Die Entdeckung kleinerer Fossilien in Namibia, die über 500 Millionen Jahre alt sind, unterstützt aktuelle wissenschaftliche Forschungen über Organismen, die auf Mega-Kontinenten wie Gondwana, Pangea und Rodinia lebten.
Die Bergwelt im Süden Namibias bei Aus birgt faszinierende Fossilien-Funde – Zeugen dramatischer Ereignisse wie die sogenannte Kambrische Faunen-Explosion, die Äonen zurückliegen.
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Im Jahre 1908 hatten zwei deutsche Geologen im ehemaligen Deutsch-Südwestafrika (heute Namibia) interessante Fossilien gefunden. Diese Fossilien gehören zur „Ediacara-Biota“ (Abdrücke präkambrischer Weichkörperfossilien von Tieren und Pflanzen). Die beiden Geologen Paul Range (1879–1952) und Hans Schneiderhöhn (1887–1962) zeigten sie ihrem Landsmann Georg Gürich (1859–1938). Gürich war Geologe und Paläontologe.
Er machte diese Fossilien-Funde 1929 auf dem internationalen geologischen Kongress in Pretoria, Südafrika zum ersten Mal publik. Eine der Fossilien nannte Gürich zu Ehren der beiden Kollegen Rangea schneiderhoehni. Die Funde blieben danach jahrzehntelang unbeachtet, bis sie in den neunziger Jahren plötzlich weltberühmt wurden. Einige Exemplare dieser schönen, über 550 Millionen Jahre alten Fossilien sind im „National Earth Science Museum“ in Windhoek ausgestellt.
Range, Schneiderhöhn und Gürich ahnten damals nicht, dass diese Fossilien und Gesteinsschichten, in denen sie gefunden wurden, die Theorie der Kontinentalverschiebung untermauern würden. Diese Theorie hatte der deutsche Geophysiker und Meteorologe Alfred Wegner vor über 100 Jahren entwickelt. 1912 veröffentlichte er einen Artikel darüber und 1915 ein Buch. Wegener begründete seine Theorie auf Ähnlichkeiten geologischer Formationen und der Pflanzenwelt zwischen Westafrika und den Ostgebieten Südamerikas. Erst Jahrzehnte später wurde Wegeners Theorie über die Kontinentalverschiebung gestärkt.
Wegener war überzeugt, dass unsere heutigen fünf Kontinente vor etwa 600 Millionen Jahren einen einzigen Superkontinent bildeten, mit Gondwana im Süden. Gondwana spaltete sich später vom Superkontinent Rodinia ab und brach vor etwa 200 Millionen Jahren selbst auseinander. Südamerika, Afrika, Australien, Indien, Arabien und die Antarktis spalteten sich von Gondwana ab.
Die Erde hat mehrere Eiszeiten erlebt, beginnend vor etwa zwei Milliarden Jahren. Sie endeten vor rund 560 Millionen Jahren. Danach begann das Eis zu schmelzen, verursachte Überschwemmungen und bildete große Seenplatten, die auch zu Auffangbecken für Sedimente (Ablagerungen) wurden. Zu diesen Seen gehörte das Nama-Meer in Südnamibia. So beschreibt es die Geologin Nicole Grünert in ihrem Buch „Namibias faszinierende Geologie“. Diese zu Gesteinsschichten gewordenen Ablagerungen bergen Fossilien von verschiedenen primitiven Organismen, die in den ehemaligen Flachmeeren lebten. Praktisch vor unserer Haustür befinden sich bemerkenswerte Fossilien, die seit kurzem aufregende Forschungsobjekte sind.
Touristen fragen sich oft, warum es im Süden Namibias so viele flache Tafelberge mit mehreren geologische Schichten und Riffen, ja sogar mit uralter Vulkanasche gibt. Sie gehören zur Nama-Gruppe und sind stumme Zeugen, dass vor Jahrmillionen Lebewesen dort im Wasser lebten. Schicht um Schicht bildeten sich Ablagerungen übereinander, schreibt Grünert. Sie sind heute hochinteressant für internationale Wissenschaftler.
In Australien wurden 1946 in der Ediacara-Schlucht bei Adelaide Abdrücke von Weichkörperfossilien gefunden. Sie hatten Ähnlichkeiten mit den 1908 in Namibia gefundenen Fossilien von Range und Schneiderhöhn. Einige hatten die Form von Pflanzenblättern, einige hatten Verästelungen, die bisher nur in Rußland, China, Neufundland, Kanada, dem Iran und Saudi-Arabien gefunden worden waren. Andere Fossilien in der Ediacara-Schlucht hatten Ähnlichkeit mit namibischen Rangea schneiderhoehni und Ernietta-Fossilien.
Manche der Ediacara-Fossilien hatten die Form von Seefedern (Pennatulacea), die zu den Blumentieren gehören. Sie lebten vor etwa 630 Millionen Jahren bis zu 540 Millionen Jahren – diese Zeitperiode wird inzwischen Ediacarium genannt. Dem Ediacarium folgte das kambrische Zeitalter. Etwas Außergewöhnliches ereignete sich in den folgenden zehn Millionen bis zwanzig Millionen Jahren – eine Art „Explosion“.
Mit Beginn des Kambriums „kam es zur sogenannten Kambrischen Faunen-Explosion, der plötzlichen Bildung und Vermehrung einer Vielzahl höherer, mehrzelliger Organismen, auf die alle unsere heutigen Lebensformen, (inklusive des Menschen) durch Evolution zurückzuführen sind“, schreibt Grünert in ihrem Buch.
Geologen und Paläontologen führen die Forschungen an, um zu verstehen, wie es zu diesen massiven Veränderungen bei den Lebewesen kam, die unser „modernes“ Zeitalter einläuteten.
Auf der Farm Aar im Süden Namibias und bei Aus befinden sich die bemerkenswertesten Funde aus dem Ediacarium-Zeitalter in ganz Afrika. Das Gebiet ist eine der wenigen Fundstätten weltweit mit einer so großen Vielfalt verschiedener Fossilien aus diesem Zeitalter: enigmatische Lebensformen bis hin zu Tieren.
Die australische Wissenschaftlerin Patricia Vickers-Rich hat schon mehrere Feldexkursionen in dieses Gebiet geleitet, zuletzt im Dezember 2017. „Die Frage ist, wann und wie sind Tiere auf der Erde erschienen? Die Kambrische Faunen-Explosion scheint der Anfang ihrer Existenz zu sein und das erforschen wir“, teilte sie Gondwana News Online in einem Interview in Windhoek mit.
Vickers-Rich ist in Australien Paläobiologie-Professorin an der Swinburne Universität für Technologie, ebenso Professorin emerita der Abteilung Erdgeschichte, Atmosphäre und Umwelt an der Monash Universität. Sie hat viele Publikationen darüber veröffentlicht.
„Der Übergang vom Ediacarium zum kambrischen Zeitalter ist eine der dramatischsten geobiologischen Revolutionen in der Erdgeschichte“, sagte Vickers-Rich. „In dieser Zeit begannen sich bei Lebewesen Skelette zu bilden und Organismen begannen komplexe Verhaltensmuster zu entwickeln – das machte die Kambrische Explosion aus.“
„Dieser Übergang ist im Süden Namibias auf geradezu spektakuläre Art in dicken Sedimentschichten durch erhaltene Fossilien nachweisbar, was zum Verständnis dieser Vorgänge beiträgt.“
Einer dieser Organismen in Namibia ist Namacalathus hemanestes, gleichzeitig einer der ältesten, ebenso die Cloudina-Fossilie, die eine harte Schale hatte. Über die Cloudina berichtete der Wissenschaftler Gerard Germs schon 1972. Der US-Wissenschaftler John Grotzinger veröffentlichte seine Forschungen über den Namacalathus im Jahr 2000. Auch die Pteridinium-Organismen sind interessant und im National Earth Science Museum zu besichtigen.
Hans Pflug erforschte die Ernietta-Fossilie und veröffentlichte seine Ergebnisse 1964. Die Ernietta war sackförmig in verschiedenen Größen, die wahrscheinlich halb im Sand des Nama-Meeresbodens verankert war. Die obere Hälfte war zweiteilig. „Einige in Namibia gefundene Ernietta-Fossilien sind drei-dimensional, ihr Inneres ist teilweise mit Sand gefüllt“, teilte Vickers-Rich mit.
Da auf dem „Farm-Aar-Geo-Park“ im Süden Namibias die verschiedensten Fossilien dieser Periode gefunden wurden, sollen sie geschützt werden. Internationale Wissenschaftler haben gemeinsam mit Namibias geologischem Landesamt, das zum Bergbau- und Energieministerium gehört, den Denkmalrat des Landes ersucht, die Fundstätte zum nationalen Erbe zu erklären. Dieser Antrag wurde 2014 genehmigt.
Nun sollen der „Farm-Aar-Geo-Park“ und der Fischfluss-Canyon zum Weltkulturerbe erklärt werden. Vickers-Rich erstellt zurzeit den schriftlichen Antrag, der bei der UNESCO eingereicht werden muss. Die UNESCO hat die Fossilien-Forschungen dort schon mit zwei internationalen geowissenschaftlichen Projekten (international geoscience programme projects) IGCP493 und IGCP587 unterstützt.
Ein Museum für dieses kulturelles Erbe ist in Aus geplant. Dort soll nicht nur die paläontologische und geologische Geschichte dargestellt werden, sondern auch Historisches über die dort lebenden Menschen. Die dort lebende Gemeinschaft soll das Museum selbst verwalten. Das Museum soll auch Touristen anlocken. Schulkinder der Umgebung sollen durch Exkursionen und Projekte mehr über das wichtige Kulturerbe erfahren.
„Dadurch wollen wir das Interesse der Jugend für die Wissenschaft wecken und fördern. Hoffentlich entscheiden sich junge Namibier aus dem Süden für eine wissenschaftliche Laufbahn, abgesehen von Arbeitsplätzen durch das Museum“, sagt Vickers-Rich.
Die Forschungen im Süden Namibias und in anderen Ländern wurden 2003 bis 2016 durch beiden erwähnten UNESCO-IGCP Projekte und die weltbekannte National Geographic Society unterstützt. Spenden ermöglichen weitere Forschungen zurzeit in der „Wiege der Animalia“ – dem Ursprung der „modernen“ Tierwelt, wie wir sie kennen, und von uns Menschen.
Brigitte Weidlich