Namibia bietet für sportbegeisterte Einwohner und Touristen eine breite Palette an Aktivitäten – von Angeln, Bergsteigen, Wandern, Marathon, Mountainbike fahren bis hin zu Golfen und Segeln, Segelfliegen oder Surfen. Alles in der Natur mit spektakulären Landschaften.
Ein Beispiel: Im Dezember 2021 fand der internationale und einzigartige „Desert Dash„für Mountainbiker statt. Abfahrt abends in Windhoek, die nächtliche Route führte wie immer durch das Khomas Hochland und die Namib mit Ankunft im Morgengrauen in Swakopmund.
Etwas ganz Besonderes ist aber ein Geheimtip für alle, die halsbrecherische Spitzengeschwindigkeiten an der Küste lieben – die „Speed challenge“ bei Lüderitzbucht für Wind- und Kite-Surfer.
Da segeln Amateure und internationale Profis bei einer steifen Brise schon mal mit über 50 Knoten (knapp 100 km/h) auf ihren Brettern in einem eigens angelegten Kanal davon, um Rekorde zu jagen. Kameras sind live dabei, die Ergebnisse werden dank moderner Technik sofort auf die offizielle Webseite geladen, die gut vernetzten Windsurfer verfolgen weltweit per Livestream das Treiben, auch auf sozialen Medienplattformen.
So mancher Weltrekord wurde hier gebrochen, mitten im Nichts, nur Sand, Sonne, Wüste und Wind, knapp sieben Kilometer außerhalb von der kleinen Hafenstadt Lüderitzbucht in einer versteckten Bucht.
„Die Lüderitz Speed Challenge in Namibia ist ohne Zweifel der spektakulärste Speed-Event in der Welt des Windsurfens“, schrieb 2019 die renommierte deutsche Zeitschrift ‚Windsurfers‘, „seit dem ersten Event im Jahr 2007 haben alle bekannten Namen im Speed Windsurfen dort ihre offiziellen nationalen und internationalen Rekorde aufgestellt.“
Die Liste kann sich sehen lassen: Gunnar Asmussen aus Flensburg, der dort über 100 km/h erreichte, der Franzose Antoine Albeau erzielte 2015 einen Weltrekord mit 53,27 Knoten, das sind 98,66 km/h im Durchschnitt auf einer Strecke von 500 Metern. Björn Dunkerbeck war schon in Lüderitzbucht, ebenso Andy Laufer und der 2-fache Speed-Weltmeister Twan Verseput aus den Niederlanden.
Der französische Kiteboarder Alex Caizergues holte in Lüderitzbucht den Weltrekord mit 57,97 Knoten (107,36 km/h).
Karin Jaggi, die ihren Schweizer Rekord sieben Mal gebrochen hat, wurde 2015 die Weltrekordhalterin im Windsurfen mit 46,31 Knoten. Nur zwei Jahre später knackte die britische Sportlerin Zara Davis den Rekord mit 46,49 Knoten, das sind 86,10km/h.
Der gebürtige Däne Björn Dunkerbeck hat im November 2021 das Traumtempo von 103,68 km/h (55,98 Knoten) erreicht. Er brach auch den spanischen Nationalrekord von Pep Bonet. Der 52-jährige Dunkerbeck hat inzwischen einen spanischen Pass und nimmt unter spanischer Flagge an Sportveranstaltungen teil.
Der Niederländer Hans Kreisel erzielte 52,68 Knoten und wurde niederländischer Rekordhalter.
Die erste “Speed challenge” am Rande der Namib-Wüste bei Lüderitzbucht fand 2007 statt und ergatterte sofort den zweiten Platz in der Speed-Weltrangliste. Bei der Lüderitz Speed Challenge 2008 wurden Kitesurfer offiziell die schnellsten Speedsegler der Welt.
Das jährliche Sportereignis wird vom World Sailing Speed Record Council (WSSRC) und der International Sailing Federation (ISAF) überwacht. Daher werden auch die Rekorde von Lüderitz anerkannt. Ein Vertreter des WSSRC ist jedesmal dabei und misst die (Rekord-)Zeit.
Das Ereignis findet am südlichen Ende der großen Lagune südwestlich von Lüderitzbucht statt.
Die Lüderitz Speed Challenge ist das einzige Sportereignis in Namibia, das in verschiedenen Ausgaben des GUINNESS Buch der Rekorde erwähnt wurde.
Die ersten Organisatoren waren die Franzosen Sébastien Cattelan und Sophie Routaboul. Inzwischen haben das Raffaello Gardelli und Mark Grinnell aus Kapstadt übernommen. Die beiden Windsurfer haben ein Unternehmen mit Schwerpunkten Vertrieb von Windsurfausrüstung und Management von Sportveranstaltungen.
Die warmen Wüstenwinde bei Lüderitzbucht beschleunigen sich durch die umliegenden Hügel. Wenn sie die kalten Gewässer des Atlantischen Ozeans erreichen, wird ein thermischer Druck gebildet, der erstaunlich hohe Windgeschwindigkeiten erzeugt.
Die beste Zeit dafür ist zwischen Oktober und November.
Wie sportbegeistert muss man sein, dass man am Wüstenstrand einen Kanal von knapp 800 Metern ausbaggern lässt, damit Surfer dem Wind davon segeln können? Ohne Infrastruktur; nur zwei Container, um Ausrüstung zu verstauen; kein Kiosk, wo man bei stechender Sonne schnell ein eiskaltes Getränk holt oder bei kaltem Nebel und starkem Südwestwind einen Kaffee im Pappbecher ersteht.
Die berühmte namibische „Coolbox“ ersetzt den Kiosk, jeder bringt seine Butterbrote und anderen Verzehr für den Tag mit sowie Thermosflaschen für heiße Getränke.
Es gibt auch kaum Zuschauer, außer Möwen und vielleicht ein paar Kormorane. Die Rekordjäger sind unter sich. Ab und zu fährt mal ein Buchter (Einwohner von Lüderitzbucht) auf der Sandpiste durch die Berge dorthin, um zu schauen, was die Windsurfer so treiben. Genau das macht den Reiz aus.
Die ersten Organisatoren der Lüderitz Speed Challenge Sébastien Cattelan und Sophie Routaboul hatten die Idee, einen künstlichen Kanal am Strand anzulegen. Das geschah mit Genehmigung und Unterstützung der Stadtverwaltung von Lüderitzbucht und dem Umwelt- und Tourismusministerium.
In den ersten Jahren wurde der ausgebaggerte Kanal am Strand immer wieder verbessert, immerhin ist er knapp 800 Meter lang. Die Tüftelei hat sich gelohnt. Inzwischen bietet der Flachwasser-Kanal ideale Bedingungen. Er ist auch unabhängig von den Gezeiten und die Surfer können ihn bei Bedarf bis spätabends nutzen. Eine besondere Herausforderung ist die Kurve, da fallen auch schon mal Profi-Windsurfer bei Probeläufen ins Wasser.
Nach der rasanten Fahrt über den Kanal auf dem dünnen Brett wird man am Ziel von einem „Bakkie“ (Kleinlaster) samt Ausrüstung abgeholt und zurück zum Start gebracht zu einem neuen Rekordversuch.
Die Jagd nach dem Rekord für Wind- und Kitesurfer wird bei den meisten Sportereignissen von größeren Mannschaften bestritten, mit großen Sponsoren im Schlepptau. Lüderitz ist anders. In den sechs Wochen mit besten Windbedingungen können die Sportler aus dem Ausland für ein paar Tage einfliegen, wie es ihnen am besten passt und ihre Rekordversuche durchführen. Hier können auch diejenigen mit schmalem Budget mitmachen.
Der Tourismus in Lüderitzbucht profitiert von der Surfer-Saison. 2020 musste die Speed Challenge wegen der Coronavirus-Pandemie ausfallen, so freuten sich alle, dass sie Ende 2021 wieder stattfand.
Brigitte Weidlich