20. Juli 1944, 12.42 Uhr in der "Wolfsschanze", dem Führer-Hauptquartier in den Wäldern Ostpreußens. Adolf Hitler beugt sich bei der Lagebesprechung über die Karte, als unter dem Tisch plötzlich eine Bombe explodiert. Die Detonation hallt nach bis heute: In Deutschland ist im Jahr des 75-jährigen Gedenkens eine neue Debatte um den Bombenleger und den Umsturzversuch entbrannt. Die Kalahari Anib Lodge von Gondwana Collection Namibia dagegen erinnert in stiller Weise an einen der Widerständler, der den Nazis entkam und nach Kriegsende in der Kalahari seinen ewigen Frieden fand...
Das Attentat wird durch Offiziere der Wehrmacht geplant, die die militärischen Befehle Hitlers immer mehr als unsinning und menschenverachtend empfinden und seine Parole vom Endsieg als Wahnvorstellung erkennen. Bei den Verschwörern handelt es sich vor allem um Adelige, die ihre familiären Verbindungen nutzen, um Gleichgesinnte zu rekrutieren. Ihr Haupt ist Generaloberst a.D. Ludwig Beck, der bereits vor Kriegsbeginn offen gegen die Expansionspolitik Hitlers agierte und 1938 während der 'Sudeten-Krise' von seinem Amt als Generalstabschef des Heeres zurücktrat.
Ihr Unternehmen "Walküre" ist ebenso riskant wie raffiniert. Heimlich schreiben sie geheime Befehle um, die in Panzerschränken für den Fall von Unruhen in Deutschland deponiert sind. Das Attentat auf Hitler wollen sie "frontfremden Parteiführern" anlasten und damit begründen, dass die Wehrmacht die alleinige Kontrolle übernehmen müsse. Claus Graf von Stauffenberg, der Zugang zum Führer-Hauptquartier hat, soll den Anschlag ausführen.
Am 20. Juli 1944 ist es soweit. Stauffenberg befindet sich unter den Offizieren im Besprechungsraum, die mit Hitler die militärische Lage erörtern. Unauffällig deponiert er seine Aktentasche mit einer scharfen Bombe unter dem großen Tisch. Leider ist die Position nicht ideal: Zwischen Hitler und der Bombe befindet sich der schwere Holzsockel des Tisches. Aber sich noch weiter an Hitler heranzudrängen, ist nicht möglich, ohne Verdacht zu erregen. Kurz darauf murmelt Stauffenberg etwas, gibt zu verstehen, dass er kurz telefonieren muss, aber gleich wieder zurück sein wird. Daraufhin verlässt er den Raum. Draußen bittet er den Telefonisten, ihn mit jemandem zu verbinden, legt den Hörer jedoch weg und geht hinaus zu seinem Wagen.
Dort steht Mitverschwörer General Erich Fellgiebel, ein Fernmeldespezialist. Er hat kurz zuvor an eingeweihte Offiziere in den Vermittlungszentralen der Wehrmacht verschlüsselt durchgegeben, dass das Attentat stattfindet. Sie stellen von nun an keine Anrufe von der Wolfsschanze durch und lassen auch keine mehr hinaus: Das Hauptquartier ist isoliert.
Hitler beugt sich bei der Lagebesprechung über den Tisch, um die Karte zu studieren. 12.42 Uhr. Eine heftige Explosion schleudert die Tischplatte nach oben, reißt ein tiefes Loch in den Boden, lässt die Fensterscheiben zerspringen und Tausende Holzsplitter durch die Luft schießen. Der Besprechungsraum ist völlig zerstört, über der Baracke steigt eine Rauchwolke auf.
Stauffenberg befiehlt seinem Fahrer, zum Flugplatz zu fahren. Als er die zerstörte Baracke passiert, laufen bereits Sanitäter herbei. Kein Zweifel: Dieser Anschlag war erfolgreich, Hitler ist tot. Zwei bewachte Tore liegen vor Stauffenberg. Nur durch entschlossenes Auftreten und mit viel Glück gelingt es ihm, zum Flugzeug zu gelangen, das ihn direkt nach Berlin bringt.
Nun beginnt die entscheidende Phase des Umsturzversuches: Die Machtübernahme. Allerdings gibt es bereits von Anfang an ein gewaltiges Handicap. Die Bombe hat fünf Menschen tödlich verletzt, aber nicht Hitler. Die schwere Tischplatte hat seinen Körper geschützt. Er wankt mit angesengten Hosen, geplatzten Trommelfellen und Hunderten Holzsplittern im Körper aus der zerstörten Baracke.
General Fellgiebel sieht Hitler und meldet dies an Generalleutnant Fritz Thiele, den Verbindungsmann im Allgemeinen Heeresamt in Berlin. Zugleich drängt er darauf, dass die Operation Walküre dennoch sofort anlaufen muss. Die Verschwörer sind sich bewusst: Wenn es ihnen nicht gelingt, die zentrale Befehlsgewalt bis zum Abend übernommen zu haben, ist ihr Vorhaben gescheitert. Verzögerungen können sie sich nicht leisten, schon gar nicht jetzt, da Hitler lebt.
Thiele jedoch begeht den fatalen Fehler: Er zögert. Offenbar zweifelt er am Erfolg des Staatsstreichs und gibt die Meldung aus der Wolfsschanze nicht weiter. Erst als Stauffenberg nachmittags in Berlin landet, werden die vorbereiteten Befehle aus dem Panzerschrank geholt und alle wichtigen Entscheidungsträger zu einer Krisensitzung zusammengetrommelt.
Der verantwortliche Befehlshaber im Heeresamt, General Friedrich Fromm, sorgt für eine weitere Verzögerung. Er will die Operation Walküre erst freigeben, nachdem er sich vom Tode des Führers überzeugt hat. Sein Untergebener, Oberst Albrecht Ritter Mertz von Quirnheim, setzt sich schließlich über ihn hinweg und lässt die Walküre-Befehle per Fernschreiber an die 21 Wehrkreis-Kommandos übermitteln, in Deutschland und den besetzten Gebieten. Aufgrund eines Missverständnisses werden sie jedoch als höchst geheim eingestuft und in einem langwierigen Verfahren verschlüsselt. Die Fernschreiben kommen daher erst Stunden später an - einige bleiben bis zum Ende des Umsturzversuches ungesendet liegen.
Neben den Verzögerungen sorgt eine geheime Schaltung der Nachrichtenübermittlung für allerhöchste Gefahr. Alle Fernschreiben gehen automatisch in Kopie an die Wolfsschanze. Hitler und Himmler erkennen das Ausmaß des Anschlages. Per Eilfunkspruch informieren sie alle Wehrkreise, dass Hitler lebt und die Befehle der Putschisten ignoriert werden müssen.
Auch die geplante Abriegelung des Regierungsviertels gelingt nicht. Der Befehlshaber des Wachbataillons, Hitler ergeben, glaubt den Verschwörern zunächst und lässt seine Soldaten in Stellung gehen. Dann jedoch folgt er einem misstrauischen Leutnant in die nahegelegene Villa von Propagandaminister Goebbels. Dort wird er per Telefon von Hitler beauftragt, gegen den Putsch in Berlin vorzugehen. Goebbels lässt im Radio immer wieder durchgeben, Hitler lebe und sei nur leicht verletzt.
Damit ist klar: Der Umsturz ist gescheitert. Stauffenberg und von Quirnheim sowie zwei Getreue werden gestellt und im Hof des Gebäudes erschossen, Generaloberst Beck darf sich selbst erschießen. Am nächsten Morgen beginnt die Fahndung nach den Mitgliedern des Widerstands. Die Gestapo erfährt durch Folter oder Tagebucheintragungen von Verhafteten die Namen weiterer Verschwörer. In Schauprozessen werden sie zum Tode verurteilt und schließlich hingerichtet - insgesamt fast 300 Personen.
Bis zum Kriegsende 1945 gelten sie als Verräter, Staatsfeinde und Putschisten. Im Zuge der Umerziehung des deutschen Volkes durch die Alliierten im Westen Deutschlands werden sie zu Helden des Widerstands gegen das Nazi-Regime und Kämpfern für die Demokratie erhoben.
Letzteres zu Unrecht, wie Historiker später aufzeigen. Zwar wollten Beck und seine Mitstreiter nach der Machtübernahme den Krieg durch Verhandlungen beenden, die Konzentrationslager auflösen und das Volk aufrufen, Leben, Freiheit und Würde anderer wieder zu achten. Doch an eine Rückkehr zur Demokratie dachten sie nicht. Stattdessen gab es diffuse Vorstellungen von einem Deutschland ohne politische Parteien, das von einer Elite regiert wird - mit einer nicht näher erklärten Beteiligung von Bürgertum und Arbeiterklasse.
Anfang diesen Jahres ist rechtzeitig zum 75-jährigen Gedenken an das Hitler-Attentat eine weitere Biographie zu Stauffenberg (Autor: Thomas Karlauf) erschienen, die in Deutschland eine neue Debatte um seine Person, das Etikett des Attentäters und die historische Einordnung des Umsturzversuches angestoßen hat. Kritisiert wird dabei auch, dass bei der Hervorhebung Stauffenbergs die Dutzenden seiner Mitstreiter aus dem Blick geraten.
Einer dieser vergessenen Mitstreiter war Friedrich Hermann Fürst zu Solms-Baruth, der mit seiner Frau Adelheid und seinem Sohn Friedrich Wilhelm auf Schloss Baruth nahe Berlin lebte. Wie sein Vater und sein Großvater, der 1888 in den Fürstenstand erhoben worden war, hatte Friedrich Hermann zum deutschen Kaiser Wilhelm II. gehalten - auch nach dessen Abdankung 1918.
Adolf Hitler und das Dritten Reich lehnte er ab. Trotz zunehmenden Drucks der Nationalsozialisten weigerte er sich, auf seinem Schloss die Hakenkreuz-Flagge zu hissen oder den Hitlergruß zu dulden; seinen Sohn hielt er lange von der Hitlerjugend fern. Propaganda-Minister Joseph Goebbels brandmarkte ihn im 'Völkischen Beobachter' schließlich offen als Volksschänder und Staatsfeind.
Drei Tage vor dem Anschlag auf Hitler war Generaloberst a.D. Ludwig Beck, der nach dem Umsturz die Regierungsgeschäfte übernehmen sollte, zu Gast auf Baruth und ritt mit Friedrich Hermann aus. Worüber die beiden sprachen, ist nicht bekannt. Um einen Spazierritt handelte es sich jedoch nicht, denn Friedrich Hermann legte vorher Koppel mit Pistole an.
Kein Wunder also, dass auch er verhaftet und verhört wurde. Doch er hatte Glück. Seine Cousine war mit dem schwedischen Kronprinzen verheiratet. Da SS-Führer Heinrich Himmler zu jener Zeit versuchte, über das Rote Kreuz in Schweden mit den Alliierten Kontakt aufzunehmen und einen Sonderfrieden zu schließen, hielt er über ihn seine schützende Hand. Im März 1945, zwei Monate vor Kriegsende, wurde Friedrich Hermann auf freien Fuß gesetzt und aufgefordert, das Land sofort zu verlassen. Im Chaos des Zusammenbruchs gelang es ihm unterzutauchen.
Schloss Baruth, von den Nazis konfisziert, lag nun in russisch besetztem Gebiet. Die Teilung Deutschlands zeichnete sich ab und damit der endgültige Verlust des Besitzes. So blieb Friedrich Hermann nur ein Stück Land, das er 1937 erworben hatte - in Südwestafrika, fernab von Europa, wo er zu jener Zeit bereits Kriegswolken hatte aufziehen sehen. 1948, im Alter von 62 Jahren, kam er mit seiner Frau und seinem Sohn auf dem letzten Fleckchen Familienbesitz an: Auf der rund 500 km² großen Farm Dabib nordöstlich von Mariental, mitten in der Kalahari.
Aufbau und Blüte der Farm mit lukrativer Karakulschafzucht konnte Friedrich Hermann allerdings nicht mehr miterleben. Haft und Folter hatten Spuren hinterlassen. Schwer krank, musste sich Friedrich Hermann 1951 einer Operation unterziehen, während der er starb. Vor der Fahrt ins Krankenhaus in Windhoek besuchte er seinen Lieblingsplatz auf einer Anhöhe unter einem Hirtenbaum, um Abschied zu nehmen. An jenem Ort, der noch heute 'Solmscher Posten' heißt, wurden seine Gebeine beerdigt und ein schlichtes Holzkreuz errichtet.
Von seinem Sohn Friedrich Wilhelm in den sechziger Jahren verkauft, bildet dieser Teil der Farm heute das Naturreservat der Kalahari Anib Lodge. Mannfred Goldbeck, Brand- und Marketing-Direktor der Gondwana Collection, traf sich 2005 mit dem 79-jährigen Friedrich Wilhelm und erfuhr von ihm die Lebensgeschichte seines Vaters. Jahre später ließ er das Holzkreuz durch einen Gedenkstein ersetzen, der Gästen der Lodge auf der angebotenen Naturrundfahrt gezeigt wird.
Der Stein trägt den Leitspruch des aufrechten Fürsten, der den Nazis die Stirn geboten hatte. Einen Vers von Johann Wolfgang von Goethe zitierend, lautet er:
"Denn ich bin ein Mensch gewesen,
Und das heißt ein Kämpfer sein."
Sven-Eric Stender, Bush Telegraph Namibia