Als Großbritannien am 26. November 2021 gefolgt von den EU-Staaten wegen der neuen Covid-19-Variante Omikron aus heiterem Himmel ein Reiseverbot gegen acht Staaten des südlichen Afrikas verhängte, brach für die Tourismusindustrie in der Region eine Welt zusammen.
Lassen Sie uns Namibia als Beispiel nehmen: Die 7-Tage-Inzidenz liegt seit Oktober 2021 konstant unter 20, seit November gar nur bei etwa 3. Die Omikron-Varainte wurde in Namibia bislang nicht nachgewiesen, trotzdem gilt das Land nun als Virusvariantengebiet.
Diese Einstufung und das damit einhergehende Reiseverbot wird von der namibischen Regierung verurteilt und auch Vertreter der Wirtschaft erhoben ihre Stimme.
Zu ihnen gehört Gys Joubert, Geschäftsführer von Gondwana Collection Namibia, eines der größten Tourismusunternehmen des Landes. Auf Linkedin veröffentlichte er am 29. November 2021 einen offenen Brief an den britischen Gesundheitsminister Sajid Javid, hier zu lesen in der deutschen Übersetzung.
Sehr geehrter Herr Javid
ich schreibe Ihnen aus meinem Heimatland Namibia. Sie finden uns im Südwesten Afrikas - Ihre Handlungen lassen vermuten, dass Sie sehr wenig über uns wissen.
Leider wissen wir sehr viel über Sie, denn Ihr Handeln - und das Ihrer Regierung - hat einen direkten und sogar entscheidenden Einfluss auf unser Leben.
Als Sie beschlossen haben, uns vom Vereinigten Königreich abzuschneiden und die EU Ihnen umgehend folgte, ist unsere sehr zerbrechliche Welt wie ein Kartenhaus zusammengeklappt - wieder einmal. Von einem Tag auf den anderen wurden wir zu Ausgestoßenen, die man um jeden Preis meiden sollte. Ich verstehe immer noch nicht, warum. Ich kann nur vermuten, dass es daran liegt, dass wir Nachbarn von Südafrika und Botswana sind, wo die neue Omikron-Variante entdeckt wurde.
Auf Sky News erklären Sie Ihr Vorgehen wie folgt, ich zitiere:
"Angesichts der Anzahl der Mutationen in dieser neuen Variante gibt es Grund zur Annahme, dass es sein ‚könnte‘, und ich betone das Wort ‚könnte‘, dass diese Variante unsere Impfstoffe weniger wirksam macht; es könnte aber auch sein, dass dies nicht der Fall ist. Wir wissen einfach nicht genug.... müssen wir lernen, mit Covid zu leben."
Die verheerenden negativen Auswirkungen Ihres Reiseverbots auf unser Land kamen schlagartig und mit Garantie. Für Sie war ‚könnte‘ ein kleines Wort, bei uns bricht eine Welt zusammen. Der Schaden an der Tourismusindustrie in Namibia und im gesamten südlichen Afrika war garantiert, er ist bereits eingetreten.
Wenn dies also die garantierten Kosten Ihrer Entscheidung waren, was war dann der erstaunlich große Vorteil auf Ihrer Seite, der diese sofortigen Kosten für Tausende von Existenzen rechtfertigt? Ihr Vorteil besteht darin, dass Sie eine Variante vermeiden ‚könnten‘, die die Wirksamkeit von Impfstoffen beeinträchtigen ‚könnte‘. Dieser Ansatz hat nicht funktioniert. Covid hat sich buchstäblich in jeden Winkel der Welt ausgebreitet. Und so ist die Variante, wie vorhergesagt, in Belgien angekommen (ich warte immer noch auf die Ankündigung des Reiseverbots nach Belgien); und jetzt sogar an Ihren eigenen Küsten.
Sie sprechen von den "verhältnismäßigen und ausgewogenen Maßnahmen, die wir ergriffen haben". Ich nehme an, Sie werden jetzt Ihre Wirtschaft schließen. Nein? Kneipen, Fußballstadien? Das wäre doch sicher eine Überreaktion und zu kostspielig. Eine echte Kurzschlussreaktion, finden Sie nicht auch?
Sehen Sie, Herr Javid, von dieser Seite der Welt aus kann man Ihr Handeln nur dann als ausgewogen und verhältnismäßig betrachten, wenn wir entbehrlich sind, schlicht und ergreifend unwichtig.
Hier bei Gondwana Collection Namibia haben wir im Oktober erstmals seit mehr als 20 Monaten keinen finanziellen Verlust gemacht. In dieser Zeit haben wir nicht einen einzigen Angestellten entlassen. Trotzdem haben wir mehr als 30 % unserer Belegschaft verloren, weil einige es sich angesichts der Lohnkürzungen und der mangelnden Sicherheit einfach nicht leisten konnten, weiter für uns zu arbeiten. Monat für Monat, Tag für Tag - wir haben weiter gekämpft, gehofft, gebetet und für unser geliebtes Unternehmen gearbeitet. Für unsere Gemeinden. Und für die 950 Mitarbeiter, die uns noch geblieben sind.
Für unsere geliebte Tourismusbranche in Namibia.
Im letzten Monat hatten wir hier in Namibia (im Durchschnitt) weniger als 20 neue Covid-Fälle pro Tag, und doch sind wir jetzt isoliert, als hätten wir die Pest.
Diese Variante wurde in erster Linie dank der brillanten südafrikanischen Wissenschaft und der Wissenschaftler entdeckt, die ihre Arbeit im Sinne der Transparenz und der Inklusion geleistet haben. Manchmal würden wir sie gern auffordern, ihre Entdeckungen das nächste Mal für sich zu behalten, doch das werden wir nicht tun. Stattdessen feiern wird die Brillanz der afrikanischen Wissenschaft. Wir werden sie weiterhin beglückwünschen und dabei unterstützen, das Richtige zu tun, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen.
Das ist die eigentliche Angst, die Ihr Verhalten und das Verhalten der anderen Länder der so genannten "ersten Welt" während dieser globalen Pandemie in mir weckt. Die Inklusivität ist so gut wie tot. Jedes Land ist auf sich allein gestellt, jeder denkt nur an sich selbst. Was könnte dies besser verdeutlichen als die Tatsache, dass Anfang dieses Jahres Ihr 18-jähriges Kind vor meiner 80-jährigen Mutter geimpft werden konnte?
Was für eine Welt bauen wir auf, wenn ein Teil der Menschheit einfach weniger wichtig, ja sogar entbehrlich ist? Wirtschaftliche Apartheid?
Mark Twain sagte, dass sich Geschichte nie wiederholt, aber sie reimt sich oft. Was glauben Sie, wird aus den Samen wachsen, die Sie und Ihre Mit-Verantwortlichen aus anderen Ländern heute säen?
Der Tourismus steht für das genaue Gegenteil. Je mehr wir uns gegenseitig besuchen, desto mehr lernen wir voneinander, desto mehr respektieren wir einander und desto mehr lernen wir, einander zu lieben. Für eine integrativere Welt.
Heute bin ich ins Büro gegangen, um mich mit dem Blutbad von Stornierungen, Erstattungen und Tränen zu befassen. Meine Brüder und Schwestern bei Gondwana werden sich im Stillen fragen: Werden wir bis Weihnachten noch einen Job haben?
Sie haben dem Reporter von Sky News im Vereinigten Königreich gesagt: "Ich glaube, es wird ein großartiges Weihnachten."
Ich kann nur sagen: Frohe Weihnachten, Herr Javid!
Alles Liebe
Gys Joubert