Namibia Focus

Mit den Lilien erscheint auch der Elefantenrüssler

Geschrieben von Namibia Focus | Mar 23, 2020 10:04:22 PM

Gemächlich klettert der knapp 60 Millimeter lange schwarze Rüsselkäfer mit den 2 mm knallroten oder orangenen Punkten an der Sandhof-Lilie (Crinum paludosum) empor und beginnt an einem Blütenstängel zu fressen. Einige Meter entfernt sitzt ein weiterer Elefantenrüssler (Brachycerus ornatus) auf einem der dunkelgrünen länglichen Blätter der Lilie und frisst genüsslich. Nach dem starken Regen und angesichts der binnen weniger Tage erscheinenden Lilien ist auch der Elefantenrüssler zugegen, da dieser Rüsselkäfer, einer der größten seiner Art, auf die Lilie angewiesen ist.

Die meisten Rüsselkäfer sind von nur einer Pflanze oder einigen wenigen Pflanzenarten abhängig, d. h. sie können ohne diese Pflanze oder Pflanzen nicht existieren. Auf der Farm Sandhof in der Nähe von Mariental im Süden Namibias ernährt sich der Elefantenrüssler nur von der Sandhof-Lilie. Der Käfer kommt jedoch in großen Teilen des südlichen Afrikas vor, u.a. im ehemaligen Buschmannland. Dort, im Kommunalen Hegegebiet Nyae Nyae in der Otjozondjupa Region, habe ich den Käfer in einer Pfanne entdeckt, in der die mit der Sandhof-Lilie verwandte Vleylilie (Crinum carolo-schmidtii) wuchs. Der Käfer fraß an dieser Blume. In Südafrika sind die Elefantenrüssler von Prof. Schalk Louw, einem gebürtigen Namibier, erforscht worden. Er fand sie auf der Erdlilie als Wirtspflanze (Ammocharis coranica).

Die Elefantenrüssler vermeiden den Kontakt mit Wasser und steigen auf jede kleine Erhöhung, auch wenn sie ein Artgenosse ist – so entsteht bald ein Knäuel von Käfern. Ansonsten erklimmen sie die Lilien, Steine oder die Einzäunung.

 

Der Elefantenrüssler ist völlig auf seine Wirtspflanzen angewiesen. Sie wachsen unter bestimmten Witterungsumständen und wenn sie erscheinen, kann auch der Rüsselkäfer „zum Leben erwachen“, fressen, sich fortpflanzen und Eier ablegen. Verschwindet die Pflanze, müssen auch der adulte Elefantenrüssler, seine Eier und/oder die Larven bzw. Puppen überwintern. Dem Rüsselkäferexperten Dr. Rolf Oberprieler zufolge ist sehr wenig über den Lebenszyklus des Elefantenrüsslers, vor allem der auf Sandhof vorkommenden Art, bekannt. Dr. Oberprieler, ein ehemaliger Schüler der DHPS in Windhoek, studierte und forschte in Südafrika und lebt jetzt in Australien. Laut Dr. Oberprieler überdauern wohl alle Brachycerus-Arten und auch andere bodenlebende Rüssler mehrere Jahre und graben sich im Winter unter Steinen ein, vielleicht auch direkt in den Boden. Wie lang sie leben ist bisher jedoch nicht genau bekannt. Drei Jahre lang überlebten Elefantenrüssler im Terrarium in Pretoria, so Dr. Oberprieler, aber die Bedingungen waren wahrscheinlich nicht optimal. In der Natur dürften die Käfer länger leben, vermutet der Forscher.

Sich paarende Elefantenrüssler am Rande der Pfanne auf der Farm Sandhof.

 

Zu den wenigen Feinden der großen Elefantenrüssler zählen wahrscheinlich Ameisen, die allem Anschein nach die im Boden abgelegten Eier der Käfer „aushöhlen“ können. Es wurde bisher nicht beobachtet, dass irgendwelche Tiere die ausgewachsenen Käfer oder die Larven fressen. Die Eier werden neben einer Wirtspflanze in den Boden gelegt. Die geschlüpften Larven graben sich Prof. Schalk Louw zufolge tiefer in den Boden bis unter die Zwiebel der Lilie. Von dort gelangen sie in die Zwiebel und fressen sich während ihres Larvenstadiums durch diese “Vorratskammer“ hindurch. Während des Wachstums häutet sich die Käferlarve einige Male. Ist sie ausgewachsen und die Zwiebel ausgehöhlt, gräbt sich die Larve wieder in den Boden ein und verpuppt sich. In diesem Stadium „verwandelt“ sich die Larve in einen Käfer, der als ausgewachsenes Tier schlüpft sobald optimale Umstände herrschen.

Louw und Oberprieler zufolge überwintern Eier, Larven, Puppen und/oder erwachsene Käfer in der Zeit zwischen den ergiebigen Regenzeiten, bis die Wirtspflanzen erscheinen. Laut Oliver Morgan, dem Eigentümer der Farm Sandhof, werden immer wieder Käfer an feuchten Stellen in Gebäuden gefunden, wie z.B. unter Säcken in der Futterkammer oder im Maschinenraum. Die Käfer leben noch und überwinterten wahrscheinlich an diesen Plätzen.

Dirk Heinrich