„Ich habe den gefährlichsten Beruf der Welt. Ich bin Rentner. Kein Rentner hat je überlebt.“ Helmut zur Strassen hat Schalk in den Augen und immer einen Witz parat, wenn man ihn trifft. Er erzählt gern und packend von seinem ereignisreichen Leben, das vor allem von seiner 44-jährigen Tätigkeit als Reiseleiter geprägt wurde. Kaum ein anderer hat so ein umfangreiches und fundiertes Wissen über Namibia.
Sein Wissensdurst wurde ihm gewissermaßen in die Wiege gelegt. Helmut zur Strassen wurde am 17. Februar 1929 in Frankfurt am Main geboren. Sein Vater war Professor der Zoologie, lange Zeit Direktor des großen naturwissenschaftlichen Senckenberg Museums in Frankfurt und nach dem Ersten Weltkrieg der Herausgeber von Brehm’s Tierleben, 13 Bände im Lexikonformat. Die hält Helmut noch heute in Ehren.
Während des Zweiten Weltkriegs musste Helmut schon im Alter von 13 Jahren Katastrophen- und Feuerwehrdienst leisten. Mit der Schule war‘s für den wissensdurstigen Jungen vorbei. Im Sommer 1944 hob er im Alter von 15 Jahren an der Westfront Panzergräben aus. Bei Kriegsende war er kurz in Kriegsgefangenschaft, konnte dann jedoch nach Hause zurückkehren und fand bei einem Bauern Arbeit. Da er Spaß an der Landwirtschaft hatte, ließ er sich die Zeit beim Bauern als Lehrzeit anrechnen und schloss seine landwirtschaftliche Lehre ab. Durch Zufall hörte er von einem Bekannten, dass ein Freund in Südwestafrika dringend einen Farmverwalter suchte.
1953 wagte Helmut den großen Schritt. Er wanderte aus und half in den darauffolgenden Jahren auf verschiedenen Farmen aus. Dabei lernte er Land und Leute kennen. Danach war er sechs Jahre lang bei einer Viehvermarktungsfirma und viel unterwegs - monatlich 8.000 bis 10.000 km. „Und da ich von meinem Vater die offenen Augen und Ohren geerbt hatte, habe ich alles über das Land gelernt, was ich nur konnte. Bald kannte ich jeden Baum und jeden Strauch.“ Nach dem Vorbild seines Vaters fing Helmut an, Sammlungen anzulegen, zunächst eine Mineraliensammlung, später auch eine Schlangensammlung.
1964 wurde er zum ersten Mal gebeten, eine Reisegruppe zum Brandberg und zur Weißen Dame zu führen. Danach war er 20 Jahre lang bei Springbok Atlas Safaris als Reiseleiter tätig, mehr als die Hälfte der Zeit als Manager und Direktor.
Mit 60 versetzte er sich in den „Unruhestand“, was bedeutete: Er arbeitete weiter als freischaffender Reiseleiter und teilte sein umfangreiches Wissen über Namibia mit anderen Reiseleitern. 17 Jahre lang bot er Reiseleiter-Kurse bei TASA (Tour and Safari Association) und NATH (Namibian Academy for Tourism and Hospitality) als Ausbilder in den Bereichen Fauna, Flora, Ornithologie, Geologie und Astronomie an.
Für seine Arbeit oder einfach nur aus Eigeninteresse legte er weitere Sammlungen an. Neben den bereits genannten ein Herbarium, alte Steinwerkzeuge, eine unglaubliche Dia-Sammlung, Gipsabdrücke von Wildspuren, eine Sammlung von zigtausenden Muscheln und Schnecken, 18 Alben mit Briefmarken und Postgeschichte - um nur einige zu nennen... Alles nummeriert, katalogisiert und wenn nötig mit Erlaubnisscheinen. Einen kleinen Teil der Sammlungen verwahrt er heute in seiner Garage. Den Großteil hat er verschenkt.
Helmut hat sieben Bücher über seine Wahlheimat Namibia geschrieben, deren Titel seine Liebe zum Land zeigen, darunter Vision Etosha, Südwestafrika - Land zwischen zwei Wüsten, Zauber der Vielfalt.
Im Alter von 78 Jahren hört er auf, Touren zu fahren; vier Jahre später stellt der rüstige und lebensfrohe Rentner seine Lehrtätigkeit bei NATH und TASA ein. Und jetzt? Stolz zeigt Helmut mir seinen Garten hinter dem Haus. Er züchtet Kakteen und Lithopse. Die Anlage ist liebevoll mit Gesteinen und Mineralien verziert. Der völlig anders gestaltete Vorgarten wird von seiner Frau Alrun bewirtschaftet, mit der er seit 1987 verheiratet ist.
Und immer wieder schauen Bekannte vorbei und bringen ihm kleine Kostbarkeiten für seine Sammlungen; oder gelegentlich Wissenschaftler, die gern einen Blick auf seine Schätze werfen wollen.
Inke Stoldt