Es gibt viele Momente in meinem Leben, in denen ich stolz auf meine namibischen Landsleute bin. Kürzlich hatte ich erneut Anlass dazu: sie taten sich zusammen, um dem Vandalismus an der hundert Jahre alten Bahnstation von Garub die Stirn zu bieten.
Vier junge Touristen, die mittlerweile als französische und kanadische Staatsbürger identifiziert wurden, sprühten Graffiti auf die Wände des alten Gebäudes und posteten anschließend Fotos auf ihrer Social-Media-Site. Sie wurden bald mit weiterem Graffiti in Namibia und auch in Südafrika in Verbindung gebracht. Die positive Reaktion auf die Fotos, die das Quartett zweifellos erwartet hatte, blieb aus. Die meisten Menschen waren entsetzt, dass ein Gebäude, das Teil des namibischen Erbes ist, entstellt wurde. Als der Fall die Runde machte, gelangten Bilder der mit Graffiti verunzierten alten Bahnstation in Garub auf die Titelseiten lokaler und internationaler Zeitungen. Die Leser forderten die zuständigen Botschaften auf, die Schuldigen für ihren Vandalismus zur Rechenschaft zu ziehen.
Dadurch rückte Garub ins Rampenlicht. Ich habe über die interessante Geschichte der Bahnstation in den letzten hundert Jahren nachgedacht, die ich gern mit Ihnen teilen möchte.
Garub liegt heute an der viel befahrenen Touristenroute zwischen Aus und Lüderitz im Süden des Landes. Das war nicht immer so. Garub begann in der Geschichte erst eine Rolle zu spielen, als 1906 die Eisenbahnlinie von Lüderitz ins Landesinnere gebaut wurde. Bei Garub wurde 1908 unterirdisches Wasser entdeckt – ein kostbares Gut in den extremen Verhältnissen der Wüste. Viele Jahre später wurde die Umgebung von Garub als Heimat der namibischen wilden Pferde bekannt.
Zur Zeit der vorigen Jahrhundertwende war der Weg von der Küste ins Inland eine beschwerliche Ochsenwagentour durch die Wüste Namib. Beiderseits der als Baaiweg bekannten Route war der Sand mit Tierknochen übersät, Zeugnis des akuten Wassermangels. Das damalige Lüderitzbucht war darauf angewiesen, Wasser per Schiff aus Kapstadt zu beschaffen, weil die kleine Entsalzungsanlage den Bedarf der Küstensiedlung nicht decken konnte. Im Nama-Krieg von 1904 bis 1907 wurde Lüderitzbucht ein wichtiger Versorgungsposten für die Schutztruppe, der Bau einer Eisenbahnlinie bekam Priorität. Der Abschnitt zwischen Lüderitz und Aus wurde 1906 fertiggestellt. Am 13. September erreichte die Strecke den Kilometer 105 – später Garub genannt, was auf Nama „Leopard“ bedeutet. Mit dem Tempo dieses Bahnbaus wurde damals ein Rekord aufgestellt: Täglich wurden 2,5 km Gleise gelegt! Kilometer 105 lag 767 m über dem Meeresspiegel und diente als Service-Haltestelle, um Holz, Kohle und Wasser der Dampflokomotiven aufzufüllen, bevor der steile Aufstieg nach Aus auf 1495 m Höhe in Angriff genommen wurde. Die Bahnlinie wurde später bis Keetmanshoop erweitert.
Erst im Februar 1908 wurde bei Kilometer 105 Wasser von guter Qualität entdeckt, ein Segen in der Trockenheit der Wüste. Eine Schmalspurstichbahn wurde gebaut, um das Wasser mit einem Gerätewagen vom zwei Kilometer entfernten Bohrloch zur Bahnstation zu transportieren. Garub wurde eine wichtige und zuverlässige Wasserquelle nicht nur für Dampflokomotiven, sondern auch für die Bewohner der Siedlungen im weiteren Umkreis.
Menschen strömten in Scharen in die südwestliche Ecke des Landes nachdem 1908 an einer Bahnstation etwas außerhalb von Lüderitzbucht Diamanten entdeckt worden waren. Mitten in der Wüste entstanden Diamantensiedlungen. In Lüderitzbucht herrschte reges Treiben. Häuser wurden im aktuellen deutschen Baustil errichtet, Frauen trugen die neueste europäische Mode und wie berichtet wurde, war Champagner preiswerter als Wasser, das weiterhin ein knappes und daher kostbares Gut blieb. Im Jahr 1911, zur Zeit des Diamantenbooms, als das Geld ebenso so locker saß wie der Champagner freigiebig floss, begann die Familie Lukowski von der nahegelegenen Farm Kubub Erfrischungen an der Bahnstation von Garub zu verkaufen. Zugreisende stiegen dort aus, um im Restaurant zu speisen oder etwas zu trinken. Mahlzeiten konnten vorab telefonisch von einer Station unterwegs oder in Aus bestellt werden, sodass bei der Ankunft des Zuges das warme Mittagessen bereits auf die Gäste wartete. Familie Lubowski füllte sogar eigenes Wasser ab, das sie als „frisches Garub-Wasser“ anpries.
1914 brach der Erste Weltkrieg aus, im September landeten Truppen der Union von Südafrika – die Union Defence Force (UDF) – in Lüderitzbucht. Sie sollten als Verbündete der Alliierten die deutsche Kolonie einnehmen. Die Schutztruppe hatte jedoch die Stadt bereits geräumt und war nach Osten abgezogen, wobei sie die Eisenbahnlinie hinter sich zerstörte. Die Verfolgung der Unionstruppen ging schleppend voran, weil die Bahnlinie repariert werden musste. Eine UDF-Vorhut erreichte am 16. Dezember 1914 Garub und stieß mit einer Nachhut der Schutztruppe zusammen, die in den Hügeln stationiert war, um den Rückzug der übrigen Truppe ins Landesinnere zu sichern. In dem Gefecht fielen ein Schutztruppler und zwei UDF-Soldaten.
Am 22. Februar 1915 traf das Gros der Unionstruppen in Garub ein. Die Bahnstation lag in Schutt und Asche, die Bahnlinie nach Osten war gesprengt und die Wassertanks waren abgerissen worden. Die südafrikanischen Soldaten machten sich sofort an die Reparaturarbeiten. Ein Foto zeigt ein Gespann von dreißig Maultieren, die Bohrmaschinen durch die Wüste ziehen. Die Unionstruppen blieben mehrere Wochen in Garub und bauten eine Schmalspurschleife vom Bohrloch zum Bahnhofsgebäude. In jener Zeit waren dort 10.000 Soldaten und 6.000 Militärpferde konzentriert. Ich finde es immer wieder ungeheuerlich, mir eine solche Szene in Garub vorzustellen: Hunderte von Armeezelten auf der sandigen Fläche und unzählige Pferde, die Staubwolken aufwirbeln. General Botha besuchte das Lager persönlich, um die Moral zu stärken, während sich die Truppen auf den Kampf vorbereiteten.
Nur dreißig Kilometer weiter östlich hatte sich die Schutztruppe in Erwartung eines großen Gefechts in den Hügeln bei Aus verschanzt. Immer wieder flog ein deutsches Flugzeug über das UDF-Lager bei Garub und warf gelegentlich Bomben ab. Abgesehen von dem einen oder anderen Scharmützel kam es bei Aus aber nie zum Gefecht. Die Schutztruppe war den UDF-Kontingenten zahlenmäßig hoffnungslos unterlegen und zog angesichts der Nachricht, dass Unionstruppen auch von Osten her auf dem Vormarsch waren, nordwärts nach Gibeon. Dort fand Ende April 1915 ein bedeutendes Gefecht statt. Ein Friedensabkommen wurde schließlich am 9. Juli 1915 in Khorab unterzeichnet und damit endete der Südwestafrika-Feldzug der UDF.
Auf der Strecke von Lüderitz nach Keetmanshoop blieb Garub eine wichtige Station zum Auffüllen von Wasser, bis die Dampflokomotiven in den 1960er Jahren durch Diesel-Loks ersetzt wurden. Das Bohrloch wurde jedoch weiter instandgehalten, um die Bahnarbeiterteams mit Wasser zu versorgen. Zudem sorgte die Bergbaugesellschaft Consolidated Diamond Mines (CDM) gemeinsam mit der Südafrikanischen Eisenbahn dafür, dass die wilden Pferde ständig Wasser an der Tränke bei Garub vorfanden. Teile des Diamanten-Sperrgebiets, einschließlich der Gegend, in der sich die Pferde aufhalten, wurden Ende der 1980er Jahre dem Namib-Naukluft-Park angegliedert. Um den angrenzenden Teil der Namib zu schützen, wurde 2004 der Nationalpark Tsau //Khaeb (Sperrgebiet) gegründet.
Einige Kilometer östlich von Garub ist ein altes Bohrloch wieder in Betrieb genommen worden, das Farmer in Notzeiten nutzten, in denen die Gegend als Weide gebraucht wurde. An dem Bohrloch wurden Tränken und ein Aussichtsstand errichtet, damit die Öffentlichkeit die wilden Pferde beobachten kann, wenn sie zum Wasser galoppieren, um ihren Durst zu stillen.
Was das alte Bahnhofsgebäude betrifft: Nun ja, umrahmt von einigen kahlen Baumstämmen ruft es immer noch in malerischer und ausdrucksvoller Weise die Erinnerung an eine andere Zeit wach. Im Laufe der Jahre wurden Teile des Bodens und des Dachs entfernt und das Glas in den Fenstern zerbrochen. Besucher, junge wie alte, halten vor dem historischen Gebäude an und posieren für Fotos. Manchmal suchen wilde Pferde dort schattige Plätzchen auf. Nach wie vor ist es eines der Wahrzeichen vergangener Tage in diesem Teil der Wüste, wie die Bahnstationen Grasplatz und Kolmanskuppe und die Jugendstilhäuser in Lüderitz. Sie sind integraler Bestandteil des faszinierenden Süden des Landes, in dem Wasser, Diamanten und wilde Pferde über die Jahre hinweg eine wichtige Rolle spielten. Und wo Reisende sich zwischen dem stets großartigen Fischfluss-Canyon und dem Sossusvlei niederlassen, um auszuruhen, zu genießen und zu erkunden.
Manni Goldbeck