Wie ein Vogel schwerelos in der Höhe schweben und das geräuschlos, ohne Motor. Segelflieger wissen wovon sie sprechen, wenn sie mit großer Begeisterung von ihrem geliebten Hobby erzählen. In Namibia ist das möglich.
Wussten Sie, dass man in Namibia wunderbar segelfliegen kann? Und dass hier sogar einer der idealsten „Hotspots“ für Segelflieger weltweit mit hervorragender Thermik liegt? Der Name „Bitterwasser“ ist international in Segelflieger-Kreisen bekannt.
Am Rande der Kalahari-Halbwüste etwa 170 km südöstlich von Windhoek entfernt liegt die Farm Bitterwasser, früher auch unter dem Namen „Diamantfarm“ bekannt. Die geographische Besonderheit dieser Gegend, nur knapp acht Kilometer von der Nama-Siedlung Hoachanas entfernt: riesige flache Ebenen zwischen sanft gewellten, roten Sanddünen. Das verursacht gute Thermik. Diese Ebenen werden auch (Salz-)Pfannen genannt und sind mehrere Kilometer lang und ebenso breit. Die sogenannte Bitterwasser-Pfanne ist allein drei Kilometer breit. Das eignet sich ganz toll für das Starten und Landen der Segelflugzeuge – Platz ist genug!
In den fünfziger Jahren hatte der damalige Farmpächter Peter-Jürgen Kayssler (1924-1999), der begeisterter Hobby-Segelflieger war, erkannt, dass die Pfanne sich gut fürs Segelfliegen eignen könnte. Er probierte es eines Tages einfach mal aus, noch mit Seilwinde, wie es damals üblich war. Es klappte wunderbar. Schon1960 fand das erste Segelfluglager auf der Farm Bitterwasser statt, die Zeit für die beste Thermik ist knapp drei Monate von November bis Januar. Es war schnell klar, dass dieser Flugsport in den Weiten am Kalahari-Rand Zukunft hatte. Obwohl die Farmwirtschaft viel Zeit beanspruchte, hatte Kayssler mit anderen Segelfliegern über die Jahre ein kleines „Mekka“ für diese Sportart geschaffen, von einfachen Campingplätzen bis zu festen, vorerst bescheidenen Unterkünften. Das Wort „Lodge“ kannte man in den siebziger Jahren noch nicht.
Deutsche Segelflieger fanden ihren Weg nach Bitterwasser, 1976 wurde der erste Weltrekord geflogen und international anerkannt. Kayssler begann mit der Tradition, je eine Palme für Flieger zu pflanzen, die Flugrekorde erzielt und auch weitere Errungenschaften in diesem Sport geschafft haben. Heutige Besucher der inzwischen zu einer modernen Touristen-Lodge entwickelten Anlage staunen über die Palmen-Allee auf Bitterwasser.
Nach Namibias Unabhängigkeit im März 1990 wurde Bitterwasser international noch bekannter. 1994 wurde der Pionier Peter Kayssler siebzig Jahre alt. Zeit, darüber nachzudenken, wie die Zukunft seines Lebenswerkes gestaltet werden sollte.
Eine Gruppe begeisterter Segelflieger tat sich zusammen, auch aus Deutschland und der Schweiz, und kaufte Bitterwasser 1994. Eine Firma wurde gegründet. Farmwirtschaft und allgemeiner Lodge-Betrieb werden weitergeführt. Wenn Hochsaison fürs Segelfliegen ist, herrscht Hochbetrieb auf der Pfanne, knapp dreißig Segelflugzeuge sind täglich in der Luft. Allein im November 2018 sind fünfzig Flüge über 1.000 Kilometer geflogen worden. „Die Flugbedingungen sind einzigartig“, schwärmen die Piloten.
Piloten müssen eine bestimmte Anzahl Flugstunden und ein ärztliches Attest vorweisen sowie internationale und namibische Richtlinien der zivilen Luftfahrt befolgen. Eine Auswahl von Segelflugzeugen verschiedener Typen steht zur Verfügung.
In der Nähe des Segelflugzentrums Bitterwasser gibt es noch drei weitere Segelfliegervereine. Alle vier Vereine sind Mitglieder des Dachverbandes „Soaring Society of Namibia (SSN)“.
Das wunderschöne Höhenerlebnis im Segelflugzeug über Namibias grenzenlose Weiten ist seit November 2018 auch ganzjährig möglich: Bis zur Höhe FL145 kann nun der Luftraum im ganzen Land zwölf Monate lang fürs Segelfliegen genutzt werden, statt wie bisher nur der südliche Luftraum.
FL145 bedeutet „flight level“ – also Flughöhe – bis zu 14.500 Fuß.
Brigitte Weidlich