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Twyfelfontein – ein Tal mit Jahrtausende alten Felsgravierungen

Geschrieben von Namibia Focus | Jun 18, 2020 11:07:19 PM

Alte Felsmalereien in Europa und Afrika sind beliebte Touristenattraktionen und Namibias berühmte „Weiße Dame“ am Brandberg fasziniert immer wieder Besucher aus nah und fern. Nur eine kurze Autofahrt entfernt kann man in Twyfelfontein ein ganzes Tal mit erstaunlichen Felsgravuren sehen, die vor Tausenden von Jahren entstanden sind. Kein Wunder, dass dieser wertvolle Schatz zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt wurde.

Twyfelfontein, der nahe gelegene Verbrannte Berg und die ungewöhnliche Felsformation, die als „Orgelpfeifen“ bekannt ist, sowie die Brandberg-Felsmalereien, darunter die Weiße Dame, der Dorros-Krater und der Versteinerte Wald, sind eine Rundreise wert, wenn Sie den Nordwesten Namibias erkunden.

Weltkulturerbe als Besucher-Magnet: Das Tal von Twyfelfontein mit Tausenden Felsgravuren. Foto: Gondwana Collection

 

Späte Entdeckung der Kunst

Dieses Tal wurde erstmals 1921 von Reinhard Maack entdeckt. Maack ist besser bekannt für seine Entdeckung der Felsmalerei Weiße Dame am Brandberg im Jahr 1917 während des Ersten Weltkriegs. Auf einer weiteren Reise in die Region 1921 entdeckte er Twyfelfontein. Maack erwähnte in seinen Feldnotizen, dass er auf ein Gebirgstal mit sehr vielen Felsgravierungen gestoßen war. Die Entdeckung geriet 26 Jahre lang wieder in Vergessenheit.

1947 wurde den von Dürre betroffenen Farmern Land in dem bisher von Weißen nicht bevölkertem Gebiet gewährt. Die dortig ansässige einheimische Bevölkerung, die Nama-Damara spricht, wurde in der Nähe des Brandbergs umgesiedelt.

Der kommerzielle Farmer David Levin wurde 1947 Eigentümer dieser neu vermessenen Farm. Er bemerkte die uralte Felskunst, als er nach einer Quelle suchte, die bei der indigenen Bevölkerung als |Ui-Ais (das springende Wasser) bekannt ist. Levin nannte es „zweifelhafte Quelle“ - Twyfelfontein in der afrikaansen Sprache, da die Quelle manchmal versiegte.

Die Quelle entspringt unter einem Felsen. Foto: Michiel Levin

 

Es dauerte noch weitere drei Jahre, bis 1950 ein Experte dorthin reiste, um die Gravierungen zu untersuchen, die wilde Tiere auf über 200 riesigen Sandsteinplatten darstellen. Dr. Ernst Rudolph Scherz, der 1933 nach Namibia eingewandert war und von Beruf eigentlich Chemiker war, hatte ein großes Interesse an afrikanischer Felskunst entwickelt. Scherz war vom Twyfelfontein-Tal mit tausenden Gravierungen voller regelrecht überwältigt.

Die Familie Levin war sich des kulturellen Wertes von Twyfelfontein bewusst und zeigte die Kunst den wenigen Interessierten, die dorthin fuhren.

1965 mussten sie die Farm aufgrund des Odendaal-Plans aufgeben. Das war eine Initiative der südafrikanischen Apartheidregierung, um Farmen aufzukaufen und ein Gebiet für die indigene Bevölkerung zu schaffen - das Damaraland.

In der Zwischenzeit hatte Dr. Scherz ab 1960 begonnen, über 2.500 Felsgravierungen in Twyfelfontein mit Mitteln der Deutschen Forschungsgesellschaft akribisch zu dokumentieren. Von unschätzbarem Wert war die Mitarbeit seiner Ehefrau Anneliese, eine professionelle Fotografin.

Leider kam es im Laufe der Jahre zu Vandalismus, einige Gravierungen wurden beschädigt und einige sogar gewaltsam entfernt. Erst 1986 wurde das gesamte Tal zum Schutzgebiet erklärt.

Einige Fakten über Twyfelfontein

Twyfelfontein liegt im Huab-Tal der Etjo-Formation im Süden der Kunene-Region. Die Felsen mit dem Kunstwerk befinden sich in einem Tal, das von den Hängen eines Sandstein-Tafelbergs flankiert wird.

Das Gebiet war schon vor 6.000 Jahren bewohnt, zuerst von steinzeitlichen Jägern und Sammlern und später von Khoikhoi-Hirten, die mit den San (Buschmännern) verwandt sind.

Zahlreiche Felsgravuren und -zeichnungen sind bei Twyfelfontein erhalten. Foto: Sven-Eric Stender

 

Beide ethnischen Gruppen nutzten es laut dem National Heritage Council of Namibia NHC auch als Kultstätte und Ort, um „schamanistische Rituale abzuhalten“. Es wurden laut Dr. Scherz mindestens 2.500 Felszeichnungen sowie einige Felsmalereien geschaffen. Inzwischen wurden rund 5.000 erfasst.

Twyfelfontein weist eine der größten Konzentrationen von Petroglyphen (= Felsgravuren) in Afrika auf. Die Khoikhoi produzierten auch Felsmalereien, die sich deutlich von den älteren Gravierungen unterscheiden. Da Felsgravuren weniger verbreitet sind als Felsmalereien, ist Twyfelfontein ein ganz besonderes Beispiel für diese tausende Jahre alte Kunst. Heute enthält die NHC-Webseite schätzungsweise mehr als 5.000 Einzelbilder. Viele zeigen  kunstvoll gestaltete Tiere und ihre Spuren, menschliche Figuren und etwa ein Drittel sind abstrakt und sollen auch Rituale darstellen. Das Gebiet der Felskunst besteht aus vierzehn kleineren Standorten, die Scherz in seiner ersten Untersuchung vorgestellt hat.

UNESCO-Weltkulturerbe

2007 erklärte die Bildungs- und Kulturbehörde der Vereinten Nationen, UNESCO, Twyfelfontein zum Weltkulturerbe, das erste in Namibia. Einige Jahre später folgte das Weltkulturerbe Namib-Sand-Meer im Küstengebiet der Namib-Wüste.

Laut UNESCO „bildet die Felskunst in Twyfelfontein eine kohärente, umfassende und qualitativ hochwertige Aufzeichnung ritueller Praktiken in Bezug auf Jäger-Sammler-Gemeinschaften in diesem Teil des südlichen Afrikas über mindestens zwei Jahrtausende. Sie spiegeln eloquent die Zusammenhänge zwischen rituellen und wirtschaftlichen Praktiken von Jägern und Sammlern im Hinblick auf den Wert zuverlässiger Wasserquellen wider, die die Gemeinschaften saisonal pflegten“.

Alle Felsgravierungen und die wenigen Felsmalereien im Kerngebiet gelten als authentisches Werk von San-Jägern und -Sammlern, die lange vor dem Zustrom von Damara-Hirten und Europäern in der Region lebten.

Über Aussichtsplattformen gelangen Touristen zu der Felskunst. Foto: Sven-Eric Stender

 

Das Erbe für die Zukunft erhalten

Seit der Unabhängigkeit Namibias im Jahr 1990 hat die Regierung wichtige Schritte unternommen, um lokale Gemeinschaften in ländlichen Gebieten in touristische Standorte mit einzubeziehen. Lodges und Campingplätze schaffen Arbeitsplätze und Einheimische wurden auch für Führungen durch Twyfelfontein ausgebildet. Es wurde ein kommunales Schutzgebiet eingerichtet, von dem die Einheimischen durch den Tourismus profitieren.

Die Uibasen-Hegegebiet erteilte 1999 die Erlaubnis für eine Lodge innerhalb von Twyfelfontein am sogenannten „Zeremonieplatz“ in der Pufferzone. Laut UNESCO hat dies die Integrität der Felsgravuren in diesem Bereich etwas beeinträchtigt. Der allgemeine Erhaltungszustand von Twyfelfontein hat sich in den letzten Jahren jedoch verbessert, wie UNESCO anerkennend feststellte, insbesondere im Hinblick auf die Art und Weise, wie Besucher dort gehandhabt werden. „Die Umsetzung des Managementplans begann 2005“, so die UNESCO.

Die Lodge, der Campingplatz, das Besucherzentrum und die meisten anderen touristischen Einrichtungen werden als Joint Venture zwischen den Lodge-Eigentümern und der Twyfelfontein-Uibasen Conservancy verwaltet. Auf diese Weise wird die lokale Gemeinschaft einbezogen und dieses wichtige Kulturerbe für zukünftige Generationen erhalten.

Brigitte Weidlich