Namibia Focus

Mit der Familie durch den Nordwesten Namibias

Geschrieben von Namibia Focus | Oct 19, 2020 10:47:09 PM

Die Gegend ist nicht das typische Reiseziel für Afrikaeinsteiger und normalerweise trifft man dort auch keine reisenden Familien. Die Lodges lassen sich an einer Hand abzählen und sind eher für das betuchtere Publikum, das mit einem Buschflieger anreist, gedacht als für kinderreiche Familien. Die Anzahl der Campingplätze ist sehr überschaubar und nicht selten ist ein schönes, lokales Camp von einer Saison zur anderen von Elefanten oder vom Wasser zerstört worden. So braucht es für eine Reise in das Kaokoveld mehr logistische Planung als für andere Teile des Landes und außerdem die Bereitschaft, die westliche Zivilisation mit ihrer vorgegaukelten perfekten Sicherheit ein Stück zu verlassen. Also ein echtes Abenteuer.

Weit führt uns der Weg in den sandigen Norden.

 

Wer schon  zwei-, dreimal als Familie mit einem Mietwagen im südlichen Afrika unterwegs war, gerne Neues für sich entdeckt und mit den Unwägbarkeiten einer Safari umgehen kann, für den mag diese herrliche Wüstengegend mit seinen freundlichen Einwohnern genau das Richtige sein.

Da wir auf abgelegenen Wegen unterwegs sind und auch mal spontan an einer schönen Stelle unser Zelt aufbauen werden, ist ein gut organisierter Großeinkauf in Windhoek wichtig, um für 14 Tage autark sein zu können. Wir tanken in Outjo, Kamanjab und dann in Palmwag, damit wir unsere Dieseltanks mit Sicherheit vollbekommen. Ich habe in den vergangenen Jahren Engpässe an allen Tankstellen in der Kuneneregion erlebt. Kamanjab, Palmwag, Sesfontain, Opuwo und Ruacana…

Als Faustregel gilt also: Immer auftanken, wenn Kraftstoff verfügbar ist, damit man nicht mit der Familie an einer Tankstelle sein Zelt aufbauen muss, um auf die nächste Lieferung zu warten.

Unsere erste Station ist der Waterberg, um die lange Strecke nach Palmwag nicht an einem Tag fahren zu müssen. Am Grootbergpass verändert sich die Landschaft, für uns beginnt dahinter die Wüste. Langsam kämpft sich unser Landrover auf die Anhöhe, wo sie uns mit einem schönen Blick in die Abendsonne belohnt. Zebras und Kudus zeigen sich am Hang gegenüber und unsere vierjährige Tochter freut sich über die ersten Tiere nach der langen Anreise.

Der große Landrover ist für die Fahrt gut ausgerüstet und speziell für eine Familiensafari eingerichtet. Zwischen den beiden Frontsitzen haben wir einen Landrover Sitz eingebaut und darauf einen normalen Kindersitz befestigt. So sitzt Marlene zwischen Andrea und mir und kann alles gemeinsam mit uns erleben. Sie braucht keinen Bildschirm mit Videos zur Überbrückung, denn Langeweile kommt nicht auf.

In der Regenzeit ist manchmal kein Weiterkommen, hier ein Nebenarm des Hoarusib.

 

Wir bleiben ein paar Tage auf der Palmwag Campsite, um ohne Hektik ins Kaokoveld zu starten. Zum Sonnenaufgang machen wir eine Ausfahrt ins Konzessionsgebiet und ruhen in der Mittagszeit im Schatten der Palmen oder am kühlen Pool im Camp. Mit großer Freude entdecken wir einen Leoparden in den Hügeln, der unbeeindruckt von uns durch die morgendliche Ruhe schreitet. Es gibt  viel zu sehen, neben Springböcken und Oryxantilopen begegnen wir auch Giraffen und Wüstenelefanten.

Im Camp besucht uns zu Marlenes großer Freude am frühen Abend ein Elefantenbulle, der auf seinem festen Weg durch das Camp wandert, um Makalani-Nüsse von den Palmen zu schütteln. Bei so einem Erlebnis darf man schon mal länger aufbleiben. Deutlich hebt sich seine Silhouette vor dem hellen Nachthimmel ab und manchmal wird er von der Platzbeleuchtug angestrahlt. Natürlich ist seine und unsere Sicherheit wichtig und wir lassen ihm genug Platz, damit er seinen Weg gehen kann.

Geduldig beantworten wir alle Fragen von Marlene, die ihn im sicheren Abstand auf meinem Arm fressen hören kann.

Frühes Aufstehen wird belohnt: Wir sind zum Sonnenaufgang am Tor ins Konzessionsgebiet. Der kühle Morgen bietet sich an, um ein Stück auf der Dachbank mitzufahren. Andrea und Marlene sind eingecremt, mit Hut, Sonnenbrille und Fernglas ausgerüstet und angeschnallt. Durch die offene Dachluke können wir kommunizieren und mir werden die Tiere durchgegeben, die von oben natürlich leichter zu sehen sind. Nach einigen steilen und steinigen Passagen, die sich oben wie Elefantenreiten anfühlen, rasten wir unter einem der wenigen Bäume, die uns Schatten spenden.

Es gibt frische Avocados und Schinkenbrote, dann noch einen Kaffee vom Gaskocher mit einem Keks. Danach rollen wir mit 15 km/h pro Stunde weiter. Für eine Fahrt auf dem Dach ist es nun zu heiß und Marlene schläft in ihrem Sitz. Das gibt uns Eltern Zeit, die nächsten Tage detaillierter zu planen.

Am Nachmittag verlassen wir die heißen Berge und eine langgezogene Fata Morgana begleitet uns die nächsten Stunden Richtung kühlem Westen, wo der Atlantik die Wüste mit seinem Klima bestimmt.

Hier kreuzen immer wieder Nashornspuren unseren Weg, der dreizehige Abdruck ist gut von anderen zu unterscheiden und läuft immer wieder parallel zu unserem Fahrweg. Nach einiger Zeit werden die einzelnen Spuren feste Pfade, die neben dem Weg herlaufen und uns zu einer permanenten Wasserstelle bringen. Hier habe ich schon oft Spuren von Löwen, Nashörnern und Elefanten gesehen, aber heute bevölkern Nilgänse und Flughühner das Wasser. Einige Oryxantilopen und Strauße beobachten uns entspannt. Von hier aus ist unser abendliches Quartier nicht mehr weit, der riesige schwarze Bergrücken ist schon zu sehen und wird beim Näherkommen immer mächtiger. Wir kommen rechtzeitig zum Sundowner oben an. Kalte Böen blasen die Hitze der warmen Steine davon. Wir stellen unser Auto in den Wind und bauen auf der geschützten Seite unser Familienzelt auf.

Die Einsamkeit in der Steinwüste lieben wir.

 

Man merkt, dass hier schon einige Reisende campiert haben, da die Feuerstelle mit einem hohen Steinkreis eingefasst ist. Tatsächlich scheint sie jedesmal, wenn ich diesen Platz wieder besuche, ein Stück höher gewachsen zu sein. Marlene baut die Stühle auf und in dicke Jacken gehüllt genießen wir mit Blick auf die scheinbar endlos Richtung Atlantik rollenden Hügelketten unseren G&T und Marlene ihren Lieblingssaft.

Wir grillen Rinderfilet und essen kleine Gemsquash-Kürbisse dazu. In schwärzester Nacht zeichnen zahllose Sterne einen feinen Schatten von unserem Auto auf den kalten Fels.

Nachdem der Wind aufgehört hat und die Ruhe wie Samt im Ohr liegt, hören wir entfernt das Brüllen eines Löwen. Zwei-, dreimal… dann wieder Stille… und nochmal. Das Geräusch scheint durch die Berge zu wandern, immer weiter weg von unserem Lager. Unsere Tochter freut sich auf eine morgendliche Spurensuche, aber leider werde ich sie enttäuschen müssen, da unser nächstes Ziel, Warmquelle, in einer anderen Richtung liegt.

Bevor wir ein entspanntes Frühstück mit Eiern und Speck und dem grandiosen Ausblick genießen, wird das Auto gepackt, wobei hier jeder seine Aufgabe hat und Marlene beim Zeltabbauen und Abspülen hilft. Ein Kiesweg führt uns durch die trockenen Zuflüsse zum Hoanib, der in seiner spröden Idylle viele Touristen anzieht. Hier sind mittlerweile einige Lodges entstanden und viele Fahrzeuge haben leider eine feste Spur in das Tal gelegt. In dieser Gegend sind die Wüstenelefanten zu Hause, da es genug Wasser gibt und die große Akazien genüg Nahrung für alle Pflanzenfresser bereithalten.

Da Andrea und ich die Gegend im Hoanib bereits gut kennen und wir hier nicht unbedingt Elefanten treffen möchten, verlassen wir das Tal bei Amspoort im Osten wieder. Die Tiere hier im Tal stehen manchmal unter hohem Touristendruck und können in der felsigen Enge nicht ausweichen. So sind leider schon für beide Seiten unangenehme bis tödliche Zwischenfälle geschehen, und da wir vor einigen Jahren auch schon mal über 25 km im engen Nachbartal des Hoarusib von einem Bullen verfolgt worden sind, wollen wir dieses Abenteuer mit Marlene nicht wiederholen.

Langsam arbeitet sich der Land Rover durch den tiefen Kies aus dem Hoanib hinaus und in die Berge hinein. Große, graue Weite erstreckt sich bis zum Horizont. Der Boden ist übersät mit glitzernden Steinen, Antilopenkot, Spuren und verschiedenen Pflanzen. Immer wieder steigen wir aus, um zu erforschen. Marlene liebt das Entdecken, vieles schauen wir uns in der Becherlupe vor Ort an, sammeln Steine und brechen die verschiedenen Antilopenhinterlassenschaften auf, um zu sehen, was sie gefressen haben. Dabei erstaunt Marlene immer wieder, dass Giraffenköttel nur Olivengröße haben und Springbockkot wie Kirschkerne aussieht. Glücklicherweise haben wir genug Tüten und verschließbare Becher dabei, um Marlenes Sammelleidenschaft nachgehen zu können.

Ein toller Platz zum Spielen, hier hat Marlene einen Verkaufsladen für Steine aufgemacht.

 

Wir kreuzen den Hoarusib an einer östlichen Stelle in der Nähe der Grenze zum Skelettküsten-Park. Das Flusstal ist ein grünes Highlight mit Tiergarantie und inmitten der Wüste eine Wohltat für die Sinne, da der Fluss dort immer oberirdisch fließt und frisches Plätschern genussvoll an das Ohr dringt. Vor diesem dramatischen, felsigen Hintergrund werden immer wieder viele Fotos und Videos gemacht, wie Geländewagen durch tiefes Wasser pflügen, Fahrzeuge im Schlamm steckenbleiben oder durch die Felsenenge preschen, bis das Wasser an die Wände spritzt.

Wir verlassen das Tal auf dem Weg zum ruhigen Khumib. Kalter Wind weht uns entgegen, der uns schnell unsere langärmeligen Pullover überziehen lässt. Wir sind nur wenige Kilometer vom Meer entfernt und fahren zügig den zahllosen sandigen Spuren parallel zur Felsenkette nach, die uns von den Sanddünen trennt. Ein schmaler, sehr steiler Weg führt auf einen kleinräumigen Gipfel. Hunderte von Tierspuren ziehen sich über die steinigen Abhänge und zeigen uns, dass hier ein alter Pass in die Sandwüste führt. Ein starker Wind versucht uns vom Gipfel zu wehen, der Wagen schwankt in den Böen. Marlene meint, wir können hier ja mal unseren Drachen ausprobieren. Also steigen wir aus und auch Marlene ist beeindruckt vom Ausblick auf die nebelverhangenen Dünen. Unser kleiner Handdrachen ist schnell in die Luft geworfen, aber der Wind drückt ihn immer wieder zu Boden.

Fahrerwechsel, langsam wendet meine Frau in unendlich vielen Zügen den Wagen und Marlene sitzt die letzten Kilometer auf meinem Schoß. Von Wind und Temperatur geformte Felsen ziehen vorbei, sanft rollen wir über goldig glänzenden Sand. Große, runde Löcher im Gestein laden zum Spielen ein. Wir schlagen unser Zelt in der Nähe auf und genießen den Blick auf das vom nebligen Sonnenuntergang beschienene Khumib Tal.

Nach einer sternenklaren Nacht weckt uns das kalte und feuchte Grau des Himmels auf. Wir sind von dichtem Nebel umgeben, dicke Tropfen schweben in der Luft und liegen wie eisige Perlen auf unseren Schlafsäcken. Wo sich die Tropfen sammeln, zieht das Wasser eine feine Spur in den Staub des Landrovers. Die aufgehende Sonne lässt die Wolken schmelzen, die Felsen wirken wie frisch gewaschen und zeigen sich in beeindruckenden Farben, als die ersten Strahlen sie erreichen.

Die Hauptpiste bringt uns weiter in den Norden. Riesige Täler, von der ersten Eiszeit geformte Kiesflächen, Tafelberge und pyramidenähnliche Geröllberge prägen das Bild bis zur Mittagspause.

Einem Elefantenritt gleich geht es über die Felsen. Hier kommt Freude auf, wenn man dabei wie hier mit Freunden auf dem Dach sitzt.

 

Wir kommen mit durchschnittlich 40 km/h gut auf der Wellblechpiste voran. Aber durch den für diese Gegend starken Verkehr von zwei bis drei Fahrzeugen pro Tag ist die Strecke ausgefahren und für Wagen und Insassen sehr unangenehm geworden. Man hat bei zu hoher Geschwindigkeit ab ca. 50 km/h das Gefühl, die Kontrolle zu verlieren und bei zu langsamer Fahrt scheint das Auto auseinander zu brechen. Wir sind froh als wir bei Orupembe auf kleinere, weniger strapaziöse Wege ausweichen können.

Einen kurzen Stopp machen wir bei Red Drum, dem legendären Wegweiser aus der Kriegszeit. Hier legen wir einen kleinen, bemalten Stein ab, wie es mittlerweile üblich ist, und weiter geht es ins Marienflusstal.

Begegnung im Marienflusstal, auf dem Weg zur Wasserstelle.

 

Eine große Weite empfängt uns, in der sich das goldene Gras in der Nachmittagssonne wiegt. Andrea und Marlene sitzen wieder auf dem Dach und genießen die Aussicht und die würzige Luft, die hier nicht mehr so staubig scheint. Langsam rollen wir durch das immer wieder überraschend liebliche Tal. In der Ferne tauchen Himbahütten auf, winkend stehen Menschen weit entfernt im Busch. Ziegenherden ziehen in der Ferne von Kindern geführt an den Felsen vorbei, die rot in der Sonne leuchten. Unser Ziel ist das von einem Schweizer Paar geführte Camp Syncro (Anm: Seit einiger Zeit ist das Camp verkauft und das Paar mit seinem Baby in eine zivilisiertere Gegend der Welt gezogen). Die Freude ist groß, die Begrüßung wie bei alten Freunden herzlich. Marlene rennt mit den Hunden um die Wette und ist überrascht, große Bäume und einen echten Fluss mit Wasser zu sehen. Nein, baden kann man leider nicht, denn Krokodile ruhen schon auf der nahen Sandbank. Wir freuen uns aber auf die warme Dusche und den obligatorischen Sundowner zwischen hunderten von bunten Vögeln. Am nächsten Tag genießen wir die Ruhe im Camp, kraxeln auf die nächsten Hügel und schlendern am felsigen Flussufer entlang.

Am Abend kochen wir wie immer am offenen Feuer, diesmal die letzten Paprika, Äpfel und Zwiebeln, die zu gleichen Teilen mit Weißwein, Apfelsaft und Gewürzen eingekocht werden. Dazu gibt es einen frisch gestampften Kartoffelbrei. Mittlerweile sind drei weitere Fahrzeuge auf dem Platz angekommen und es wird lautstark das Camp aufgebaut. Wobei es scheint, dass eher die Frauen aufbauen und die Männer das Feuer machen und Gin Tonics verteilen. Es wird gefachsimpelt über die geleistete Strecke, die Land Cruiser und unseren kleinen Defender, der mit seinem eigentlich großen 130er Radstand zwergenhaft gegen die höher- und breitergelegten, mit allen erdenklichen Aus- und Aufbauten ausgestatteten, beigen Riesen daher kommt. Es sind Südafrikaner und sie scheinen überrascht, dass man Gemüse auch ohne Fleisch essen kann, ich keine Zigarette mit ihnen rauchen und nur drei GTs mit ihnen trinken will.

Nach einer lauten Nacht freuen wir uns, zum Sonnenaufgang vor dem Frühstück aus dem Camp in die Einsamkeit zu rollen.  Auf einem meiner Lieblingshügel machen wir Rast und genießen ein entspanntes Frühstück mit Speck und Ei , Kaffee und Tee.

Die Strecke über Red Drum nach Opuwo ist an einem Tag möglich, aber nicht empfehlenswert. Wir arbeiten uns langsam durch die steilen, sehr engen Felsen. Alles scheint zu glühen, kein vertrockneter Grashalm ist zu sehen, der Boden wirkt wie von der Sonne versengt. Damit kaum zu vereinbaren sind die Erinnerungen an die letzte Regenzeit, wo dieser Weg einem Sturzbach glich und wir uns gegen Wind und Wetter stemmen mussten, um nicht von den kalten Felsen geschwemmt zu werden.

Ach ja, das Hartmannstal: ein Wüstentraum mit Sand, Feenkreisen, sanften Dünen, roten Felsen, viel Wind, Morgennebel und Antilopen, die durch die Weite ziehen. Es liegt parallel zum Marienflusstal und ist es wert, besucht zu werden. Auch wenn mittlerweile unzählige, teilweise unerlaubte Verbotsschilder den Weg zieren.

Unser nächstes Ziel ist aber Epupa, und so fahren wir Richtung Osten, um am trockenen Hoarusib unter einer riesigen Akazie zu campen und am nächsten Tag ausgeruht im Chaos von Opuwo, der Hauptstadt der Gegend, anzukommen. Denn chaotisch kommt es uns immer wieder vor, wenn uns nach fast zwei Wochen Einsamkeit und Weite die Teerstraße und das laute Leben wieder hat, mit Ampel, Polizei, Straßenmärkten und einer überfüllten Tankstelle mit dubiosen Gestalten, Straßenverkäufern, freundlichem Personal, Schlangen am ATM und bettelnden Kindern. Dadurch, dass wir mit unserer Tochter nicht als typische Touristen gelten, sondern als Einheimische gesehen werden, sind wir nur kurz das Ziel der eifrigen Souvenirverkäufer, die schnell auf ein „No“ reagieren und dann beim nächsten Mietwagen mit Dachzelt ihr Glück versuchen. Nach dem Tanken fahren wir auf den Parkplatz vor dem Supermarkt. Wir winken einem Wachmann in gelber Weste, der eine rennende Kinderhorde stoppt, bevor sie in unser Auto erreicht. Tatsächlich ist es manchmal schwierig auszusteigen, da die Kinder Türen und Fenster belagern und nach „Empties“ rufen. Sie wollen leere Wasserflaschen. Die werden meist gebraucht, um im Dorf Wasser zu transportieren. Als die Gruppe weitergezogen ist, geben wir ein paar Nachzüglern, die nicht so aggressiv auftreten, unser Leergut und später auch von unseren Äpfeln, die wir zum Tausch gekauft haben. Marlene hat schon viele Kinder in Afrika getroffen, mit manchen in der Hütte gespielt, Ziegen gestreichelt oder ist gemeinsam auf Bäume geklettert. Oft haben wir mit ihr über die Kinder in Afrika gesprochen, über unterschiedliche Lebensweisen, Traditionen und auch Armut. Aber Opuwo ist für viele nur schwer auszuhalten, die zum ersten Mal Straßenkinder sehen, die Klebstoff schnüffeln oder Zigarettenstummel aufheben und zu Ende rauchen. Wir vermeiden Bettelei zu unterstützen, geben weder Geld noch Süßigkeiten, die evtl. an den Boss  weitergegeben werden müssen. Aber wir versuchen uns etwas Zeit zu nehmen und mit einzelnen ins Gespräch zu kommen. Dann essen wir gemeinsam Äpfel oder teilen unser Brot.

In den nächsten dreieinhalb Stunden bis nach Epupa wird erst noch viel über die Eindrücke gesprochen, dann darüber, wie wir diese Strecke in der Regenzeit erlebt haben, als sich die Straße nach starken Wolkenbrüchen teilweise in einen See verwandelt hatte und sich erst nach vielen Kilometern eine Bodenwelle wie eine Insel erhob. In diesem Jahr hatte der Okongwati, den man über eine gut befestigte Furt überquert, fast 1,5 m tiefes, reißendes Wasser, das die Bäume an unserem wartenden Konvoi vorbeitrieb. Doch nach ein paar Stunden unter kaltem, grauen Himmel sank der Wasserspiegel und der erste Pick-up ließ seinen Motor aufheulen und fuhr zügig mit voller Ladung durch die strömende braue Ursuppe. Langsam verschwanden die Schaulustigen und am nächsten Tag zeugte nur noch der dicke Schlamm von den Wassermassen.

Eine weitere Geschichte, nach der meine Tochter immer wieder fragt, die auf langen Fahrten detailreich ausgeschmückt wird und an die Zuhörer angepasst werden kann, ist die Überflutung vom Warmquelle Camp und die Zerstörung des Felsenpools. Ja, wir waren unten im Tal eingeschlossen vom Wasser und der grollende Lärm vom Wasser, das über die heruntergeschobenen Felsen aus den Bergen herabstürzte, war beeindruckend schrecklich. Überall kamen Skorpione und Spinnen, Mäuse und Vögel aus ihrem Versteck, um sich, meist vergeblich, einen neuen Platz zu suchen.

Marlene ist aber müde und unvermittelt in ihrem Sitz eingeschlafen, so dass die Geschichte heute ein schnelles Ende findet.

Der heute knochentrockene Weg nach Epupa zieht sich wie immer monoton in die Länge und wir sind schließlich froh, die ersten grünen Palmen zu sehen, unter denen die Camps in den Schatten der Nachmittagssonne als lang ersehntes Ziel erscheinen. Wir fahren durch den Ort, um an der letzten Flussbiegung unseren Übernachtungsplatz zu erreichen und freundlich begrüßt zu werden.

Nach einem schnellen Zeltaufbau freuen wir uns auf die letzten Sonnenstrahlen, die das Camp am Fluss erglühen lassen. Bei G&T für uns und Ginger Ale für Marlene.  Dann helfe ich ihr beim Feuer machen, wobei wir vorbildlich unsere Handschuhe anhaben, denn wenn ich es mal vergesse, bekomme ich Schimpfe. Handschuhe sind wichtig, da sich im Brennholz gerne Skorpione verstecken oder scharfe Splitter und Dornen den reibungslosen Ablauf behindern können. Ach ja, Skorpione können hier immer gesehen werden. Sie lieben die Palmen und lassen sich gut mit einer UV Lampe in der Nähe der Wasserhähne finden. So bekommt Marlene die Lampe und geht mit Andrea auf die Suche, während ich das Essen vorbereite. Dann geht es endlich in die riesige Sternendusche, ein Badezimmer mit Strohwänden ohne Dach. Die Palmblätter rascheln, das warme Wasser rauscht und die Sterne funkeln über unseren Köpfen. Nie war Duschen schöner!

Am nächsten Morgen stehen wir früh auf, denn wir freuen uns auf ein Treffen mit Himbas. Wir fahren mit einem Guide in ein Dorf, das ich schon sehr häufig besucht habe. Vor 15 Jahren leitete ich eine Forschungsreise, um mit einer Gruppe Studenten den Einfluss des Tourismus in der Region zu untersuchen. Wir interviewten den Häuptling, verschiedene Familien, besuchten Dörfer und sprachen mit Touristen und Veranstaltern.

Ich freue mich auf ein Wiedersehen und Andrea und ich sind neugierig auf die Reaktionen der Kinder, wenn wir mit Marlene dort ankommen.

Über unsere Begegnung mit den Himba, über die Lebensweise der Menschen und über richtiges Verhalten im Kaokoveld werde ich ein anderes Mal berichten. Soviel schon jetzt: Im Himbadorf war es für alle Beteiligten sehr spannend.

Eine späte Mittagspause gönnen wir uns unter Palmen im Sand, bevor wir auf den Aussichtshügel aufbrechen, um die Epupa-Fälle zu bewundern. Auch wenn der Kunene im Winter wenig Wasser  führt, ist es doch immer wieder ein friedliches Schauspiel, wie der Fluß durch das Tal mäandert, um sich aufzuteilen, grüne Palminseln zu bilden und dann tosend in die Schlucht zu stürzen. Von hier oben sieht man am eindrucksvollsten den starken Kontrast zwischen den heißen trockenen Felsen und dem zarten grünen Band, das sich am Flussufer zeigt und so eine scharfe Grenze nach Angola bildet.

Heute geht es früh ins Zelt, da uns der nächste Tag bis ins Olifantsrus Camp nach Etosha bringen wird. Über Opuwo fahren wir zurück, haben nun nach Wochen wieder Teerstraße unter den Reifen und fahren schneller als 80 km/h. Für unsere Tochter scheint es, dass wir das schnellste Auto der Welt sind. Erst nach einer halben Stunde werden wir von einem getunten Toyota überholt, aber da schläft sie schon wieder. Wir haben diesmal Gemüse für die Tage im Etosha-Nationalpark gekauft, da uns eine Fleischkontrolle kurz vor dem Parkeintritt bevorsteht.

Nach einer gründlichen Kontrolle und einem aufwendigen Check-in am Galton Gate haben wir Etosha erreicht und freuen uns über die Begrüßung der allgegenwärtig erscheinenden Springböcke. Da wir nach einem 10 Stunden Tag endlich an unserem Platz ankommen wollen, halten wir nicht bei den Wasserstellen, sondern suchen nur die Umgebung mit unseren Ferngläsern ab. Marlene hat ein eigenes Fernglas, damit wir alle von den Tieren etwas haben. Natürlich dauert es ein bisschen, bis sie damit umgehen kann, aber nach etwas Übung hat sie mehr von den Tierbeobachtungen.

An zwei Stellen sehen wir Löwen und Nashörner, an anderen frische Spuren, sodass es sich lohnt, am nächsten Tag mit mehr Zeit wiederzukommen.

Staub war alles, was wir sahen, als die Nashörner versuchten, sich gegenseitig das Revier streitig zu machen.

 

Das Olifantsrus Camp zeichnet sich durch seine Abgeschiedenheit aus. Es liegt im wenig besuchten Westen des Parks und die spannenden Tierbegegnungen lassen sich häufig alleine genießen.

Nach ein paar Tagen wechseln wir nach Okaukuejo. Nicht weil es besonders ruhig oder auf beiden Seiten der Mauer, die die Wasserstelle vom Camp trennt, sehr voll ist. Auch nicht wegen der freundlichen Mitarbeiter, sondern weil hier unser Babyfunk vom Wasserloch bis an eines der Waterhole Chalets reicht. In ihrem kleinen Moskito-Reisezelt schläft Marlene vor Insekten und Mäusen geschützt sicher im Chalet, während Andrea und ich die Nacht mit Snacks und gutem Wein alleine an der Wasserstelle verbringen können. Alleine! Ja, nach dem Abendessen verirren sich nur noch wenige Touristen auf die Bänke rund um das Wasser und die Nashörner, Elefanten, Leoparden und Geparden gehören nur uns. Bei lautstarken Auseinandersetzungen von Löwen oder Elefanten wären wir sofort bei Marlene, sollte sie erschrecken, aber sie schläft den Schlaf der Gerechten. Tatsächlich haben wir sie auch schon mal geweckt, um ein besonders schönes Erlebnis mit einer Hyänengruppe gemeinsam zu beobachten.

Dieses Highlight markiert leider den Endpunkt unserer Familienreise und mit vielen gemeinsam gesungenen Liedern kommen wir nach der langen Rückfahrt auf Teerstraßen gut gelaunt in unserem Quartier in Windhoek an.

Wenn Sie Namibia kennen, fragen Sie doch mal ihre Kinder, ob sie Lust auf noch mehr Abenteuer haben und lassen Sie sich auf das Kaokoveld ein. Sie werden Namibia neu verstehen lernen.

Lambert Heil