Sir Francis Galton! Muss man sich diesen Namen merken? Sollte man, zumindest jeder Namibier und Namibia-Fan, Reiseveranstalter, Reiseleiter und Verleger von namibischen Reiseführern; denn Galton erforschte und kartierte das Damaraland und Ovamboland. Zudem ist das Galton-Tor im Etosha-Nationalpark nach ihm benannt und er veröffentlichte 1855 „The Art of Travel“, den wohl ersten Ratgeber für Reisende.
Dem nicht genug. Galton war ein Universalgenie, einer der letzten großen „Gentleman-Wissenschaftler“, dem ein IQ von 200 nachgesagt wird. Er machte sich in verschiedenen Fachrichtungen einen Namen. Als Mediziner, Geograf, Meteorologe, Statistiker, Anthropologe, Psychologe und Afrikaforscher. Sein helles Köpfchen brachte ihm den Ritterschlag ein.
Doch der Reihe nach: sein Vater Samuel Tertius Galton, ein reicher Bankier und Waffenfabrikant; seine Mutter Violetta Darwin Galton, die Tante des berühmten Naturforschers Charles Robert Darwin (1809–1892).
Francis Galton selbst erblickte am 16. Februar 1822 in der Nähe von Birmingham/England das Licht der Welt. Er war das jüngste von sieben Kindern. Wohlbehütet wuchs er auf. Seine Schwestern stritten sich darum, wer ihn länger betüddeln und vor allem unterrichten durfte. Bereits im Alter von zwölf Monaten habe er alle Großbuchstaben und nach 18 Monaten auch die anderen lesen können. Weiteren Informationen zufolge soll er mit zweieinhalb Jahren selbstständig Kinderbücher gelesen und mit vier Jahren bereits dividiert und multipliziert haben. Auch einige Latein- und Französischvokabeln seien ihm nicht fremd gewesen. Mit sechs nahm er sich dann Werke von Shakespeare und andere Erwachsenenliteratur vor, so sagt man. Ein Frühreifer also, dessen Schullaufbahn nicht weniger genial ablief. Internat, Klassen übersprungen, sich im Unterricht gelangweilt, Privatunterricht. Seine Interessen galten den Naturwissenschaften, technischen Entwicklungen und der englischen Literatur. Seine Mutter wollte, dass er Arzt wird. Mit sechzehn Jahren begann er sein Medizinstudium. Obwohl er sich mit der beruflichen Laufbahn eines Arztes nie richtig identifizieren konnte, hängte er sich dennoch voll rein und begleitete nebenher die Ärzte bei Hausbesuchen und Notfällen. Diese Tätigkeit nutzte er zu Experimenten und Selbstversuchen, indem er etwaige Mittel selbst bei sich ausprobierte.
Als sein Vater starb, hängte Galton die Medizin an den Nagel. Dank der großen Erbschaft konnte er nun endlich finanziell unabhängig seine eigenen Interessen verfolgen. Exotische Reisen reizten ihn. 1845 – er war gerade mal 23 Jahre alt – machte er sich auf den Weg, segelte den Nil hoch, durchquerte die Sahara, besuchte Jerusalem, Beirut und Damaskus.
1850 zog es ihn ins südliche Afrika. Ihm schwebte vor, ein Gebiet zu durchqueren, in das noch kein Europäer vorgedrungen war. Mit genug Geld in der Tasche reiste er nach Kapstadt, traf sich dort mit dem Forschungsreisenden Karl Johan Andersson und beide schipperten am 7. August von Kapstadt nach Walvis Bay. Mit an Bord sieben Helfer, jede Menge Proviant, zwei Wagen, zusätzliche Reifen und Stämme als Achsen-Ersatz, neun Maulesel, zwei Pferde und ein paar Hunde.
Bei sengender Hitze zogen sie durch die Wüste und kamen bis nach Otjimbingue. Hier drohte die Weiterreise zu scheitern, denn die kleine Gruppe war mitten in die räuberischen und mörderischen Auseinandersetzungen der Damara, Nama und Orlam geraten. Ein Krieg jeder gegen jeden.
Schnell hatte er begriffen, welcher Häuptling hier das Sagen hatte. Ihm war klar, dass seine Expeditionsreise scheitern würde, wenn es ihm nicht gelänge, den damals einflussreichsten Kaptein der Orlam, Jonker Afrikaner, zur Räson zu bringen. Galton schaffte es, ihn dazu zu bewegen, dass er Frieden versprach und sich sogar bis zu Galtons Rückkehr – ein Jahr später – daran hielt.
Die Expedition durchs Damara- und Ovamboland konnte fortgesetzt werden. Während seiner Reise kartierte er die Gegend erstaunlich detailliert. Ein Geschick, das er sich selbst beigebracht hatte. Er wandte seine Fähigkeiten nicht nur auf die örtlichen Seen und Berge an, sondern maß und notierte diskret, mit Hilfe seines auf Distanz gehaltenen Sextanten, die Körperkonturen des hier beheimateten Volkes. Parallel beobachtete er das Verhalten der großen Rinderherde, auf die die Expedition angewiesen war.
Galtons ursprüngliches Vorhaben war, die Gegend vom Damaraland bis zum Ngami-See (in Botswana, nördlich der Kalahari) zu erkunden. Dieser Weg war von Livingstone als ein wasserreiches Terrain beschrieben worden. Doch Galton und sein Team erreichten den See nicht, kurz vor dem Kunene-Fluss kehrten sie um. Der Forscher gab sich jedoch mit dem, was ihm bis dahin gelungen war, zufrieden.
Zurück in England heiratete er Louise Butler, wurde heimisch, ruhte sich aber nicht aus. Der Mann konnte einfach nicht stillsitzen, ohne dabei zu überlegen; z. B. zu zählen, wie viele Pinselstriche der Maler für die Fertigstellung seines Portraits brauchte. Der Mann feierte nicht, er beobachtete; z. B. wie sich bei einer Gesellschaft die Sympathien zwischen den einzelnen geladenen Gästen entwickelten.
Auch die sogenannte „Beauty Map“ Großbritanniens ist auf „seinem Mist gewachsen“: Er durchstreifte Städte, beobachtete dabei Mädchen und Frauen und klassifizierte diese von attraktiv bis abstoßend. Das Galtonbrett zur Demonstration in der Wahrscheinlichkeitsrechnung stammt von ihm. Mit Eifer erstellte er Wetterkarten, zudem gilt er als Vater der Daktyloskopie – wie man Menschen durch Fingerabdrücke identifiziert. Psychologie, Wissenschaft, Mathematik, Biologie, Chemie und Physik, mit allem befasste er sich. Richtig bekannt wurde er jedoch vor allem durch sein leidenschaftliches Eintreten für die von ihm mitbegründete Erblichkeitstheorie.
All seine Kenntnisse schrieb er nieder. Über 340 Artikel und Bücher gingen in Druck, darunter auch „The Art of Travel“, einer der ersten Reiseführer überhaupt. Sir Francis Galton verstarb am 17. Januar 1911 mit 88 Jahren in Haslemere, Surrey.
Kirsten Kraft