"Als sie [die Hereros] eben weg waren, wurden wir durch ein starkes Gewehrfeuer in der Nähe erschreckt. (...) Es blieb uns kein Zweifel darüber, dass dies Feuer das schreckliche Signal eines Ueberfalls sei. Frauen und Kinder, von denen einige bereits ihres Schmuckes beraubt waren, kamen in Angst und Bestürzung zu uns geflohen und erzählten, dass die Namaquas [Oorlam/Nama] im Anzuge seien. Wir zogen uns in unser Haus zurück. (...) So sassen wir denn da in Erwartung des Todes (...)".
Das schreibt Missionar Friedrich Kolbe in seinem Tagebuch über den blutigen Überfall von Oorlam-Kaptein Jonker Afrikaner auf den Herero-Führer Kahitjene am 23. August 1850 in Okahandja. Die Angreifer gehen rücksichtslos vor. Frauen hacken sie Hände und Füße ab, um an die begehrten Bein- und Armringe aus Eisen zu gelangen; auch Kinder verschonen sie nicht. Kahitjene versucht, mit einigen seiner Männer zu fliehen, wird aber an einer Felskuppe gestellt, wo die Angreifer seine Gefolgsleute töten. Nachdem Kahitjene einen der Oorlam mit einem vergifteten Pfeil vom Pferd schießt, ziehen sich seine Gegner zurück. So gelingt ihm die Flucht...
Das blutige Gemetzel spielte sich vor 160 Jahren an einem Ort ab, den heute Hunderte Windhoeker auf ihrem Weg an die Küste passieren: Ein unscheinbarer, aus Felsen bestehender Hügel rechterhand der vierspurigen, asphaltierten Straße, die westlich am Ort Okahandja vorbeiführt. Nur wenige kennen seinen Namen: 'Mordkuppe'. 1972 zum Nationalen Denkmal erklärt und mittlerweile von einem Zaun aus NATO-Draht umgeben, mahnt der Felsen an jenes Gefecht zwischen Herero und Oorlam im August 1850.
Der Überfall auf Kahitjene war von Oorlam-Führer Jonker Afrikaner angeordnet worden, der seinen Sitz in Windhoek hatte. An seiner Seite kämpften Berg-Damara und Mbanderu-Herero. Wie Missionare und Forscher in jener Zeit berichten, waren derartige Überfälle nichts Außergewöhnliches. Die zu den Bantu-Völkern gehörenden Herero waren von Norden her in das Gebiet des heutigen Namibia eingewandert und trafen auf die von Süden her vorstoßenden Khoisan-Völker der Oorlam und Nama. Aber auch untereinander lieferten sich Herero-Gruppen blutige Gefechte. Meist ging es dabei um Vieh. Der Reichtum eines Führers wurde in Rindern und Schafen gemessen. Für Vieh konnte man Gewehre, Pferde und andere 'europäische' Handelsgüter eintauschen sowie Verbündete für deren Unterstützung gegen Feinde belohnen.
Doch bei dem blutigen Gefecht zwischen Jonker Afrikaner und Kahitjene war offenbar mehr im Spiel. In einer Quelle ist von Blutrache die Rede: Jonker soll auf dem Rückweg von einem missglückten Beutezug mehrere Hereroführer in sein Lager eingeladen und sie ermordet haben, um sich ihres Viehs zu bemächtigen. Einer der Gemeuchelten sei ein Halbbruder Kahitjenes gewesen, heißt es. Kahitjene habe daraufhin versucht, Jonker anzugreifen, sei jedoch zurückgeschlagen worden. Um weiteren Versuchen zuvor zu kommen, könnte Jonker Kahitjene den tödlichen Stoß versetzt haben wollen. Überzeugender klingt dagegen, dass Jonker seine Vormachtstellung gefährdet sah. Kahitjene hatte sich bei Okahandja niedergelassen, kurz nachdem Missionar Kolbe im April 1850 dorthin gezogen war. Missionare galten als beliebte Anlaufstellen für Händler sowie als gute Informationsquellen.
Wie viele Herero an jenem 23. August 1850 ihr Leben gelassen haben, lässt sich nicht mehr feststellen. Einige Quellen berichten von 700 Opfern. Historiker zweifeln daran ebenso wie an der Zahl der Angreifer: 350 Mann sollen es gewesen sein, darunter 150 mit Gewehren und 40 auf Pferden. Auch die Berichte von der Grausamkeit wird von manchem als übertrieben bezeichnet: Die Darstellung der Gewalt zwischen den Völkern habe dazu gedient, Eingriffe der Europäer zu rechtfertigen - die Vermittlungsbemühungen der Missionare ebenso wie später die Schutzverträge der deutschen Kolonialmacht.
Die Mordkuppe markiert nicht nur ein blutiges, sondern auch entscheidendes Gefecht. Kahitjene wurde vernichtend geschlagen, seine Anhänger verließen ihn und schlossen sich anderen Herero-Führern an oder suchten bei der Missionsstation im nahe gelegenen Otjikango Schutz, heute bekannt als Gross Barmen. Kahitjene gelang es zwar, Jonker zu entkommen, aber er kam nur wenige Jahre später in einem Erbstreit ums Leben. So erreichte Jonker sein Ziel, die Vormachtstellung auf viele Jahre zu behaupten. Mehrere Herero-Führer baten ihn in der Folgezeit um Hilfe, nachdem sie überfallen worden waren und den Angreifern ihr abgetriebenes Vieh wieder abnehmen wollten.
Zugleich setzte das Gefecht der Mission in Okahandja ein vorläufiges Ende. Missionar Kolbe und dessen Frau wurden von Jonkers Leuten zwar verschont, aber auch sie verließen den Ort und gingen nach Otjikango. Kurz darauf setzte Kolbe seine Tätigkeit in Otjimbingwe fort. Doch 1852 trat er aus der Rheinischen Mission aus.