Regungslos sitzt die gut getarnte Gottesanbeterin auf einer Blüte. Ihre Farbenpracht ist eine ausgezeichnete Tarnung. Nichtsahnend kommt eine Biene angeflogen. Noch bevor sie sich auf der Blüte niederlassen kann, schießen plötzlich zwei Fangarme nach vorne, packen sie, halten sie gnadenlos fest und schon beginnt die Gottesanbeterin zu fressen. In einiger Entfernung lauert ebenso gut getarnt zwischen grünen Blättern eine andere Gottesanbeterin, auch Fangschrecke genannt, auf ein Opfer. Selbst auf der Rinde des Strauches verweilt eine weitere Art von Fangschrecke und wartet darauf, dass ein Insekt oder eine Spinne in ihre Reichweite kommt. Da diese Insekten sehr gut sehen können, können sie Beutetiere in ihrer Nähe ausmachen. Manche Fangschreckenarten nähern sich dem Opfer dann sehr langsam, um schließlich blitzschnell zuzupacken. Die dornenbesetzten, klappmesserartigen Fangarme dienen dem Greifen und Festhalten der Beute.
In Namibia gibt es 107 Arten (sechs Familien) von Gottesanbeterinnen in verschiedenen Größen, Formen und Farben. Manche, wie die Geistermantis (Phyllocrania paradoxa), sehen wie ein welkes Blatt aus, andere wie die Rinde eines Baumes; die Blütenmantis (Harpagomantis tricolor) ist auf rosaroten Blüten kaum zu erkennen, derweil die bis zu 15 Zentimeter lange Große Astmantis (Heterochaeta orientalis) wie ein Zweig aussieht.
Manche, wie die Afrikanische Gottesanbeterin (Sphodromantis gastrica), warten mit ihrer grünen Körperfarbe zwischen Blättern auf ihre Beute. Aber nicht nur Beutetiere müssen sich in Acht nehmen, sondern auch die Männchen der Gottesanbeterinnen. Die Weibchen, meist größer als die Männchen, sind bekannt dafür, dass sie die Männchen nach – und manchmal während – dem Geschlechtsakt verspeisen. In einer Veröffentlichung vom Juli 2017 heißt es, dass Gottesanbeterinnen in 13 Ländern auf allen Kontinenten kleinere Vögel fangen und verzehren. Beobachtungen zufolge handelt es sich bei den erbeuteten Vögeln um 24 Arten aus 14 Vogelfamilien wie z. B. Kolibris in Süd- und Nordamerika. Ob solch ein Verhalten auch in Namibia beobachtet wurde, konnte nicht bestätigt werden.
Nach der Paarung legen die Weibchen im Schutze der Dunkelheit an Zweigen, Rinde oder Steinen ihre Eier in einer schaumartigen Masse ab, die schnell aushärtet. In diesen Ootheken (Eipaketen) entwickeln sich die Nymphen, die meist nach dem Winter oder nach den ersten Regenfällen zu Beginn des Sommers schlüpfen. Der Zeitpunkt hängt von Temperatur und Luftfeuchtigkeit ab. Zahlreiche Nymphen sehen zur Tarnung zunächst wie Ameisen aus und krümmen ihren Hinterleib über den Rücken. Dem Entomologen Eugene Marais zufolge müssen Temperatur und Luftfeuchtigkeit stimmen, damit sich die Eier entwickeln und die jungen Gottesanbeterinnen schlüpfen. Marais war viele Jahre beim Nationalmuseum tätig.
Die räuberischen Fangschrecken haben wie die meisten anderen Insekten zahlreiche Feinde. Ihnen stellen Vögel und Reptilien sowie Kleinsäuger nach. Auch vor Artgenossen sind sie nicht sicher. Gottesanbeterinnen gehören zu den wenigen Insekten, die ihren Kopf bewegen können und stereoskopisch in verschiedene Richtungen schauen. Wenn Gefahr droht, verlassen sich manche Gottesanbeterinnen nicht nur auf ihre Tarnung, sondern spreizen wie die Große Astmantis die Flügel und heben die Fangarme.
In der Sprache der Oshiwambo werden Gottesanbeterinnen Oonamukokolambiga genannt, in Oshiherero Ousatana, in den Kavango-Regionen Vakakurukadi, von den Caprivianern Bonalunkalamba und in der Sprache der Nama/Damara IIGâuagu.
Dirk Heinrich