Namibia Focus

Namibias Politik auf den Punkt – Juni 2020

Geschrieben von Namibia Focus | Jul 1, 2020 10:34:28 AM

Namibias Wahlkommission hat angekündigt, dass die Wahlen für Stadt- und Regionalräte am 25. November stattfinden werden. Die Wahlkommission ist zuversichtlich, dass die Coronavirus-Krise bis dahin soweit abgeflaut ist, dass die Wähler ihre Stimme abgeben können.

Präsident Hage Geingob hat Anfang Juni im Parlament seine jährliche Rede zur Lage der Nation gehalten. Die Abgeordneten im Tintenpalast begannen auch über eine mögliche Legalisierung von Abtreibungen zu debattieren, ebenso über die Wirksamkeit der nationalen Versöhnungspolitik.

Ein wegen Hochverrats verurteilter Caprivi-Separatist, Geoffrey Mwilima, könnte aus humanitären Gründen früher aus der Haft entlassen werden.

Clara Gowases. Foto: Republikein

 

Die Parlamentsabgeordnete der Republikanischen Partei, Clara Gowases, ist verstorben. Sie wurde im September 2009 zur Vorsitzenden der Republikanischen Partei gewählt. Im März 2011 trat der Parteipräsident und einzige Vertreter der RP in der Nationalversammlung, Henk Mudge, zurück. Gowases wurde seine Nachfolgerin im Tintenpalast und hatte den Sitz bis zu ihrem Ableben inne.

Namibia trauert auch um die Ehefrau von Herero-Chief Vezemburuka Kambasembi, Uaripi, die mit nur 40 Jahren verstarb. Sie war die Tochter von Paramount-Chief Kuaima Riruako.

Chief Kambasembi und Frau. Foto: Facebook

 

Staatsoberhaupt über die Lage der Nation

Anfang Juni hat Präsident Hage Geingob seine jährliche Rede zur Lage im Parlament vorgetragen. Da in Namibia der jeweilige Präsident direkt gewählt wird, ist er nicht Mitglied des Parlaments. Das Staatsoberhaupt nutzte seine Regierungserklärung, um auf die Erfolge seiner ersten fünfjährigen Amtszeit hinzuweisen, die am 20. März endete. Als Geingob die Bekämpfung der Korruption erwähnte, gab es laute Zwischenrufe von den vier Mitgliedern der neuen Partei Landless Peoples Movement (LPM – Bewegung der Landlosen). Trotz Aufforderung des Parlamentspräsidenten, sich an die Sitzungsregeln zu halten, wurde die Rede des Staatsoberhaupts unterbrochen. Geingob musste sich für einige Minuten setzen, bis wieder Ruhe herrschte. Es war das erste Mal in Namibias dreißigjähriger Parlamentsgeschichte, dass die Rede des Präsidenten so gestört wurde.

Geingob kündigte in seiner Rede an, dass die Regierung bald Maßnahmen für die Zeit nach dem Coronavirus ankündigen werde. „Ich verstehe die Sorgen und Ängste unserer Bürger, die nicht nur jahrelange Dürre und eine schwache Konjunktur, sondern auch die Coronakrise durchleben müssen, aber wir stehen alles gemeinsam durch“, betonte Geingob.

Langjähriger politischer Häftling wohl bald frei

Innenminister Frans Kapofi hat gesagt, die Regierung erwäge die Möglichkeit, den ehemaligen DTA-Abgeordneten in der Nationalversammlung, Geoffrey Mwilima, freizulassen. Gespräche auf Regierungsebene über seine Freilassung seien im Gange. Kapofi beantwortete eine Frage von PDM-Parteipräsident McHenry Venaani im Parlament. Dieser wollte wissen, ob die Regierung Mwilima aus humanitären Gründen freilassen wird.

Mwilima verbüßt eine 18-jährige Haftstrafe, nachdem er wegen Hochverrats und anderer Anklagen verurteilt wurde. Mwilima und weitere Personen wurden am 4. August 1999 verhaftet und wegen Hochverrats angeklagt, da sie die Caprivi-Region (jetzt Sambesi) von Namibia abspalten wollten. Das Gerichtsverfahren zog sich jahrelang hin. Der jetzt 65-jährige Mwilima befindet sich in der Justizvollzugsanstalt in Windhoek. Er ist seit Jahren chronisch krank.

Sonderstatus für Oppositionsführer Venaani

Präsident Hage Geingob hat die Schaffung eines Bürokomplexes für den Führer der offiziellen Opposition im Parlamentsgebäude genehmigt. Dies hat die Ministerin im Präsidialamt, Christine Hoebes, angekündigt. Die Genehmigung erfolgte, nachdem der Präsident verschiedene Interessengruppen einbezogen und einen Überprüfungsbericht der Kommission für öffentliche Ämter erhalten hatte. Die Einrichtung des Büros birgt finanzielle Kosten, die vom Staat übernommen werden. Die PDM-Partei begrüßte den Schritt und sagte, dieser Status sollte nicht als Vorteil des derzeitigen Führers der offiziellen Oppositionspartei angesehen werden. Die Entscheidung sei an Demokratien auf der ganzen Welt gemessen worden, insbesondere in Commonwealth-Ländern.

Es ist in Commonwealth-Staaten üblich, dass der Präsident der größten Oppositionspartei, die im Parlament vertreten ist, einen Sonderstatus hat, der mit gewissen Privilegien verbunden ist. In Namibia hat die Opposition seit langem darauf gedrungen, dass dies auch hier im Land eingeführt wird.

Nationale Versöhnung bleibt ein Dauerthema

Im Parlament begann Ende Juni eine Debatte über die Politik der nationalen Versöhnung, die zu Namibias Unabhängigkeit 1990 von der regierenden SWAPO-Partei ausgerufen, aber nicht schriftlich verankert wurde. Der Präsident der SWANU-Partei, Tangeni Iiyambo, hatte im Juni den Antrag in der Nationalversammlung gestellt.

Die von der Regierung 1990 erklärte nationale Versöhnung sei nicht schriftlich festgelegt worden, teilte Iiyambo mit. Kapitel Drei der namibischen Verfassung schütze die grundlegenden Menschenrechte. „Die Vergangenheit betreffs des Freiheitskampfes und dass Einwohner gegeneinander gekämpft haben, ist nicht aufgearbeitet worden wie in Südafrika, “ sagte er. Dort habe es eine Wahrheits- und Versöhnungskommission gegeben, die viele Gräueltaten und Unrecht dokumentierte. Auch im namibischen Freiheitskampf sei auf beiden Seiten Schlimmes geschehen. Die letzten 30 Jahre sei wenig von nationaler Versöhnungspolitik zu spüren gewesen. Das bedrohe Namibias Einheit, Frieden und Stabilität. Sogar ehemalige Kolonialmächte müssten noch um Vergebung für Gräueltaten bitten, so Iiyambo.

Die Politik der nationalen Versöhnung sei von der regierenden Partei bestimmt worden. Wer auf der anderen Seite stand, werde noch stigmatisiert. Iiyambo forderte eine Versöhnungskommission. Ein ähnliches Bemühen ist schon kurz nach 1990 von der Regierung abgeschmettert worden. Die Debatte wird erst im kommenden Monat (Juli) abgeschlossen. Verschiedene SWAPO-Abgeordnete haben sich bereits an der Debatte beteiligt, auch Kabinettsminitier. Sie alle lehnten bisher den Antrag und die Einrichtung einer Versöhnungskommission ab. Nach Abschluss der Debatte wird über den Antrag abgestimmt. Die SWAPO hat 55 Sitze im Parlament und die Opposition 41.

Verstoß gegen das Diskriminierungsgesetz

Ein 24-jähriger Lehrer wurde im Amtsgericht von Bethanien beschuldigt, tribalistische Kommentare über eine andere Sprachgruppe gemacht zu haben. Der Lehrer wurde vom Schuldienst suspendiert. Die staatliche Schule Bethanien, an der er unterrichtete, hat auch ein internes Disziplinarverfahren eingeleitet. Die gerichtliche Anklage lautet Verstoß gegen das Rassendiskriminierungsgesetz und Drohungen gegen die Nama-sprechende Minderheit in Namibia. Die tribalistischen Bemerkungen und Drohungen soll der Lehrer in den sozialen Medien veröffentlicht haben. Er ist nach einer Kautionszahlung vorerst auf freiem Fuß.

Brigitte Weidlich