Während eines Aufenthalts im Delight Hotel in Swakopmund zu Beginn des Jahres, als es Covid-19 noch nicht gab war, fuhr ich gemächlich an der Küste entlang Richtung Cape Cross, auch als Kreuzkap bekannt. Kaum einer kennt die interessante Geschichte, die sich hinter diesem Platz in der unwirtlichen Namib mit seiner großen Robbenkolonie verbirgt. Wer hätte gewusst, dass diese Landspitze 130 Kilometer nördlich von Swakopmund im späten 19. Jahrhundert ein geschäftiges Zentrum für die Ernte von Guano und Robben war?
Portugiesen liefen die Seezuge vor einigen Jahrhunderten als erste Europäer an. Sie hatten ihr Heimatland für viele Jahre hinter sich gelassen und den weiten Meeren in ihren hölzernen Schiffen getrotzt, auf der Suche nach neuen Ressourcen und Handelswegen in den Osten. Der bekannte portugiesische Seefahrer Diego Cao errichtete an Land inmitten der Felsen ein Kreuz (Padrao) und nannte den Platz „Cabo do Padrao“ - Kreuzkap. Es war das Jahr 1486. Sein Zuhause sollte er nie wiedersehen. Seine Flotte kehrte ohne ihn zurück. Die Umstände um seinen Tod bleiben ein Rätsel.
Es sollten 400 Jahre vergehen, bis dieser Landstrich wieder die Aufmerksamkeit auf sich zog. Dieses Mal wurde das Kap auf dem Landweg erreicht. 1895 begab sich Walter Matthews auf eine Wüsten-Expedition von Swakopmund nach Norden – kein leichtes Unterfangen zu der Zeit – auf der Suche nach Robben. Er fand eine beträchtliche Ansammlung dieser Tiere am Kreuzkap und bemerkte zudem, dass die Felsen von Guano (Vogelkot) überzogen waren, das in Europa als Dünger sehr begehrt war und auch als „weißes Gold“ bezeichnet wurde.
Begeistert kehrte Matthews mit dieser Nachricht nach Swakopmund zurück und gründete mit der Unterstützung eines wohlhabenden Onkels die Damaraland Guano Company. Ihm wurde die Genehmigung erteilt, in der Gegend Guano abzubauen und Robben zu schlagen. Da das Kreuzkap in der menschenfeindlichen Namibwüste liegt, wurden Ausrüstung und Bedarfsartikel aus England herangeschifft, einschließlich des Trinkwassers. Nur ein Jahr später herrschte an dem einst trostlosen Küstenstrich ein geschäftiger Betrieb. Hundert Arbeiter bauten Guano ab und trugen Robbenfelle zusammen. Verschiedene Gebäude wie Post, Polizeistation, Zollamt und eine Kondensationsanlage zur Wassergewinnung wurden errichtet. Regelmäßig legten Schiffe an, Männer entschlossen sich zu bleiben und sich der Arbeiterschaft anzuschließen.
Der Boom dauerte nicht lange. 1903, nach nur neun produktiven Jahren, waren die Felsen abgeräumt und die Robbenpopulation geschrumpft. Bereits vor Ablauf der 10-jährigen Nutzungserlaubnis hatten die Polizeistation, Post und das Zollamt geschlossen.
In dieser kurzen Zeit des Bestehens jedoch schrieb das Kreuzkap Geschichte. Es konnte sich der ersten Eisenbahnstrecke im Lande rühmen – ganze 21 Kilometer Bahngleise, die für den Transport von Guano und Pelzen zu den wartenden Schiffen verlegt wurden. Und es kann den ersten Raubüberfall des Landes verzeichnen, als nämlich der Postbote zwischen Henties Bay und Swakopmund beraubt wurde.
Die einzigen Überbleibsel aus der damaligen Zeit sind heute ein paar verwitterte Kreuze am Eingang zum Robbenreservat und ein verrosteter Streifen Bahnschienen, der aus dem Sand hervorlugt.
Padlangs: Manni Goldbeck