Die legendäre Skelettküste in Namibia ist eines der wenigen kaum berührten Wildnisgebiete der Erde. Der unberechenbare Atlantik, der hier auf die lebensfeindliche Namib-Wüste trifft, ist manchem Seefahrer zum Verhängnis geworden. Gestrandete Schiffe und Walknochen sind in diesem Küstenabschnitt zu finden, aber auch faszinierende Flora und Fauna, die sich im Laufe von Jahrtausenden an die rauen klimatischen Bedingungen angepasst hat. Ein Besuch des Skelettküste-Nationalparks birgt viele Überraschungen.
Los gehts an einem diesigen Tag Ende März von Swakopmund nordwärts in Richtung Damaraland. Wir sind auf dem Weg zu Palmwag Lodge & Camp und wollen uns an der berühmt-berüchtigten Skelettküste etwas Zeit lassen.
Das Ugabmund-Tor ist die südliche Zufahrt zum Skelettküstenpark, der sich 500 km nordwärts bis zum Kunene erstreckt. Wir fahren durch die karge, menschenleere Landschaft, bis uns ein Schild auf das einzige Wrack an der Skelettküste hinweist, das man besichtigen kann. Von der ‚South West Seal‘, die 1976 hier strandete, ist nicht mehr viel übrig. Wir genießen den Strand und die Weite bei mildem Wetter und vertreten uns die Beine.
Wieder geht es in Richtung Norden. Alte baufällige Strukturen aus den späten 1960er Jahren erinnern daran, dass der Skelettküstenpark erst 1973 zum Nationalpark erklärt wurde. Die stillgelegte Ölförderanlage ‚Old Oil Rig‘ und die verlassene Toscanini Mine, wo früher einmal mit mäßigem Erfolg Diamanten geschürft wurden, dienen heute Seevögeln als Brutplätze.
Schon bald erreichen wir den Huab-Fluss, der kürzlich zum ersten Mal seit vielen Jahren wegen guter Regenfälle im Inland das Meer erreicht hat. Wir unternehmen einen Abstecher zur ausgeschilderten Huab-Mündung mit ihrer großen Lagune. Hier, im Nirgendwo zwischen Namibwüste und Atlantik wird – man höre und staune – vor Löwen gewarnt!
Sie wandern aus dem Inland die Trockenflussläufe, in denen es Nahrung und Wasser gibt, in Richtung Meer hinunter, um Robben und Seevögel zu jagen. Nach Einführung eines gemeindebasierten Modells zum Schutz von wilden Tieren und einer Zunahme des Tourismus an der Skelettküste sind die Löwen an diese unwirtliche Küste zurückgekehrt.
Und dann, urplötzlich, großes Erstaunen! Ein See auf der Straße, mitten in der Wüste! Hier muss ein Sturzregen niedergegangen sein, der sie heftig verspült hat. Danach ist die bisher gute Schotterstraße für einige Kilometer nur noch mühsam befahrbar.
Wir biegen ab in Richtung Springbokwasser und fahren in östliche Richtung auf dicke Wolkentürme im Inland zu. Nach und nach ersetzen rote Tafelberge die Sanddünen, auf rotbraunen Geröllflächen zeigen sich grüne Tupfer, die sich beim Näherkommen als Tsamma-Pflanzen mit grünen und gelben Melonen entpuppen. Diese widerstandsfähige Wüstenpflanze bietet vielen Lebewesen lebenswichtige Flüssigkeit.
Eine langezogene Rechtskurve weiter stoßen wir auf andere, geradezu ikonische Sehenswürdigkeiten am Wegesrand, die Weltwitschia mirabilis. Der Ursprung dieser außergewöhnlichen, zweiblättrigen Pflanze reicht mehr als 100 Millionen Jahre zurück, was einen Teil ihrer Faszination ausmacht. Sie konnte nur überleben, weil sie sich im Zuge der Evolution an ihre wasserarme Umgebung anpassen konnte.
Linkerhand beginnt plötzlich mitten im Nirgendwo der Veterinärzaun, die sogenannte Rote Linie. Sie soll Tierbewegungen von Norden nach Süden und damit die Ausbreitung von Tierkrankheiten wie Maul- und Klauenseuche verhindern. Zu unserem Erstaunen wird die Landschaft immer grüner, das sonst so raue Damaraland mit seinem rotbraunen Steinflächen und abgeflachten Bergkuppen wirkt durch das Gras und die Springböcke, die uns neugierig beäugen, weich und frisch, einfach herrlich!
Wir erreichen die Parkstation an der östlichen Grenze des Skelettküstenparks, derzeit eine Baustelle, ähnlich wie beim südlichen Ugabmund-Tor, das wir einige Stunden zuvor passiert haben. Im Rahmen des staatlichen Entwicklungsprojekts NamParks V, werden neue Verwaltungsgebäude mit Touristeninformation und Angestelltenunterkünfte errichtet.
Das NamParks-Programm wurde 2006 eingeführt; es wird von Deutschland über die Kreditanstalt für Wiederaufbau großzügig unterstützt. Die Bauarbeiten an den Parkstationen zeugen davon, dass Phase V des NamParks-Programms zur Aufwertung der namibischen Küstenparks in vollem Gange ist. Durch den Aufbau angemessener Infrastruktur und eines effizienten Parkmanagements soll eine nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen gewährleistet werden. Auch soll es zum Erhalt der biologischen Vielfalt und zur Verbesserung der Lebensbedingungen der in den Parks ansässigen Gemeinschaften beitragen.
Weiter gehts bei schönsten Sonnenschein zielstrebig auf die dicken Wolkentürme im Inland zu, bis wir plötzlich abrupt stoppen müssen. Hier kreuzt der Koigab-Flusslauf die Straße, der dank heftiger Regenfälle im Inland zum reißenden Strom geworden ist. Wir waten barfuß am Rande des Flusses entlang, genießen den Moment und unterhalten uns mit anderen Reisenden, die das Naturschauspiel ebenfalls gelassen hinnehmen. Nach anderthalb Stunden ist der Wasserspiegel soweit gesunken, dass wir die Durchfahrt wagen.
Auf dem Weg zu Palmwag Lodge & Camp bleiben wir von Wolkenbrüchen verschont und verbringen einen herrlichen Abend im offenen Restaurant der Lodge. Die im südlichen Afrika allseits bekannte und geschätzte Unterkunft gilt als Tor zum abenteuerlichen Kaokoland. Je nach Geschmack und Geldbeutel gibt es hier Komfort- und Standardzimmer in der Lodge, Camping2Go-Selbstversorgerunterkünfte und einen Zeltplatz. Es herrscht geschäftiges Treiben.
Bei unserem Erkundungsgang am nächsten Morgen hören wir den Uniab plätschern, der erstmals seit vielen Jahren Wasser führt. Wir umrunden die weitläufige Anlage und entdecken eine Abwasseraufbereitungsanlage und Sonnenkollektoren. Auf Palmwag Lodge & Camp, das zum Tourismusunternehmen Gondwana Collection Namibia gehört, wird Wert auf Umweltschutz und Nachhaltigkeit gelegt.
Nachmittags schließen wir uns einer Naturfahrt in das riesige Palmwag Konzessionsgebiet an. Wir sind kaum losgefahren, da entdecken wir schon Giraffen. Auch Bergzebras, Oryxantilopen und Springböcke beäugen uns neugierig. Der sonst trockene Aub Canyon wird von einem malerischen Wasserfall gespeist. Weiter gehts über Stock und Stein zu einer kleinen Anhöhe, auf der wir bei leckeren Snacks und Gin & Tonic einen spektakulären Sonnenuntergang genießen und die vergangenen zwei Tage Revue passieren lassen.
Karge, imposante Landschaften, Wüstenpflanzen mit unnachgiebigem Lebenswillen, Löwen am Atlantik... Namibias faszinierende, wilde Welt lohnt sich!
Inke Stoldt arbeitete 20 Jahre lang als Rundfunkredakteurin und –moderatorin, bis sie 2010 im Bereich Öffentlichkeitsarbeit bei Gondwana Collection Namibia tätig wurde. Seit der Einführung der Namibia Focus-Webseite 2018 ist sie Teil des Redaktionsteams.