Heil)