Namibia Focus

Feuer im Hohenzollernhaus: Glück im Unglück

Geschrieben von Namibia Focus | Jun 23, 2019 11:55:49 PM

Sirenengeheul, Sorge, dann Fassungslosigkeit. Schon wieder Feueralarm in Swakopmund! Es ist noch gar nicht lange her, da entflammte die Dolphin Apotheke, gefolgt vom Metro Großhandel und vor einer Woche verwüstete ein Hüttenbrand im Stadtteil Mondesa das Hab und Gut einer Familie. Jetzt stand ein Teil einer Dachwohnung im historisch wertvollen Hohenzollernhaus in Flammen. Dank des schnellen Einsatzes der Feuerwehr konnte eine kulturhistorische Katastrophe verhindert werden. Der Schaden hält sich in Grenzen.

Der Notruf ging am 19. Juni 2019 um 18:45 Uhr bei der Swakopmunder Feuerwehr ein. Binnen weniger Minuten waren die Männer zur Stelle. „Zehn Minuten später hatten wir den Brand unter Kontrolle“, bestätigte Feuerwehrmann Adri Goosen. Zum Glück habe das Feuer in nur einer der Ausbuchtungen der Dachwohnung gewütet. Ein Übergreifen der Flammen (durch den Ostwind) auf das unmittelbar benachbarte Wohnhaus konnte ebenfalls verhindert werden.

„Ich hätte mich nicht mehr zur Arbeit getraut, wenn wir dieses Bauwerk nicht hätten retten können“, sagte Goosen zu Namibia Focus News. Was genau den Brand ausgelöst hat, wird noch untersucht. Vermutet wird aber, dass bei den Renovierungsarbeiten am Dach etwas schief gelaufen ist.

Seit Fertigstellung trägt der Atlas hoch oben auf dem Dach die Gerüchte-Last, das Hohenzollernhaus sei ein Freudenhaus gewesen. Doch mehr als Glücksspiele soll es wohl nicht gegeben haben. Foto: Kirsten Kraft

 

Das Hohenzollernhaus ist inzwischen 114 Jahre alt und bei Touristen ein beliebtes Fotomotiv. Der aus Thüringen stammende Hermann Dietz hat das imposante Bauwerk errichtet: Ein Neubarock-Stil mit renaissancistischen Anklängen, so die Beschreibung im Buch „Baukunst in Südwestafrika (1884–1904) von Walter Peters. 26 Jahren war Dietz alt, als er 1904 – zusammen mit einem technischen Zeichner – diesen Entwurf zu Papier brachte.

Laut Archiv erhielt Dietz am 19. September 1904 von der Stadt die Baugenehmigung. Kroaten, die damals von Land zu Land zogen und vermutlich für das Schmalspur-Eisenbahnprojekt von Südafrika nach Swakopmund gekommen waren, gingen Dietz zur Hand. Sie führten u. a. auch die Fassaden und ornamentalen sowie figürlichen Stuckarbeiten aus. Auch die Atlasfigur, der Träger der Welt hoch oben auf dem Dach, soll von den Männern stammen. „Bekannt als Meister ihres Fachs“, rühmte Dietz seine Maurer.

Kroatische Gastarbeiter halfen Hermann Dietz einen Prachtbau mit ornamentalen und figürlichen Stuckarbeiten zu errichten. (Foto: Namibia Wissenschaftliche Gesellschaft)

 

Laut der griechischen Mythologie war  „Atlas“ ein Titan und der König von Atlantis. Im Kampf gegen die Götter hatte er mit seinem Gefolge den Himmel stürmen wollen. Dafür strafte Zeus ihn. Er verdammte Atlas an den Rand der Erde, wo er auf ewig einen Himmelskörper auf seinen Schultern zu tragen hat.

Lange harrte er so mit seiner Last, doch eines Tages kam Herakles und schlug ihm ein Tauschgeschäft vor. Atlas sollte für ihn die goldenen Äpfel der Hesperiden stehlen, die vom Drachen Ladon bewacht wurden. Dafür würde Herakles ihm die Last von den Schultern nehmen. Atlas willigte ein, doch als er mit den Äpfeln zurückkehrte, bat Herakles ihn noch einmal den Globus zu halten, damit er sich eben ein Polster für seine schmerzenden Schultern holen könne. Mit dieser Ausrede machte sich Herakles samt den Äpfeln aus dem Staub und Atlas, der Betrüger, wurde so zum Betrogenen.

Warum Hermann Dietz sich für eine Atlas-Figur auf dem Hohenzollernhaus entschieden hatte, ist nicht bekannt. Jedoch tragen die Mauern seit Baubeginn sinnbildlich eine Last. Angefangen mit dem wohl ersten Gewerkschaftsstreik Swakopmunds. Die Bauarbeiter verlangten nämlich für ihre Meisterarbeit mehr Lohn, doch Dietz war nicht gleich gewillt, auf diese Forderung einzugehen. Prompt legten die Kroaten die Arbeit nieder. Drei Tage lang sollen sie am Bau vorbeigekommen sein und lauthals gespottet haben. Dietz blieb nichts anderes übrig als auf ihre Ansprüche einzugehen, um sein „Vielzweck-Gebäude“ fertigstellen zu können.

Der Hohenzollern-Atlas mit seinem Himmelskörper auf den Schultern. Foto: Kirsten Kraft

 

Kaum waren die Arbeiten im Erdgeschoss zu 75 Prozent ausgeführt, kamen die nächsten „Atlas-Lasten“. Der unstillbare Durst der Swakopmunder und der Drang nach Tratsch. Dietz eröffnete nämlich einen Wirtschaftsbetrieb (Hotel und Bar). Mit jeder Bestellung an Baumaterial aus Deutschland wurden parallel etliche Holzkisten, mit Bierflaschen in Strohhülsen verpackt, geliefert. Gerne blieben jetzt die Männer nach Feierabend und so dauerte es auch nicht lange, da wurde der Bar ein Bordell nachgesagt.

„Die sensationslüsternen Aussprüche aus dem Lager der Journalisten und Müßiggänger, den Hohenzollern vorübergehend als ein Freudenhaus zu kreieren, möchte ich absolut widersprechen“, setzte sich Fritz Dietz, Sohn von Hermann Dietz, in einer Kurzbiographie über das Hohenzollernhaus für den guten Ruf ein. „Es müssten dann alle ähnlichen Unternehmen – und derer gab es viele zu jener Zeit – gleich eingestuft werden.“ Bekanntlich habe es während dieser Periode genügend Möglichkeiten gegeben, sich dem ältesten Gewerbe dieser Erde in diskreterer Form zu widmen.

Aber so unschuldig wie angegeben, soll der Prachtbau trotzdem nicht gewesen sein. Keine zwei Jahre nach Fertigstellung übernimmt ein gewisser Benkwitz die Leitung des Hauses. Wenig später wird ihm von der Polizei die Lizenz entzogen und das Haus – bis auf ein Zimmer – wegen angeblicher Baufälligkeit geschlossen. Galten die Mängel nur als Vorwand, um das Glücksspiel und die angebliche Prostitution zu unterbinden, oder war das komplette Hintergebäude, bestehend aus gepressten Gipsstrohplatten, doch marode geworden?

1908 renovierte der neue Wirt Hagemeister das Hotel von Grund auf. 1912 kam eine weitere „Last“ hinzu: Die Stadtverwaltung bezog für eine Weile die Räume und schickte von dort die Rechnungen raus.

1912 zog die Stadtverwaltung für eine Weile in die Räume. Heute befinden sich private Wohnungen im Hohenzollernhaus. (Foto: Namibia Wissenschaftliche Gesellschaft)

 

1930 wurde das Flachdach durch ein Giebeldach ersetzt. Damit sollte ein dauerhafter Wetterschutz gegen die Feuchtigkeit gewährleistet werden. „Imposant und erwähnenswert war auch damals die Gasbeleuchtung für den Hotelbetrieb und die Straßenbeleuchtung, die mit zu den ersten privaten Einrichtungen zählte“, erinnerte sich Fritz Dietz.

Gegenwärtig sind die Räume des Hohenzollernhauses in Privatwohnungen gegliedert.

„Somit wurde zu jener Zeit ein Bau erschaffen, der allen Stürmen der Natur in all der Zeit widerstand“, notierte Dietz. Bis zu jenem Tag, als ein Feuer seine Macht zeigte … Dank schnellem Einsatz nochmal Glück gehabt. Es hätte auch alles in Schutt und Asche liegen können.

Kirsten Kraft

 

Der Brand im Hohenzollernhaus wirkte in der Nacht schlimmer als er war. Der Schaden im Dachstuhl wird schon wieder repariert. Foto: Kirsten Kraft