Ich bin häufig auf den langen Straßen Namibias unterwegs und habe dabei sehr viel Zeit, über die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft nachzudenken. Bei so einer Reise halte ich wenigstens ein oder zwei Mal an, um mich mit Menschen zu unterhalten, mir ihre Lebensgeschichten anzuhören und interessante, selten besuchte Orte zu erkunden. Padlangs, also am Wegesrand, sammele ich einige dieser Eindrücke und Geschichten, um sie mit Ihnen zu teilen.
Den 80-jährigen Isak !Aochamub traf ich an einer Tankstelle in Outjo. Gemessen an seiner würdevollen Haltung und dem hohen Alter vermutete ich, dass er wahrscheinlich einen Namen aus dem Alten Testament hatte, den er stolz wie ein Abzeichen trug. Wie viele Namibier seiner Generation, die zu Zeiten von Missionaren geboren wurden, hatten Isaks Eltern ihm einen englischen Namen aus der Bibel gegeben, der den starken christlichen Einfluss jener Zeit offenbarte.
Was aber wirklich mein Interesse an Isak !Aochamub weckte, war die große Liebe seines Lebens – eine sehr reizende 34-Jährige. Der türkis-grüne Toyota Hilux aus dem Jahre 1985 strahlte nur so angesichts der sorgfältigen Pflege und Zuneigung, die ihm seit vielen Jahren entgegengebracht wurde. Das Auto rief schöne Erinnerungen an meine Studienzeit in mir wach, als ich das gleiche Modell fuhr.
Ich vertiefte mich in ein Gespräch mit Isak und erfuhr, dass er in den vergangenen Jahren nie genügend Geld hatte, um sein Auto reparieren zu lassen oder Ersatzteile zu kaufen. Also machte er alles selbst. Das Ergebnis war ein mit Liebe und Improvisationstalent gewarteter Bakkie (Pick-up) mit authentischer Ausstrahlung und dem gewissen Etwas, das modernen Autos von heute oftmals fehlt. Die Sitze des Autos waren mit Patchworkstoffen überzogen, eine SWAPO-Flagge zierte zusammen mit einer Anstecknadel der namibischen Flagge das Armaturenbrett. Verschiedene Schraubenzieher ragten aus der Mittelkonsole und waren notfalls zur Hand. Der Kühlergrill war selbstgebastelt und ähnelte einem Gittertor. Den einzigen Hinweis auf das moderne Zeitalter bot eine Ansammlung von Kabeln mit USB-Anschlüssen, um das Aufladen von Handys und Telefonen zu ermöglichen. Damit verschaffte sich Isak ein zusätzliches Einkommen.
Ich sah mir das Auto mit seinen Besonderheiten eine Weile lang an und bemerkte an der Innenseite der Tür eine kleine Gripzange. Neugierig zeigte ich darauf und fragte: „Was ist das?” Er antwortete: „Diese Gripzange benutze ich, um mein Fenster hoch und runter zu kurbeln.” Das brachte mich zum Nachdenken, denn der Zweck dieses Werkzeugs ist ganz gewiss nicht, die Handkurbel eines Fensters zu ersetzen. Zurück in Windhoek recherchierte ich die Geschichte und den Ursprung der Gripzange.
Ihr Erfinder war ein dänischer Schmied namens William Petersen, der in Dewitt, Nebraska lebte. Ihm fiel eines Tages auf, dass er ein ganz bestimmtes Werkzeug benötigte, das in seiner Sammlung fehlte. Dieses Werkzeug sollte die Funktionen von Zange und Schraubstock kombinieren. Peterson entwarf zunächst Modelle und verwendete verschiedene Materialien, erst Pappe, dann Holz und schließlich Metal. Sein erstes Patent bekam er 1921; im Jahr 1924 folgte das Patent für den Verriegelungshebel. William verkaufte seine Werkzeuge zunächst aus dem Kofferraum seines Autos. Nach und nach erweiterte er sein Unternehmen und gründete 1934 die Petersen Manufacturing Company. Die erste Produktionsanlage entstand vier Jahre später. Sein Werkzeug fand großen Anklang und seine Gripzange wurde bald als vielseitigstes Handwerkzeug der Welt gefeiert.
Während des Zweiten Weltkriegs lief die Fabrik auf Hochtouren, um die Rüstungsindustrie zu versorgen. Die Gripzangen wurden sogar für die Flugzeugindustrie nach England verschifft. Einige der Schweißer, die an den Liberty-Frachtschiffen arbeiteten, schweißten sie in die Schiffsrümpfe ein, statt sich die Zeit zu nehmen, sie wieder zu entfernen.
Nach dem Krieg wurden die Gripzangen ein beliebtes Werkzeug zurückkehrender Soldaten, die ein Zuhause für sich und ihre Familien bauen wollten. Das Werkzeug wurde weiter verfeinert, 1957 kam ein Entriegelungshebel hinzu.
Heute ist die Gripzange auch als Verriegelungszange bekannt. Sie ist vielseitig verwendbar und hat einen festen Platz in jedem Werkzeugkasten. Nach meinen Recherchen betrachte ich dieses praktische Werkzeug, das ich als Fenstergriff von Isaks Auto wiederentdeckte, mit neuem Respekt.
Mannfred Goldbeck