Emsig tragen die Arbeiterinnen trockenes Pflanzenmaterial zu einem kleinen Loch im Boden. Andere klettern die wenigen Grashalme empor und schneiden sie in zwei bis drei Zentimeter lange Stückchen, um sie dann in den unterirdischen Bau zu bringen. Es handelt sich um Grasschneidetermiten oder Erntetermiten, von denen es zwei Arten in Namibia gibt. Eine Art, Microhodotermes, kommt nur im Süden des Landes zwischen Ariamsvlei und Lüderitzbucht vor, derweil Hodotermes mossambicus im restlichen Land selbst an den Dünenrandzonen zu finden ist.
Im Gegensatz zu fast allen anderen Arten können Grasschneidetermiten ihre Ernte im Sonnenlicht einholen, da sie entsprechend pigmentiert und so vor Austrocknung und UV-Belastung geschützt sind. Alle anderen Arten – in Namibia gibt es etwa 60 Arten in 33 Gattungen – müssen entweder im Schutz der Nacht oder durch die von ihnen angelegten Tunnel und durch Galerien an der Oberfläche zu den Nahrungsquellen gelangen. Diese „selbst gemauerten“ Strukturen schützen zudem vor Feinden, denen die Erntetermiten ansonsten schutzlos ausgeliefert sind. Besonders in Dürrezeiten, wenn die schützende trockene Vegetation fehlt, ist die Gefahr sehr groß.
Tokos, Würger, Racken, Stare, Weber und viele weitere Vogelarten lassen sich diese proteinreiche Nahrung nicht entgehen. Bevor die Termiten zurück in den Bau flüchten können, fressen die Vögel so viele Arbeiterinnen wie möglich. Da nützt es auch nichts, dass die größeren und mit Zangen bewehrten Soldaten versuchen, die Arbeiterinnen zu verteidigen.
Farmer meinen, dass Termiten während einer Trockenzeit die Weide zerstören und auch noch den letzten Grashalm unter die Erde tragen. Tatsache ist, dass die kleinen Insekten zu sehen sind, wenn kaum noch Weide vorhanden ist und die Bodenbedeckung fehlt. Sie erfüllen eine ganz wichtige Aufgabe, denn sie sind sozusagen die Regenwürmer der trockenen Gebiete. Ihre unterirdischen Bauten mit unzähligen Gängen lockern den Boden auf. Sie bringen trockenes Pflanzenmaterial unter die Erde. Dabei nehmen sie nicht mehr als sie benötigen, wie die Wissenschaftlerin Dr. Sabine Grube bereits vor zwanzig Jahren im Rahmen ihrer Studie im Etosha-Nationalpark festgestellt hat. An verschiedenen Stellen hatte sie vier Termitenvölkern die zu jenem Zeitpunkt natürliche Masse an trockener Vegetation zur Verfügung gestellt und anderswo weitaus mehr derselben Biomasse deponiert. Doch alle Termiten holten mehr oder weniger die gleiche Menge an trockenem Pflanzenmaterial ein.
Erntetermiten gehören zu den niederen Termiten, das sind die ursprünglicheren Arten. Höhere Termiten sind Pilzzüchter und verdauen Zellulose mit eigenen Enzymen. Niedere Termitenarten hingegen bauen die Zellulose mit Hilfe von Einzellern in der Gärkammer im hinteren Darmabschnitt ab. Es gibt zahlreiche andere Arten, die ebenfalls Gras sammeln, aber im Gegensatz zu den Grasschneidetermiten schneiden sie die Halme nicht in kurze Stückchen. Hodotermes mossambicus entfernt sich meist nicht mehr als einen Meter von ihrem Ausstiegsloch an der Oberfläche und benutzt es meist nicht ein zweites Mal. Das Loch wird versiegelt und ein neues einige Meter weiter geöffnet.
In guten Regenzeiten reduzieren Grasschneidetermiten ihre Ernteaktivität, stellte Dr. Grube fest. Die verfügbare Pflanzenmasse und deren Wassergehalt sind die entscheidenden Faktoren für die Erntetätigkeit von Hodotermes mossambicus. Bei hohem pflanzlichen Deckungsgrad (nicht nur durch Gräser) mit hohem Wassergehalt tendiert die Ernteaktivität gegen Null, so die Forscherin. Ohne Gras (wie im November) wird auf den Flächen auch gerne Bestandsabfall geerntet, z. B. von Fuchsschwanzgewächsen (Amaranthaceae), Mimosen (Mimosaceae) und Korbblütlern (Asteraceae). Hodotermes mossambicus hat ein weites Nahrungsspektrum. Zu Beginn der Trockenzeit steigt die Ernteaktivität laut Dr. Grube erst messbar an, wenn der Wassergehalt der Biomasse geringer als 10 % ist. Die Wissenschaftlerin hat derzeit die Projektleitung der Ostseestiftung inne.
Dirk Heinrich